Die Bundesliga hat ein Qualitätsproblem.
"Playoffs würden Bundesliga guttun“
Das zeigt ein Blick auf die Europacupwettbewerbe, in denen bis auf den FC Bayern kein deutsches Team die nächste Runde des jeweiligen Wettbewerbs erreichte. Entsprechend hart fiel das Urteil von DFL-Geschäftsführer Christian Seifert aus.
"2017 war für den professionellen Fußball in vielerlei Hinsicht ein Jahr der verpassten Chancen", sagte er auf dem Neujahrsempfang am Dienstag in Frankfurt.
"Von daher muss es auch der Anspruch der Bundesliga sein, im Wettbewerb der besten Ligen der Welt zu bestehen. Nur wenn wir dauerhaft eine intakte Spitze haben, bestehend aus mehreren Klubs, die europaweit mithalten können, erfüllt die Bundesliga dieses Versprechen."
Aktuell ist aber das Gegenteil der Fall: Die Liga leidet unter der Dauer-Dominanz der Bayern. SPORT1 beleuchtet die Probleme und diskutiert die Frage, ob andere erfolgreiche Meisterserien wie in den USA ein Vorbild für mehr Spannung sein könnten.
Wo liegt das Problem?
Trotz schwachem Saisonstart hat der Rekordchampion aus München nach gerade mal 18 Spieltagen bereits 13 Punkte Vorsprung auf Platz zwei, die 28. Meisterschaft ist wohl nur noch Formsache.
Es wäre der sechste Meistertitel in Folge und der neunte seit 2006, als der heutige HSV-Vorstandsvorsitzende Heribert Bruchhagen erklärte: "Ich sage voraus, dass Bayern in den nächsten 20 Jahren 16-mal Deutscher Meister wird."
Im Moment spricht sehr viel dafür, dass Bruchhagens Prognose eintreten wird.
Wie kann der Titelkampf wieder spannend werden?
Das Saisonfinale der NFL (National Football League) zeigt gerade, welche Dramatik, Spannung, Emotionen und Begeisterung das Playoff-System mit sich bringt.
Im deutschen Fußball hat sich Wolfgang Holzhäuser, lange Jahre Geschäftsführer von Bayer Leverkusen und in hohen Ämtern in der DFL und beim DFB tätig, mehrfach für eine solche Lösung ausgesprochen.
"Ich bleibe nach wie vor bei der Meinung, dass eine Entscheidungsrunde nach der regulären Saison der Bundesliga gut tun würde", sagte Holzhäuser im Gespräch mit SPORT1:
"Dadurch könnte die Entscheidung um die Meisterschaft interessanter gestaltet werden und auch die Schere zwischen der einen sehr guten Mannschaft und den weniger guten Mannschaften verringert werden. Nicht nur im sportlichen, sondern auch im finanziellen Bereich."
Was spricht für Playoffs?
Holzhäuser ist bislang der einzige prominente Name, der sich öffentlich für Playoffs ausgesprochen hat. Doch seiner Meinung nach hat bei vielen Verantwortlichen bis in die höchsten Etagen von DFL und DFB mittlerweile ein Umdenken eingesetzt.
"Ich bin mir sicher, dass die öffentliche Wahrnehmung nicht ganz den tatsächlichen Meinungen entspricht", erklärt der 68-Jährige. Denn nur mit einer einerseits auch in der Meisterschaft spannenden, andererseits international erfolgreichen Liga kann DFL-Boss Seifert die Erfolgsstory der vergangenen Jahre fortschreiben.
"Ich glaube nicht, dass die Liga unter dem Strich mit dieser Situation zufrieden ist", meint Holzhäuser. "Gerade aus wirtschaftlicher Sicht ist es natürlich schwer einen lukrativen Preis bei der Vergabe von Fernsehrechten zu erzielen, wenn der Meister immer schon weit vor Saisonende feststeht."
Und weiter: "Eine Entscheidungsrunde würde sich geradezu anbieten. Mittlerweile nimmt der FC Bayern den Gewinn einer Meisterschaft doch so hin, wie ich morgens mein Frühstück."
