Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke von Borussia Dortmund hat die Trennung von Trainer Thomas Tuchel mit mangelndem Vertrauen erklärt.
Watzke rechnet mit Tuchel ab
"Der BVB hatte zwei erfolgreiche Jahre, in denen die sportlichen Ziele erreicht wurden. Allerdings haben wir - Michael Zorc als Sportdirektor und ich - uns in dieser Zeit in der Zusammenarbeit mit dem Trainerteam auch aufgerieben", schrieb Watzke in einem Offenen Brief an die Fans und Mitglieder.
Es gehe, schrieb Watzke auf der vereinseigenen Homepage, "immer auch um grundlegende Werte wie Vertrauen, Respekt, Team- und Kommunikationsfähigkeit, um Authentizität und Identifikation. Es geht um Verlässlichkeit und Loyalität". In der Konstellation mit Tuchel habe die Führung "keine Grundlage mehr für eine auf Vertrauen ausgelegte und perspektivisch erfolgreiche Zusammenarbeit gesehen". Die Konsequenz sei das Ende der Zusammenarbeit.
Watzke: Wohl des BVB über allem anderen
Watzke versicherte, nicht allein aus persönlichen Differenzen gehandelt zu haben: "Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass es bei der Entscheidung nicht um die Frage ging, ob man ein Bier miteinander trinken oder Skat miteinander spielen kann. Wenn wir die Dinge derart banalisieren würden, wären wir verantwortungslose und schlechte Entscheider."
In diesem Zusammenhang erwähnte Watzke auch das "sehr spezielle Verhältnis" zu Tuchels Vorgänger Jürgen Klopp.
Watzke beteuerte, er stelle das Wohl des BVB "immer über alles andere. (...) Niemand nimmt sich wichtiger als den Verein, niemand stellt persönliche Eitelkeiten über die Interessen von Borussia Dortmund".
Abschließend bat er die schwarz-gelben Fans, "Michael Zorc und mir sowie allen anderen verantwortlich handelnden Personen bei Borussia Dortmund auch weiterhin volles Vertrauen zu schenken - so, wie es in den zurückliegenden Jahren stets der Fall war".
Der Offene Brief von Hans-Joachim Watzke im Wortlaut:
Liebe Mitglieder,
liebe Fans von Borussia Dortmund,
hinter uns allen liegt eine Saison, die nur schwer in Worte zu fassen und nicht in wenigen Sätzen aufzuarbeiten ist. Eine Saison, die uns sehr, sehr nahe gegangen ist. Und obwohl sie am Samstag in Berlin mit einem großartigen Triumph endete, gibt es Erklärungsbedarf. Ich wende mich deshalb auf etwas ungewöhnliche Weise mit diesem Offenen Brief direkt an Euch.
Der Verlust von Mats Hummels, Ilkay Gündogan und Henrikh Mkhitaryan; die Integration vieler junger und unglaublich talentierter Spieler; der langfristige Ausfall einiger Akteure, die als Leistungsträger und Korsettstangen dieser Mannschaft im Umbruch fest eingeplant waren: Das allein wäre Herausforderung genug gewesen. Zu Beginn der Rückrunde haben uns die Ausschreitungen beim Heimspiel gegen RB Leipzig und die folgende Südtribünen-Sperre durchgeschüttelt. Und mit dem feigen Bombenanschlag auf unsere Mannschaft haben wir vor dem Champions-League-Spiel gegen Monaco eine Erfahrung machen müssen, die die Grenzen unserer Vorstellungskraft bei Weitem überschritten hat. Das Ziel des Attentäters war, die Menschen in unserem Mannschaftsbus umzubringen. Das größte Wunder und zugleich das größte Geschenk in der Geschichte von Borussia Dortmund besteht darin, dass niemand ums Leben gekommen ist. Die Dankbarkeit dafür ist existenziell und nicht einmal im Ansatz zu vergleichen mit der Dankbarkeit für einen Titelgewinn.
Vor diesem Hintergrund ist unser sportliches Abschneiden umso bemerkenswerter. Borussia Dortmund hat sich in der Saison 2016/17 zum achten Mal in Folge für einen internationalen Wettbewerb qualifiziert – davon allein sechsmal für die Champions League. Wir haben im Saison-Endspurt mit einem Herzschlag-Finale gegen Werder Bremen Platz drei erobert. Wir sind im vierten Jahr hintereinander ins DFB-Pokalfinale eingezogen – ein einsamer Rekord. Wir haben den Pott aus Berlin mit nach Hause gebracht und Euch allen am Sonntag beim Jubelkorso präsentiert. Gemeinsam mit einer Viertelmillion Menschen am Straßenrand einen solchen Erfolg feiern zu dürfen, macht stolz, macht dankbar. Macht Gänsehaut. Danke dafür!
