Es war eine Szene, die die Bundesliga wochenlang beschäftigte. Eine Kuriosität, die bei Unbeteiligten auch Jahre später noch für Schmunzler sorgt - unter der die Protagonisten jedoch jahrelang zu leiden hatten.
Vor 30 Jahren: Helmers Phantomtor-Trauma
Am 23. April 1994 erzielte Thomas Helmer sein berühmt-berüchtigtes Phantomtor. Oder vielmehr: Er erzielte es eben nicht.
Der heutige Moderator des Fantalk, damals Abwehrchef beim FC Bayern München, traf im Bundesligaduell mit dem 1. FC Nürnberg in der 26. Minute zur 1:0-Führung - so jedenfalls die Wahrnehmung des Linienrichters Jörg Jablonski. Dieser schwor damals Stein und Bein, dass der Ball im Tor und nicht daneben gelandet war.
In Wahrheit hatte Helmer den Ball am linken Pfosten vorbeigestochert. „Ich habe gemerkt, dass der Ball, als ich ihn mit der Hacke geschossen habe, vorbei war“, sagt Helmer viele Jahre nach seinem Phantomtor im Gespräch mit SPORT1.
FC Bayern gewinnt Wiederholungsspiel nach Phantomtor
"Was davor war, wusste ich nicht. Andy Köpke lag hinter mir. Da war ich mir nicht sicher. Deswegen wusste ich nicht genau, was passiert ist", erklärt Helmer die damalige Verwirrung.
Die Entrüstung über das fälschlicherweise gegebene Tor wäre wohl viel schneller abgeflaut, hätte es nicht einen großen Einfluss auf den damaligen Abstiegskampf gehabt. Denn: Das Spiel wurde neu angesetzt, die Bayern gewannen 5:0 und wurden Meister. Der Club stieg dagegen am Saisonende ab, unter anderem wegen der schlechten Tordifferenz.
"Sie haben noch einen Elfmeter verschossen. Viel schlimmer ging das ja alles nicht. Nürnberg hätte wahrscheinlich auch keinen Protest eingelegt, hätten sie noch den Ausgleich geschossen", mutmaßt Helmer. Unglücksrabe für den Club war damals Manfred Schwabl, der den Strafstoß zum möglichen 2:2 vergab.
Mit einem Remis in München wäre Nürnberg damals nicht abgestiegen.
Kießling als Leidensgenosse
"Ich konnte das natürlich auch nicht einfach so abhaken. Ich wurde sogar beschimpft", erinnert sich Helmer, der für viele FCN-Anhänger nach wie vor ein rotes Tuch ist. "Wie soll man das hinnehmen? Bis heute ...", fragt er sich.
Noch schlimmer erging es dem damaligen Schiedsrichter Hans-Joachim Osmers, der sogar Morddrohungen bekam, so dass die Polizei vor seinem Haus Streife fahren musste.
Einen "Leidensgenossen" hat Helmer in Stefan Kießling, der am 18. Oktober 2013 im Spiel zwischen Leverkusen und Hoffenheim ein ähnliches Schicksal erlebte. Damals zappelte Kießlings Ball tatsächlich im Netz - allerdings war er durch ein Loch von außen hineingelangt. "Ich verstehe Stefan, weil er es mir erklärt hat. Bei ihm war es sogar noch ein bisschen schwieriger, weil der Ball wirklich im Tor lag", sagt Helmer.
Beide Ex-Spieler verfolgt ihr Phantomtor bis heute: "Ich kann das total nachvollziehen, was ihm passiert ist. Bei mir war es nicht besser."
Doch wie war es denn an jenem 23. April 1994 genau? Osmers behauptet, er habe Helmer befragt, ob der Ball tatsächlich im Tor gelandet sei. "Und dabei bleibe ich bis heute", sagte der frühere Referee der Welt. Helmer bleibt dagegen bei seiner Version, er sei nicht befragt worden.
Osmers und Helmer treffen sich
Mittlerweile haben sich sich Helmer und Osmers ausgesprochen. "Vor ein oder zwei Jahren haben wir ein Selfie gemacht und gesagt: 'Komm, wir trinken mal ein Bier zusammen'. Ich habe das Tor nicht gemacht, wir haben nicht miteinander gesprochen. Aber jetzt ist gut", sagt Helmer.
An das 5:0 im Wiederholungsspiel, das den Nürnberger Abstieg im Nachhinein besiegelte, hat der 54-Jährige keine Erinnerungen mehr. "Ich könnte mich an kein einziges Tor unsererseits aus diesem Spiel erinnern, weil immer dieses Trauma drauf war. Ich habe mir nur gedacht: Augen zu und durch. An mehr kann ich mich nicht erinnern."
Zumindest etwas Gutes hatten die beiden Phantomtore von Helmer und Kießling: Beide (Nicht-)Tore stießen die Diskussionen um die Torlinientechnik an.
Und Helmer meint erleichtert: „Ich bin froh, dass in der heutigen Zeit so etwas mit dem Hawk-Eye nicht mehr passiert.“