Der Wechsel von Julian Draxler vom FC Schalke 04 zum VfL Wolfsburg und die anschließenden Aussagen des Weltmeisters über den zu hohen Druck haben für Aufsehen gesorgt.
Heldt: So lief der Draxler-Deal
Schalkes Manager Horst Heldt berichtet im SPORT1-Interview, wie der Transfer abgelaufen ist, nimmt Stellung zu Draxlers Druck-Aussagen und erklärt, warum die Königsblauen keinen Ersatz geholt haben.
Heldt über:
… die Entscheidung, Draxler gehen zu lassen
"Julian hat mir und Andre Breitenreiter gegenüber mehrfach bekräftigt, dass er den Verein verlassen möchte. Wir haben viele Gespräche mit Julian geführt und ihm gesagt, dass das nur zu unseren Bedingungen läuft, weil die Ausstiegsklausel nicht mehr greift. Es war immer ein Thema, dass Juventus Turin Interesse hat. Sie haben auch ein Angebot abgegeben. Das war Julians absoluter Wunschverein. Recht spät in der Transferperiode hat sich das dann geändert. Das liegt einfach daran, dass Juve nicht unsere Vorstellungen erfüllt hat. Aber wir haben in vielen Gesprächen festgestellt, dass es keinen Sinn mehr macht, zusammen weiterzuarbeiten, und deswegen ist der Wechsel die richtige Entscheidung.
Jeder Spieler, der nicht hier bleiben möchte, kann auch gehen, weil wir nur mit Spielern arbeiten möchten, die auch hier Fußball spielen wollen, die auch immer alles geben. Julian hat für sich entscheiden, dass er dazu nicht mehr in der Lage ist. Dann macht es Sinn sich zu trennen - wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das war bei Wolfsburg der Fall, wir haben die höchste Ablösesumme in der Vereinsgeschichte bekommen."
… den Ablauf des Transfers
"Am Montag war Transferschluss, am Mittwoch davor gab es erste Anzeichen, dass Wolfsburg sich mit Julian beschäftigt. Am Donnerstag - einen Tag vor dem Spiel gegen Wolfsburg - gab es ein Gespräch mit Julian und seinem Berater. Da haben wir auch noch einmal über einen möglichen Wechsel gesprochen. Er hat sich da ganz klar positioniert, dass sein Wunschverein Juve ist. Ich habe ihm gesagt, dass Turin nicht das erfüllt, was wir uns vorstellen und dass, wenn bis Samstag kein anderes Angebot eingeht, das Fenster geschlossen ist.
Am Donnerstag war also noch keine Rede von Wolfsburg, es gab keine offizielle Anfrage, es gab kein Angebot - das ist am Samstagabend eingegangen, um 23.15 Uhr. Da haben wir uns zum ersten Mal mit Wolfsburg beschäftigt. Dann hat Julian entschieden, dass es auch interessant ist, nach Wolfsburg zu gehen. Daraufhin hat das ganze Thema Fahrt aufgenommen."
… den Wechsel zum direkten Konkurrenten
"Wenn ein Spieler mit Julians Qualität geht, wünscht man sich natürlich, dass er vielleicht ins Ausland wechselt. Auch wenn er in den letzten zwei Jahren nicht so performt hat, wie er und wir uns das vorgestellt haben, ist das ein Qualitätsverlust. Am Ende des Tages richtet sich aber alles nach Angebot und Nachfrage. Und es gab kein Angebot aus dem Ausland außer dem von Juve - und das war ein desaströses Angebot. Es gab keinen englischen Verein, der Interesse gezeigt hat, es gab keinen spanischen Verein, der Interesse gezeigt hat.
Es ging darum, eine Grundsatzentscheidung zu treffen und nach vielen Gesprächen war klar, dass es keinen Sinn mehr macht. Wir haben versucht, Julian vom Gegenteil zu überzeugen. Das ist vielleicht vergleichbar mit der Situation von Wolfsburg mit Kevin De Bruyne. Klaus Allofs hat auch lange versucht, ihn vom Bleiben zu überzeugen. Es gibt den berühmten Satz: "Reisende soll man nicht aufhalten." Bei Wolfsburg haben die Rahmenbedingungen gestimmt, etwas anderes lag nicht auf dem Tisch."
… Draxlers Aussage, der Druck auf Schalke sei zu groß gewesen
"Ich glaube, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Selbstverständlich hat hier jeder Spieler Druck, wie ich oder der Trainer auch. Beim FC Bayern haben die Spieler Druck, Meister werden zu müssen, wahrscheinlich auch noch den DFB-Pokal zu gewinnen und im Endspiel der Champions League zu stehen. Wenn man wie der HSV in der Relegation steht, hat man auch Druck. Wenn man sich in diesem Metier bewegt, in der Bundesliga Fußball spielt, ist das so.
