Ein 5:0-Spektakel im Supercup und der Stotterstart im DFB-Pokal: Ausgerechnet der kleine SV Drochtersen/Assel hat den FC Bayern geerdet.
Das ist Bayerns Hausaufgabenliste
Beim mageren 1:0 gegen den Regionalligisten entging der Rekordmeister zwar einer Blamage. Eine Woche vor Saisonstart muss Trainer Niko Kovac aber an einigen Stellen nachjustieren.
SPORT1 analysiert Bayerns Hausaufgabenliste.
Hierarchie in der Innenverteidigung finden
Das Abwehrzentrum der Münchner ist ja so was wie der Inbegriff des FC Deutschland. Hummels, Süle, Boateng: Das Beste, was man hierzulande an Defensivkünstlern aufbieten kann, verteidigt inzwischen in Rot.
Allerdings ist die Zukunft von Jerome Boateng nach wie vor ungeklärt. Sollte der Nationalspieler die Münchner noch gen Paris verlassen, wird Kovac eine neue Hierarchie etablieren müssen.
Mats Hummels hat derzeit noch mit sich selbst zu kämpfen. Im Supercup gegen Frankfurt entkam er nach einer heftigen Grätsche nur mit Glück einem Platzverweis. Gegen Drochtersen nahm ihn Kovac frühzeitig vom Feld.
Ein Abwehrchef noch auf der Suche nach seiner Topform, einer womöglich bald weg. Droht Kovac hier ein Problem? Nicht zwingend, wenn man die Entwicklung von Niklas Süle betrachtet. Der 22-Jährige hat einen imposanten Aufstieg hinter sich. Nach nur einem Jahr macht er den beiden Platzhirschen bereits mächtig Druck.
Inzwischen glauben sie beim FC Bayern, "dass wir mit Hummels, Süle und Martinez Spieler haben, die ähnlich gut spielen können wie Jerome". So drückte es Uli Hoeneß am Sonntag bei Sky aus.
Kaderplanung final abschließen
Keine zwei Wochen sind es mehr bis Transferschluss. Bis dahin möchte Jerome Boateng Bayern verlassen.
"Jerome hat Karl-Heinz Rummenigge mitgeteilt, dass er sich verändern will", sagte Hoeneß. Bislang findet sich jedoch kein Verein, der bereit ist, den Nationalspieler zu kaufen. Bayerns Präsident erklärte, dass PSG die letzte verbliebene Option ist.
Die Franzosen laufen zwar Gefahr, das Financial Fairplay chronisch zu unterwandern. Gerade erst verpflichteten sie Thilo Kehrer für 37 Millionen Euro. An sich ist der Scheichklub angewiesen, mit seinen Ausgaben hauszuhalten. Nur was heißt das schon in diesem Geschäft? Bekanntlich nicht viel.
"Wenn Paris wirklich einen Spieler will, werden sie es machen", sagte Hoeneß. "Paris muss den Gashahn in Katar nur einen halben Millimeter nach rechts drehen, da kommen dann 100 Millionen raus." Die Chancen auf einen Wechsel bezifferte Hoeneß auf 50:50.
SPORT1-Experte Stefan Effenberg rät seinem früheren Klub zwar entschieden davon ab, Boateng ziehen zu lassen. "Wenn du die Champions League gewinnen willst, brauchst du Boateng. Dann darfst du ihn niemals abgeben", sagte er im CHECK24 Doppelpass.
Für den Fall, dass Boateng aber doch den Absprung macht, meldete Kovac im Interview mit der Süddeutschen Zeitung schon mal vorsorglich Bedarf für Verstärkung an - was Rummenigge wenige Tage zuvor noch ausgeschlossen hatte.
Bei Sebastian Rudy ist die Lage anders. Der Spieler beschäftigt sich dieser Tage intensiv mit anderen Klubs. Mit Schalkes Trainer Domenico Tedesco hat sich Rudy getroffen, auch zu RB Leipzig gibt es Kontakt.
Zwei namhafte Interessenten, zu denen Bayern ihn wohl ziehen lassen würde - wenn denn der Preis stimmt. "15 Millionen werden nicht reichen", sagte Hoeneß bei Sky. "Es kann nicht sein, dass Bayern wie ein Weltmeister zahlen soll und man Spieler von uns fast umsonst bekommt."
