Marcel Sabitzers Haare standen wild in alle Richtungen ab.
Leipzig kommt aus der Deckung
Verkrustetes Blut war oberhalb seines riesigen Turbans zu erkennen. Sein Kopf brummte noch kräftig, als er auf die sportliche Situation von Sensationsaufsteiger RB Leipzig nach dem 3:2-Sieg bei Bayer Leverkusen angesprochen wurde.
"Die Schale bekommt man am elften Spieltag nicht. Von daher kann ich mir davon nichts kaufen", sagte der Österreicher nach Leipzigs Sturm an die Tabellenspitze. Zumindest eine Narbe an der Stirn wird den 22-Jährigen wohl immer an den Abend erinnern.
Doch der Bundesliga-Neuling versuchte mit allen verbalen Mitteln der Kunst, die Euphorie zu dämpfen. Zumindest ein wenig, was nach sechs Siegen in Folge und einem Rekord nach dem anderen mit jedem Spiel schwieriger wird.
RB der Bayern-Jäger?
Ist RB Leipzig nun endgültig der Bayern-Jäger? Oder die Bayern sogar RB-Jäger? Immerhin braucht der Rekordmeister im Spitzenspiel heute bei Borussia Dortmund einen Sieg, um sich die Tabellenführung zurückzuholen. Ein inzwischen ungewohntes Bild in der Bundesliga.
"Es ist schön für die Liga, dass zum ersten Mal seit vielen Jahren der FC Bayern als Tabellenzweiter zu einem Auswärtsspiel fährt", sagte RB-Coach Ralph Hasenhüttl.
Emil Forsberg ist das alles relativ egal. "Ich schaue nicht auf die Tabelle. Es ist noch eine lange Saison. Am Schluss schauen wir, wie es aussieht", sagte der Torschütze und Vorbereiter zum Siegtreffer.
"Die Füße am Boden behalten"
Schließlich hätten die Bayern "eine super Mannschaft. Wir sind eine junge Mannschaft, viele spielen ihre erste Saison in der Bundesliga. Wir wollen die Füße am Boden behalten und weiter hart arbeiten", so der Schwede weiter.
Trotzdem: Von einer Momentaufnahme kann man nach dem Leipziger Auftritt in Leverkusen nicht mehr sprechen. Eher von einer Reifeprüfung, die die Mannschaft bravourös bestanden hat.
(Leipzig-Kapitän Dominik Kaiser zu Gast im Volkswagen Doppelpass - Sonntag, ab 11 Uhr LIVE im TV auf SPORT1, in unserem Sportradio SPORT1.fm und via Facebook Live)
Sie steckte trotz einiger Rückschläge wie dem frühen Rückstand oder dem 1:2 kurz vor der Pause nicht auf, legte eine beeindruckende Mentalität an den Tag. In der Halbzeit fand Hasenhüttl die richtigen Worte, baute seine Truppe auf, schwor sie ein, erinnerte sie an ihre Stärken, an die Automatismen.
Gulacsis Parade der Knackpunkt
Und wenn es dann ausnahmsweise mal nicht so läuft, kommt das Glück hinzu. Wichtige und entscheidende Momente, die sich die Mannschaft erarbeitet, die aber auch nicht nur Zufall sind.
Wie der gehaltene Elfmeter von Peter Gulacsi. Denn natürlich werden potenzielle Schützen vom Punkt wie Hakan Calhanoglu vorher studiert, wurde der Leipziger Keeper auf einen solchen Fall vorbereitet.
Es war der Knackpunkt, das Signal für die Leipziger, eine Art letzter Weckruf, die Mentalität abzurufen, sich noch einmal mit Kampfgeist und spielerischen Elementen gegen die Niederlage zu stemmen.
Dieses Selbstverständnis war auch außerhalb des Platzes zu spüren. Keine Spur von Nervosität, von Chaos oder Planlosigkeit, stattdessen Ruhe, Souveränität und ein großer Glaube an das eigene Können.
Forsberg wie Cristiano Ronaldo
Auch Emil Forsbergs Treffer zum 2:2 nach einem 50-Meter-Solo war kein Zufall. Seit zehn Jahren feilt der Schwede an der Schusstechnik, für die Cristiano Ronaldo Pate stand.
"Er kommt nicht immer, aber wenn er kommt, ist er schwer zu halten", sagte Forsberg über sein Kunstwerk, eine Mischung aus ekligem Flatterball und wuchtigem Weitschuss. Bernd Lenos tatkräftige Unterstützung tat dann ihr Übriges.
"Das macht Lust auf mehr, es macht unheimlich Spaß. Wir tun deshalb gut daran, uns weiter so fokussiert vorzubereiten", sagte Willi Orban, dem das 3:2 gelang, sein erster Bundesliga-Treffer.
Lautern 2.0?
Gerade er weiß, wie es laufen kann. Der Ex-Lauterer war fünf Jahre alt, als der FCK 1998 als Aufsteiger sensationell Meister wurde.
Und mit 27 Punkten nach elf Spielen weist RB die beste Bilanz eines Aufsteigers zu diesem Zeitpunkt auf – also auch besser als der 1. FC Kaiserslautern. Für Orban bleibt das Lauterer Wunder aber "einmalig", und auch der Blick auf den FC Bayern ist noch verpönt.
"Mit den Bayern beschäftigen wir uns erst, wenn es soweit ist. Also kurz vor Weihnachten“, sagte Orban und sprach von der oft bemühten "Momentaufnahme". Auch wenn die inzwischen gar keine mehr ist.