Unter Louis van Gaal hieß es beim FC Bayern stets: "Müller spielt immer". Doch dieses Gebot von Thomas Müllers Entdecker gehört inzwischen der Vergangenheit an.
"Müller spielt immer" ... weniger
Stattdessen spielt Müller immer weniger und muss sich unter Trainer Carlo Ancelotti häufig mit der Reservistenrolle zufrieden geben. Wie sehr das den 27-Jährigen frustriert, wurde nach dem Duell gegen Werder Bremen am vergangenen Spieltag deutlich.
"Ich weiß nicht genau, welche Qualitäten der Trainer gerade sehen will. Aber meine sind es offensichtlich nicht", machte Müller seinem Frust im Bayerischen Rundfunk Luft.
Gegen Werder hatte er bis zur 73. Minute auf der Bank geschmort - unverständlich für den Offensivspieler, der eigentlich eine starke Vorbereitung vorzuweisen hatte.
78 Prozent Startelfeinsätze
Doch seit Ancelotti 2016 den Trainerposten bei den Münchnern übernahm, befindet sich Müller immer häufiger auf dem Abstellgleis. Insgesamt stand er in 78 Prozent der Ligaspiele in der Startelf und damit weniger als bei allen anderen Trainern zuvor.
Vor Ancelotti kam Müller noch auf 85 Prozent Startelfeinsätze, explizit unter Jupp Heynckes sogar auf den Höchstwert von 90 Prozent. Der Italiener aber tut sich schwer, eine geeignete Position für den Offensivspieler zu finden.
"Er ist keine Sieben wie Robben und auch keine Neun wie Lewandowski, er ist ein Freigeist", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus über Müller bei Sky.
Ancelotti jedoch setzt auf echte Flügelspieler wie Robben und Ribery und klassische Mittelstürmer - in seinem festen Positionsspiel im Mittelfeld hat der flexible Müller somit keinen Platz.
In der ersten Saison unter dem Italiener kam Müller in der Bundesliga vier Mal von der Bank und stand in zwei Ligapartien - trotz Kaderplatz - sogar überhaupt nicht auf dem Feld. Vor allem aber in wichtigen Duellen entschied sich Ancelotti dazu, auf den "Raumdeuter" zu verzichten.
So musste Müller in der Champions League mehrmals die Reservistenrolle einnehmen. Im Achtelfinal-Hinspiel gegen Arsenal wurde er erst in der 86. Minute eingewechselt, im Rückspiel spielte er gar nicht.
In entscheidenden Spielen außen vor
Auch im entscheidenden Viertelfinal-Spiel gegen Real Madrid durfte der 27-Jährige erst in der 75. Minute aufs Feld.
Diese Maßnahme weckt Erinnerungen an Ancelottis Vorgänger Pep Guardiola, der ebenfalls mit Müllers Qualitäten wenig anzufangen wusste und ihn in der Saison 2015/16 im Halbfinal-Hinspiel bei Atletico Madrid 76 Minuten lang auf der Bank schmoren ließ. Dort musste Müller mit ansehen, wie Guardiolas Taktik gründlich schief ging und die Bayern 0:1 verloren.
Dass Müller in wichtigen Spielen jedoch den Unterschied machen kann, hat er in seiner Karriere oft genug bewiesen. "Was er für Bayern und die Nationalmannschaft geleistet hat, steht außerhalb jeder Kritik. Er hätte bei mir als Trainer einen Freifahrtschein", machte sich Kult-Trainer Hans Meyer im CHECK24 Doppelpass für den Weltmeister stark.
Müller als wichtige Identifikatonsfigur
Auch Ex-Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer sieht in Müller eine wichtige Identifikationsfigur: "Man muss bei Thomas auch die Lebensleistung sehen. Er ist Weltmeister, Champions-League-Sieger, Deutscher Meister, Pokalsieger etc. Er wird Miro Klose als WM-Rekord-Torjäger ablösen", sagte Sammer im Interview mit Eurosport.
Und weiter: "Es gibt ganz, ganz wichtige stabile Faktoren innerhalb einer Mannschaft. Die dann, wenn sie Führungsspieler sind, wenn sie Führungseigenschaften haben – Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes lassen grüßen – nicht in Frage gestellt werden dürfen."
Nach dem Abschied von Philipp Lahm ist Müller zudem der einzig verbliebene Ur-Bayer beim Rekordmeister - und damit für die Wahrnehmung des Traditionsvereins äußerst wichtig.
Doch ist diese Tatsache unumstößlich oder würden die Münchner sogar so weit gehen, ihre Identifikationsfigur zu verkaufen?
"Ich denke, einen Müller lässt man nicht gehen - und das wissen auch Ancelotti und die Bayern-Verantwortlichen. Er ist von seiner Art und Weise, Fußball zu spielen, einzigartig im Weltfußball", sagte Sami Khedira der Bild.
Vor einigen Wochen stellte auch der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge in der "Sport Bild" klar: "Thomas ist immer noch unverkäuflich, da er perfekt zum FC Bayern passt."
SPORT1-Experte Thomas Strunz ist sich nicht so sicher, ob Rummenigges Credo noch lange gilt. Im CHECK24 Doppelpass ließ sich Strunz zu einem kleinen Witz hinreißen: "Vielleicht ist Thomas Müller ein Kandidat, der den Dembele-Transfer in der Winterpause pulverisiert."
Oder sogar noch jetzt? Faktisch auszuschließen ist es nicht, das Transferfenster ist noch drei Tage geöffnet.