Eine Ansage, die insbesondere Richtung RB und dessen finanzkräftigen Förderer zielte. "Wenn Herr Mateschitz seine Täschchen ein bisschen aufmacht, lugt da einiges raus", sagte Hoeneß.
Erfüllt einer der genannten Klubs die Bedingungen der Bayern, dürfte Rudys Transfer kommende Woche abgewickelt werden.
Verletzte gesundpflegen
Seitdem David Alaba im Supercup eine schwere Knieprellung davontrug, sind die Bayern auf ihrer Problemposition so gut wie blank.
Juan Bernat beklagt seit geraumer Zeit eigene Wehwehchen. Rafinha ist zwar ein zuverlässiger Backup, genügt aber nicht immer höchsten Ansprüchen.
Ohne Alaba fehlt den Bayern ein Impuls im Angriffsspiel. Das hat Kovac längst realisiert.
Bis auf weiteres wird der Österreicher jedoch fehlen. Beim Training am Sonntag schlenderte er auf einen abgelegenen Nebenplatz. Mehr als Rehaübungen sind nicht drin derzeit.
Ähnlich ungewiss ist die Rückkehr von Serge Gnabry. Der Flügelspieler hatte in der Vorbereitung gute Ansätze gezeigt - bis ihn Muskelprobleme stoppten. Der nächste von vielen Rückschlägen in seiner Karriere.
Robben auf Touren bringen
Würde bei Bayern ein Trainingsweltmeister gekürt, Arjen Robben wäre der heißeste Anwärter.
"Was dieser Mann jeden Tag für seinen Beruf tut, ist faszinierend", schwärmte Niko Kovac dieser Tage. "Zu seinem großen Naturtalent kommt noch sein brutales Arbeitstalent."
Das Problem derzeit: So auffällig wie Robben bei den Übungseinheiten ist, so sehr hat er in Spielen zu kämpfen. Im Supercup gegen Frankfurt rieb er sich auf dem Flügel auf, blieb weitestgehend wirkungslos.
Im Pokal trug er mit jedem Angriff, in dem er sich in Drochtersens gestaffelter Abwehr fest rannte, mehr Frust davon. In beiden Partien wurde er vorzeitig ausgewechselt - jeweils als erster Bayern-Akteur.
Nicht unbedingt die beste Bewerbung für das Duell mit Kingsley Coman um den Platz in der Startelf. Der Franzose macht Robben mächtig Druck. Gut möglich, dass er am Freitag gegen Hoffenheim beginnt.
Es werde "Momente geben", prophezeite Kovac in der SZ, "in denen Trainer und Spieler anderer Meinung sein werden". Er spielte unter anderem auf Robben an.
Allerdings ist auch ihm bewusst, das Robben in entscheidenden Spielen immer noch den Unterschied machen kann. Um Robben wieder in die Spur zu bringen, wird es auf Kovac' Fingerspitzengefühl ankommen.
Abstimmung in der Defensive finden
Zwar blieben die Bayern beim 5:0 gegen desolate Frankfurter ohne Gegentor, im Test gegen den Zehntligisten Rottach-Egern klingelte es aber gleich zwei Mal im Münchner Kasten. Dazu ließen die Münchner zwei weitere Großchancen zu.
Auch beim mühsamen Erfolg gegen Drochtersen musste Manuel Neuer in höchster Not mit einer Fußabwehr retten, um den Rückstand zu verhindern. Gegen den HSV - wenn auch mit vielen Youngstern in der Abwehrkette - setzte es ebenfalls einen Gegentreffer.
Angesichts dessen, dass Auftaktgegner Hoffenheim in Ballerlaune ist (6:1 im Pokal gegen den 1. FC Kaiserslautern), muss Kovac in der anstehenden Trainingswoche hier definitiv den Hebel ansetzen.
Lösungen gegen tiefstehende Gegner erarbeiten
Der FC Bayern ist es gewohnt, dass der Gegner gegen die Münchner meist sehr defensiv agiert. Unter Kovac hat die Mannschaft aber noch kein Rezept dagegen gefunden. Das wurde sowohl im Test gegen Manchester United als auch gegen Drochtersen deutlich.
Die Lösung: Mehr Tempo. "Wir wussten, dass die erste Pokalrunde eklig sein kann, haben den Gegner nicht unterschätzt, aber wir haben zu langsam gespielt", analysierte Joshua Kimmich.
Gut für Bayern: Von Hoffenheim ist kein Mauer-Fußball zu erwarten.