Der Verein ist aber nicht alleinverantwortlich für den Druck. Als wir Julians Vertrag verlängert haben, ich kann mich da gut erinnern, wurde auch eingefordert, in die höchste Preiskategorie zu kommen. Dass er als Gesicht präsentiert werden soll. Schalke hat ihm auch nie den Druck auferlegt, WM-Teilnehmer sein zu müssen oder im erweiterten EM-Kader zu stehen. Es ist so, dass sich Spieler heute selbst Druck auferlegen. Den Druck, recht früh Geld ganz schnell viel Geld zu verdienen.
Wenn ein Verein wie Schalke in Vorleistung geht und einen Spieler mit einem sehr guten Vertrag ausstattet, muss ein Spieler auch eine Gegenleistung liefern. Julian hat das in vielen Spielen auch gemacht, aber es wird nie so sein, dass man sich in die Hängematte legen kann. Man muss in der Bundesliga liefern, das muss man hier, das wird Julian auch in Wolfsburg müssen. Ich bin überzeugt, das wird er auch machen."
… die Gründe, warum kein Ersatz für Draxler geholt wurde
"Ich hatte immer im Hinterkopf, dass Julian gehen könnte, und deswegen haben wir uns natürlich auch Alternativen aufgebaut. Fliip Kostic war unser Wunschspieler, das hat aber nicht geklappt, weil der VfB Stuttgart nicht bereit war, ihn abzugeben. Als das Thema Wolfsburg dann erst am Samstagabend beziehungsweise Sonntag, einen Tag vor Transferschluss, Fahrt aufgenommen hat, und absehbar war, dass Kostic nicht kommt, haben sowohl Andre Breitenreiter als auch ich entschieden, jetzt nichts mehr zu machen.
Wir vertrauen unserem Kader und wollen auch nicht auf dem überhitzten Markt einen Transfer machen, nur damit wir einen machen. Es ist sicherlich sinnvoller, aus voller Überzeugung einen Spieler zu verpflichten. Die Möglichkeit dazu haben wir im Winter oder auch nächstes Jahr im Sommer."
... Schalkes Kader ohne Draxler
"Wir haben noch genügend Qualität, um unsere Ziele zu erfüllen. Wir wollen eine andere Art Fußball spielen. Dafür haben wir eine sehr gute Mannschaft, die in mehreren Wettbewerben spielen kann und das primäre Ziel verfolgen kann, attraktiven Fußball zu spielen. Das ist auch ohne Draxler möglich."
... Pierre-Emile Hojbjerg
"Mit Pierre-Emile Hojbjerg haben wir kurz vor Schluss auch noch einen Spieler verpflichtet, der uns hoffentlich helfen wird. Er bekommt jede Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Deshalb ist er auch zu uns gekommen. Es gibt auch Spieler außerhalb von Draxler, die hier eine gute Chance haben, den nächsten Schritt zu machen. Ein Stück weit sind wir alle traurig, dass Julian gegangen ist, es bleibt aber die richtige Entscheidung im Sinne des Vereins und wir werden unser Ziel, besseren und attraktiveren Fußball zu spielen, auch definitiv erreichen."
… die Gefahr, junge Spieler zu verheizen
"Natürlich ist das ein schmaler Grat, aber das liegt ja nicht an Schalke 04. Es gilt das Leistungsprinzip. Wir haben viele junge Spieler, aber eben auch viele, die eine enorme Qualität haben. Jeder will Stammspieler sein. Wir haben außergewöhnlich gute junge Spieler. Diese Philosophie verfolgen wir und natürlich müssen wir im Verein, aber vor allem um den Verein herum sehen, dass junge Spieler nicht immer alles leisten können.
Zum Entwicklungsprozess gehört, dass es nicht immer nur steil nach oben geht, sondern es gibt auch mal Wellenbewegungen. Darüber sind wir uns im klaren und es wäre wünschenswert, wenn andere und auch der Spieler selbst das verinnerlichen und sich selbst die Zeit lassen, sich zu entwickeln. Wir sind davon überzeugt, dass unsere jungen Spieler sich hier entwickeln können und das auch tun werden. In den letzten Jahren haben wir immer ziemlich jungen Mannschaften auf den Platz gestellt und auch unsere Ziele erreicht."
… die Kritik an seiner Person
"Ich verspüre genauso Druck wie ein Trainer und jeder einzelne Spieler. Man muss Entscheidungen treffe, manchmal auch unpopuläre. Da sind wir auch wieder bei Julian. Das war sicherlich keine einfache Entscheidung - und trotzdem ist es die richtige. Dass gleich wieder alles in Frage gestellt wird, das Gefühl haben wir im Verein nicht. Im Gegenteil: Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Diese Aufbruchsstimmung im Verein und auch innerhalb der Mannschaft lassen wir uns von außen nicht nehmen. Auch nicht von Leuten, die jetzt wieder irgendetwas hinein diskutieren wollen, obwohl sie keine Ahnung haben."