Sandro Wagner trifft derzeit nicht nur gut ins Tor. Er trifft vor allem den Nerv der Menschen.
Wagners Thesen im SPORT1-Check
Mit seiner These, Fußballer würden zu wenig Geld verdienen, hat der Stürmer von Darmstadt 98 eine deutschlandweite Debatte entfacht.
Hat Wagner den Bezug zur Realität verloren? SPORT1 überprüft seine umstrittenen Thesen.
These 1: Fußballer verdienen teilweise zu wenig
Verkürzt dargestellt, will Wagner Folgendes sagen: Der Fußball begeistert Massen, das Geschäft boomt. Der Zuschauerzuspruch spült Vereinen Millionen in die Kassen. Das steigert den Wert jedes Spielers. Verglichen mit anderen Branchen profitieren Fußballer, besonders die in der Zweiten und Dritten Liga, davon aber nicht genug.
Selbst die Stars des FC Bayern würden noch zu wenig verdienen - auch wenn es zwölf Millionen Euro im Jahr wären.
Experten sehen die ausufernden Gehälter im Profifußball jedoch kritisch. Der frühere Direktor des Instituts zur Arbeit der Zukunft (IZA), Klaus F. Zimmermann, schrieb vor einiger Zeit im Spiegel: "Die hohen Gehälter machen den fairen Wettbewerb im Fußball kaputt."
Nach Einschätzung des Volkswirtschaftlers sind Klubs mit weniger Geld beim Wettbieten um Stars und Talente ausgeschlossen. Das führe dazu, dass immer dieselben Mannschaften Titel gewännen.
Angenommen, Fußballer kassierten tatsächlich mehr Geld, so wie es Wagner gern hätte: Sein Verein Darmstadt zählte zu jenen Klubs, die davon am ehesten benachteiligt würden.
These 2: Profis in den USA bekommen deutlich mehr
Der Vergleich zu US-Sportarten ist nur bedingt richtig. Top-Athleten wie LeBron James (Basketball), Tiger Woods (Golf), Alex Rodriguez (Baseball), Tom Brady (Football) oder auch Manny Pacquiao (Boxen) kassieren pro Jahr zwar deutlich mehr als 20 Millionen Dollar. Die üppigen Verdienste gelten jedoch nur für die Sport-Elite.
Über alle US-Profiligen hinweg sind Gehaltsobergrenzen festgesetzt. Zudem ist das Transferbudget der Klubs limitiert. Athleten von der Güteklasse eines Sandro Wagner verdienen in den USA zum Teil deutlich weniger als ein durchschnittlicher Bundesliga-Profi.
Henning Vöpel, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, sagt vor diesem Hintergrund zu SPORT1: "Durchschnittsspieler wie Wagner profitieren überdurchschnittlich vom System. Top-Spieler haben Verhandlungsmacht, schöpfen Gewinne ab. Spieler wie Wagner profitieren vom enormen Marktwachstum."
Will der Darmstadt-Profi also nur Werbung in eigener Sache machen? Sein früherer Mentor Hermann Gerland äußerte im ZDF einen Verdacht: "Ich lese, er will wechseln. Ich weiß nicht, ob das für seine Fußball-Karriere so gut ist. Für seine finanzielle Situation sicher schon."
These 3: Gehälter sind Entschädigungen für Entbehrungen
Wagner beklagt die Enthaltsamkeit, die ein Profi-Fußballer aushalten muss. Keine Partys, nur wenig Zeit für Freunde. Und das für zehn bis maximal 15 Jahre auf höchstem Niveau.
Für ihn ist das Gehalt von Fußballern eine Art Entschädigungszahlung. Und Vorsorge, um sich nach Laufbahnende ein zweites Standbein aufzubauen. Nach einer Studie der Spielergewerkschaft VdV haben nur zehn Prozent aller Fußballprofis nach ihrer Karriere ausgesorgt.
Allerdings: Die Vereine haben die Schwächen dieses Systems erkannt. Ihre Talente durchlaufen heutzutage Leistungszentren, in denen sie neben dem Sport auch die Schule meistern müssen. Der Aufwand ist ungleich höher - eine Garantie auf gut dotierte Verträge gibt es dennoch nicht.
Ex-Fußballer Peter Hackmair ist froh drum: "Es kann doch nicht sein, dass ein 18- oder 20-jähriger Fußballer Millionen verdient! Wie soll denn ein junger Mensch damit umgehen können? Die verlieren doch alle den Bezug zur Realität", schreibt er in seinem Buch "Träume verändern".
Der Österreicher hat seine Profi-Karriere selbst früh beendet. Heute kritisiert er, dass besonders Jungprofis nicht "wissen, was es bedeutet, sich seinen Lebensunterhalt mit harter Arbeit verdienen zu müssen und mit seinem Geld hauszuhalten".
These 4: Frauen und Fußball - das passt nicht
Für diese Meinung muss sich Wagner Kritik gefallen lassen. Nationalspielerin Isabel Kerschowski (VfL Wolfsburg) kommentierte bei Faceboook: "Bis gerade fand ich den noch echt gut..."
Die Mitgliederstatistik des DFB widerspricht Wagners Vorstellung von Fußball. Der Verband verzeichnete 2015 mehr als eine Million weibliche Mitglieder. Dazu waren 6.000 Frauen- sowie 6.700 Mädchen-Mannschaften gemeldet. Die Zahlen steigen stetig.
Eine Entwicklung, die einhergeht mit dem wirtschaftlichen Aufschwung des Frauenfußballs. Noch 2011 errechnete Spiegel Online in einem Gehaltsvergleich zwischen Frauen- und Männer-Nationalmannschaft, dass ein männlicher DFB-Akteur bis zu 260-mal so viel kassiert wie eine weibliche Auswahlspielerin auf derselben Position.
Finanziell liegen im Fußball zwar noch immer Welten zwischen beiden Geschlechtern. Gerade die Frauen-Bundesliga ist in den vergangenen Jahren durch höhere TV-Gelder und verstärktes Sponsoring jedoch spürbar aufgewertet worden. Frauen und Fußball - das passt also sehr wohl zusammen.