Hallo Bundesliga-Freunde,
Holtkamp: Kohfeldt nicht das Problem
klingt hart, ist es auch: Werder Bremens Saison ist im November im Grunde gelaufen. Nur zwei Siege in den ersten vier Monaten, punktgleich mit Düsseldorf auf Relegationsplatz 16. Dass Bremen am Ende absteigt, dazu wird es nicht kommen, weil sie dafür noch ein paar relevante Spiele gegen die Mitbewerber gewinnen.
Und weil sie dafür am Ende auch tatsächlich zu "gut" sind, halten oft lange mit, auch gegen die Größeren - nur knicken sie in den entscheidenden Momenten dann fast regelmäßig ein.
Von der als Anspruch formulierten Qualifikation für den europäischen Wettbewerb ist Bremen so weit entfernt wie die Weser von Miami Beach. Neben Bayern, Leipzig und dem BVB sind auch Mönchengladbach, Schalke oder Frankfurt mittlerweile Vereine aus anderen Dimensionen, von den Möglichkeiten Herthas, in Leverkusen oder Wolfsburg ganz zu schweigen.
Werder will weiter interessantes Sprungbrett sein
Klar, was sollen sie tun? Sich ergeben und als Saisonziel "guter 10." ausgeben? Keine Option. Weil kein Ansporn, weder für Sponsoren, noch für ehrgeizige Spieler, die, wenn sie sich für Bremen entscheiden, ihre Zelte nicht im tabellarischen Niemandsland aufschlagen wollen. Es geht gerade auch um den Ruf als interessanter Sprungbrett-Verein.
Man könnte meinen, Werder Bremen steckt fest. Gefangen im eigenen Schicksal, dass so richtig viel, oberhalb der Grauzone, auf Dauer nicht gehen wird - was vielen Anhängern, Kunden, Spielern und Geldgebern natürlich nicht gefällt.
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Diese Saison sollte es anders sein, der Kader war sowohl aufwändig zusammengestellt als auch zusammengehalten. Mit Max Kruse musste nur ein Leistungsträger ersetzt werden, für Werder-Verhältnisse fast ein paradiesischer Zustand - zumal um Kruse herum mittlerweile auch andere gestandende Könner positioniert waren.
Doch aus einigen Verletzungen und enttäuschenden Ergebnissen zum Saisonstart wurde mittlerweile genau die Negativspirale, die schon viele ambitionierte Mannschaften, gespickt mit überdurchschnittlichem Personal, zum Ende der Hinrunde die gesamte Saisonplanung zerhauen hat.
Vorteil Bremen: Die Chance auf Selbstzerstörung ist relativ gering. Wo bei anderen Traditionsvereinen in ähnlichen Situationen von Vorstand über Sportchef bis zum Trainer alles öffentlich auf den Prüfstand kommt und abschließend, auch im laufenden Geschäft, gerne ersetzt wird, bleibt Werder für gewöhnlich ruhig. Zu ruhig?
Keine Diskussion um Kohfeldt - Werders ungewöhnliche Ruhe
So viel kann man sagen, fast schon ungewöhnlich: Der Trainer ist in Bremen nicht das Problem - im Gegenteil sogar. Rund um das Weserstadion geht die Sorge, dass sich auf Dauer nicht der Verein Florian Kohfeldt anpasst, sondern andersherum. Die Gier auf Erfolg und die damit verbundene Ungeduld bei Kohfeldt ist riesig, er hat große Ziele, auch persönlich, die er am liebsten mit seinem Herzensverein Werder erreichen möchte.
Doch die Befürchtung ist da, dass eben dieser Herzensverein Kohfeldts Anspruch (und auch seiner Geschwindigkeit) nicht gerecht werden kann. Und dass das dann auch den Anführer lähmt, zumindest demotiviert oder frustriert.
Diese Saison sollte der Wurf gelingen, der Glaube war da, die Voraussetzungen geschaffen - die Depression in Bremen ist dementsprechend groß. Denn die aktuelle Situation hat zusätzliche Nebenwirkungen. Statt mit dem Kader, von der Euphorie getragen, den nächsten Schritt zu machen, wird er mit großer Wahrscheinlichkeit auseinander brechen - zumindest an den wichtigsten Stellen.
Im kommenden Sommer steht, auch dem momentanen Hänger geschuldet, der nächste Neubeginn an. Eine ganze Reihe Leistungsträger stehen zum Verkauf und werden in der Branche bereits gehandelt. Es ist gut möglich, dass Milot Rashica, Maxi Eggestein und Davy Klaassen den Verein verlassen, Ludwig Augustinsson und Yuya Osako werden ebenfalls genannt.
Werder braucht Geld, auch um die Ablösen der Spieler zu bezahlen, die zuletzt nur geliehen werden konnten. Für Bittencourt (Hoffenheim), Toprak (BVB) und Lang (Mönchengladbach) werden nach der Saison etwa 15 Millionen Euro fällig, bei allen besteht eine Kaufverpflichtung - zumindest bei Klassenerhalt.
Und dass die eigene Zukunft für die herausragenden Spieler irgendwann im Vordergrund steht, erst recht wenn die Luft nach oben raus ist - wer kann es ihnen verübeln? Wenn die Berater Optionen und Angebote anderer Vereine präsentieren, verschiebt sich der Fokus. Dann wird zum Beispiel extrem wichtig, sich nicht mehr zu verletzen. Oder persönliche Highlights zu setzen, nicht immer ideal für eine Gruppe.
Kohfeldt hat den Plan ausgerufen, aus den fünf Spielen bis Weihnachten noch drei Siege zu holen. Es spricht für ihn, so mutig zu kalkulieren, erst recht öffentlich. Ob sie in Bremen bereit sind für diesen Druck? Dafür spricht, so ehrlich muss man sein, aktuell eher wenig.
Tobias Holtkamp, der Autor dieses Textes, war in der Chefredaktion von Sport Bild und Chefredakteur von transfermarkt.de. Heute berät er Sportler und Marken in ihrer inhaltlichen und strategischen Ausrichtung. Für SPORT1 schreibt Holtkamp als Chef-Kolumnist die wöchentliche "Bundesliga-Kolumne".