Am Donnerstag durfte man es zum ersten Mal bestaunen, das neue Gesicht des DFB-Teams: Beim 3:0 über Russland verpasste der viel gescholtene Bundestrainer Joachim Löw der Mannschaft mehr als nur ein Facelift .
Löws Umbruch geht am BVB vorbei
Im Vergleich zum blamablen WM-Aus vor gut fünf Monaten hat vielmehr eine Runderneuerung stattgefunden. Taktisch, aber vor allem personell:
Niklas Süle als Abwehr-Fels in der Brandung, Joshua Kimmich in neuer Rolle als Fixpunkt und aggressiver Leader im Mittelfeld, Serge Gnabry und Leroy Sane als Brandbeschleuniger in einer hoch explosiven deutschen Umschalt-Offensive.
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Marco Reus hingegen, aktuell das Gesicht des Umbruchs bei Borussia Dortmund, musste erneut zusehen wie andere im Dress der Nationalelf für Schlagzeilen sorgen. Eine Verletzung verhinderte den Einsatz gegen die Russen.
Dabei wäre Reus einer der wenigen BVB-Akteure, die leistungs- und formtechnisch dazu in der Lage wären, dem DFB-Team momentan ihren Stempel aufzudrücken.
Denn wirft man einen Blick auf den Dortmunder Kader sowie den Kader der Nationalmannschaft, muss man feststellen, dass die Borussia keine tragende Rolle spielt beim DFB-Umbruch. Und das wohl auch in absehbarer Zukunft nicht tun wird.
Woran liegt das? Ist die Entwicklung von Talenten nicht die DNA des Vereins? Räumen die BVB-Junioren nicht regelmäßig sämtliche Trophäen im Jugendbereich ab?
SPORT1 zeigt, weshalb der Umbruch beim DFB ohne den BVB stattfindet.
Masse statt Klasse beim BVB
Zwar befinden sich im Kader der Dortmunder insgesamt zwölf Spieler mit deutschem Pass, dabei darf sich jedoch nur Dauerpatient Marco Reus als ernsthafter Startelf-Kandidat im DFB-Team bezeichnen.
Die anderen potenziellen Kandidaten Mario Götze, Julian Weigl und Mahmoud Dahoud befinden sich zwar im weiteren Kreis und sicherlich immer noch im Blickfeld von Löw, sind aber in ihrer aktuellen Verfassung keine ernstzunehmenden Personalien für die Nationalmannschaft. Und zumindest im Fall von Götze und Schmelzer aufgrund ihres Alters erst recht keine Figuren für den bereits stattfindenden Umbruch.
Maximilian Philipp, Marius Wolf und Jeremy Toljan sind zwar durchaus talentierte Bundesliga-Spieler, für eine Einladung zur A-Nationalmannschaft hat es jedoch bislang noch nicht gereicht. Und mit 23 beziehungsweise 24 Jahren zählen auch sie nicht mehr zum ganz jungen Eisen.
Für Sebastian Rode und Marcel Schmelzer dürfte der DFB-Zug mittlerweile wohl gänzlich abgefahren sein - zu alt und zu verletzungsanfällig.
Aber sollte nicht aus der stets erfolgreichen BVB-Jugend in den nächsten Jahren genügend Material nachrücken?
Irrglaube BVB-Talentschmiede
Die Antwortet lautet: Vermutlich nicht.
Zwar wurde die U19 des BVB in den Spielzeiten 15/16 und 16/17 jeweils deutscher A-Jugend-Meister, die Durchlässigkeit und das Formen schlagkräftiger Bundesliga-Profis ist bei weitem nicht so gut wie der Ruf, der dem BVB dazu vorauseilt.
Der letzte große Durchbruch gelang dem Verein dabei tatsächlich mit einem gewissen Mario Götze.
Andere vielversprechende Nachwuchshoffnungen wie beispielsweise Felix Passlack, Kapitän der Meisterelf von 2017, blieb ein dauerhafter Kaderplatz verwehrt - auch wegen vieler Verletzungen.
Jacob Bruun Larsen, ebenfalls Mitglied der Meistermannschaft von 2017, schaffte zwar den Sprung zu den Profis und überzeugt unter Lucien Favre, besitzt aber eben keine deutsche Staatsbürgerschaft. Gleiches gilt für Christian Pulisic.
Viele andere spielen mittlerweile in der Regionalliga für die zweite Mannschaft des BVB oder haben den Sprung in den Profibereich verpasst.
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Im Kader der U21-Nationalmannschaft befindet sich mit Mo Dahoud nur ein einziger BVB-Akteur, in Deutschlands U19 nicht ein einziger.
Zusammengefasst: Vereinzelt schaffen es zwar noch Talente in den Profi-Kader des BVB. Aber auch bei den Dortmundern ist die Qualität im Kader mittlerweile so hoch, dass es junge Spieler oft schwer haben, sich gegen Konkurrenz zu behaupten.
Talent-Fokus Premier League
Deshalb hat sich, wie zuletzt auch Sebastian Kehl bestätigte, der Scouting-Fokus der Schwarz-Gelben mittlerweile in Richtung England verlagert.
Dort ist die Talent-Dichte zur Zeit derart hoch, dass die englischen Jugendmannschaften sämtliche Titel im internationalen Jugendbereich abräumen.
Wegen der extrem hohen Leistungsdichte und der einzigartigen Finanzkraft der Premier League ist es aber selbst für Mega-Talente wie Jadon Sancho oder Phil Foden (Manchester City) beinahe unmöglich, bei ihren Ausbildungsvereinen Spielpraxis zu sammeln.
Eine Tatsache, die sich die BVB-Verantwortlichen nun vermehrt zu Nutze machen wollen. Sancho soll erst der Anfang gewesen sein.
Die Bundesliga kommt der Premier League zumindest in puncto Intensität im europäischen Top-Ligen-Vergleich am nächsten - und bietet vielen England-Juwelen eine Plattform, sich zu entwickeln und für die heimische Liga wieder in den Fokus zu spielen.
Fazit: Momentan sieht es so aus, als würde der Umbruch der deutschen Nationalmannschaft ohne prägende Gesichter des BVB über die Bühne gehen.
Die Fans dürften diese Tatsache jedoch verschmerzen können, sollte der BVB auch langfristig mit jungen, erfrischenden Talenten die Bundesliga begeistern - deutscher Pass hin oder her.