Dank gebührt allen im Klub, die geholfen haben, diese Grenzerfahrungen zu meistern. Dank und großer Respekt gebührt zuvorderst natürlich unseren Spielern, die an der Situation nicht zerbrochen, sondern gewachsen sind. Dieser Kader hat Historisches geleistet. Dank gebührt aber auch, das ist doch völlig klar, unserem Trainer Thomas Tuchel und seinem Team!
Dass sich die Wege von Borussia Dortmund und Thomas Tuchel dennoch trennen, stößt bei Teilen unserer Fans auf Kritik und Unverständnis. Das können wir, die Verantwortlichen in der Geschäftsführung und in den Gremien von Verein und KGaA, nachvollziehen. Der BVB hatte mit Thomas Tuchel zwei erfolgreiche Jahre, in denen die sportlichen Ziele erreicht wurden. Allerdings haben wir – Michael Zorc als Sportdirektor und ich – uns in dieser Zeit in der Zusammenarbeit mit dem Trainerteam auch aufgerieben. Es geht bei der Wahrnehmung von Führungsverantwortung, und da unterscheidet sich Borussia Dortmund letztlich keineswegs von jedem anderen Sportverein oder Unternehmen, nicht ausschließlich um das Ergebnis. Es geht immer auch um grundlegende Werte wie Vertrauen, Respekt, Team- und Kommunikationsfähigkeit, um Authentizität und Identifikation. Es geht um Verlässlichkeit und Loyalität.
Wir haben in der gegenwärtigen personellen Konstellation leider keine Grundlage mehr für eine auf Vertrauen ausgelegte und perspektivisch erfolgreiche Zusammenarbeit gesehen. Deshalb haben wir uns nach intensiven Gesprächen und vielen Diskussionen letztlich zu der Maßnahme entschlossen, die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam nicht über das Ende der Saison 2016/17 hinaus fortzusetzen. Diese gemeinsame Entscheidung wird von allen Gremien innerhalb des Vereins und der KGaA einstimmig getragen. Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir weder heute noch in Zukunft genaue Erklärungen abgeben können und werden. Vertrauensschutz ist seit mehr als einem Jahrzehnt elementarer Bestandteil unserer Führungskultur.
Mir ist wichtig, deutlich zu machen, dass es bei der Entscheidung nicht um die Frage ging, ob man ein Bier miteinander trinken oder Skat miteinander spielen kann. Wenn wir die Dinge derart banalisieren würden, wären wir verantwortungslose und schlechte Entscheider. Ich bin auch durchaus nicht der Ansicht, dass Klubverantwortliche und Trainer grundsätzlich immer dicke Freunde sein müssen. Das sehr spezielle Verhältnis, das wir, insbesondere Michael Zorc und ich, zu Jürgen Klopp hatten, war nie der Maßstab für die Zusammenarbeit mit Thomas Tuchel und wird nicht der Maßstab bei künftigen BVB-Trainern sein.
Noch eines möchte ich versichern: Seit ich in verantwortlichen Positionen für Borussia Dortmund tätig bin, habe ich das Wohl des BVB immer über alles andere gestellt. Das gilt gleichermaßen für Michael Zorc, für Thomas Treß und für unseren Präsidenten Dr. Reinhard Rauball sowie für die Mitglieder unserer Gremien. Borussia Dortmund hat aus den Fehlern, die 2004/05 um ein Haar zur Insolvenz geführt hätten, gelernt. Wir alle analysieren unser Handeln selbstkritisch, niemand nimmt sich wichtiger als den Verein, niemand stellt persönliche Eitelkeiten über die Interessen von Borussia Dortmund.
Mit bedingungsloser Unterstützung habt Ihr, liebe Mitglieder und Fans von Borussia Dortmund, uns in den vergangenen Monaten durch schwierige Phasen getragen. Dafür noch einmal herzlichen Dank. Ich möchte Euch abschließend bitten, Michael Zorc und mir sowie allen anderen verantwortlich handelnden Personen bei Borussia Dortmund auch weiterhin volles Vertrauen zu schenken – so, wie es in den zurückliegenden Jahren stets der Fall war.
Euer Aki Watzke