Was spricht dagegen?
Die Gegner verweisen naturgemäß darauf, dass die beste Mannschaft nach 34 Spieltagen auch völlig verdient Meister sei, während in den Playoffs auch ein schwächeres Team dank Glück und Tagesform den Titel holen könnte.
"Selbstverständlich haben diejenigen nicht ganz Unrecht, die sagen, wer nach 34 Spieltagen ganz oben steht, ist verdienter Meister", gibt Holzhäuser zu. "Aber eine solch überlegene Mannschaft wie Bayern München müsste sich aufgrund ihrer Klasse dann ja auch in einem Halbfinale oder Finale durchsetzen können."
Doch gerade diese neue Spannung macht den Reiz großer Ligen, speziell im US-Sport aus. Und auch im Fußball bei WM-Endrunden oder in der Champions League ist das K.o.-Prinzip gerade deshalb so populär.
Wie könnten Playoffs in der Bundesliga aussehen?
Holzhäuser hat ein Modell entwickelt, in dem die besten vier Teams am Ende im K.o.-Modus mit Hin- und Rückspielen den Meister ermitteln.
"Damit wäre Chancengleichheit gewährleistet. Und die ersten Vier hätten fast nichts zu verlieren, denn ab der nächsten Saison sind sie ja ohnehin direkt für die Champions League qualifiziert, was wirtschaftlich am wichtigsten ist", so Holzhäuser.
"Zumal dieser Modus für die gesamte Liga interessant wäre, wenn man die zusätzlichen Einnahmen durch die Playoffs auch den Vereinen zukommen lassen würde, die nicht daran teilnehmen."
Thomas Tuchel hat der ehemalige DFL-Vizepräsident bereits überzeugt. "Ich bin sehr offen für Reglementsänderungen und finde Playoffs grundsätzlich nicht so abwegig", sagte der damalige Trainer von Borussia Dortmund schon vor zwei Jahren.
Was sagen die Vertreter der Bundesliga?
Eine SPORT1-Umfrage am Rande des Neujahrsempfang brachte das zu erwartende Ergebnis. "Playoffs sehe ich nicht. Es ist die Aufgabe der Vereine hinter den Bayern, dafür zu sorgen, dass der Wettbewerb in den nächsten Jahren wieder ein bisschen spannender und der Abstand verkürzt wird", meinte Herthas Sportchef Michael Preetz.
Sein Mainzer Kollege Rouven Schröder sieht es genauso: "Ich bin traditionsbewusst und würde es genauso lassen. Es wird auch wieder die Chance geben, Bayern vom Thron zu stoßen. Da bin ich fest von überzeugt, deshalb halte ich nichts von Playoffs."
Einzig Schalkes Sportvorstand Christian Heidel zeigte sich angesichts der Lage an der Ligaspitze nicht völlig abgeneigt. "Eigentlich bin ich ein Gegner dieser Playoffs", sagte er. "Auf der anderen Seite muss man schon über so etwas vielleicht auch mal irgendwann nachdenken, sollten die Bayern die nächsten 24 Jahre auch Deutscher Meister werden."
Selbst die Worte von DFL-Boss Seifert könnte man als Aufforderung an die Ligavertreter werten, neue Wege zu gehen: "Ein schlichtes 'Weiter so' nach dem Motto 'Keine Experimente' taugt nicht."
Und was sagen die Bayern?
Sogar der Alleinherrscher merkt offenbar, dass es so wie im Moment auf Dauer nicht weitergehen kann.
"Grundsätzlich würden sich alle freuen, wenn wir ein bisschen mehr englische Verhältnisse hätten", erklärte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge am Sonntag bei Sky.
"Emotion bedeutet, dass man bis zum Schluss um die Titel kämpft. Wenn ein Klub zu weit von den Tabellenplätzen zwei, drei und vier entfernt ist, leidet die Emotion. Mir wäre auch lieber, dass die Klubs wie Borussia Dortmund sich ein Stück näher an uns reiben würde, aber man muss auch sagen, das ist nicht ganz einfach."