Eigentlich hätte als wahnsinnige Schlusspointe nur noch gefehlt, dass Andreas Luthe den finalen Elfmeter selbst pariert und sich dadurch zum absoluten Held aufschwingt. Doch der untröstliche Takashi Uchino tat ihm diesen Gefallen nicht, er knallte seinen Versuch geradewegs in den Düsseldorfer Nachthimmel. Das abrupte Ende eines Relegations-Spektakels, bei dem sich die Bochumer auf dramatische Art und Weise den Verbleib in der Fußball-Bundesliga sicherten.
Ein unfassbarer Abschied
So oder so dürfte es Luthe aber auch maximal egal sein, dass sein letzter Sprung als aktiver Torhüter einer ins Leere war. In die rechte Ecke, ohne Chance auf den Ball. „Das war mein letztes Spiel im Profifußball, wenn man das so sieht, das ist auch nichts mehr für mein Herz“, sagte der 37-Jährige, der nach der Partie sein Karriereende bekannt gab, am Sat.1-Mikrofon: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um aufzuhören - bei meinem Verein.“ Daran, dass ihm dieser Abschied noch lange in Erinnerung bleiben wird, zweifelt nämlich niemand.
Denn seine Bochumer hatten im Hinspiel der Relegation daheim 0:3 verloren. Kaum jemand glaubte noch an den Bundesligisten - bis das Rückspiel eine urplötzliche Wendung nahm. Erst egalisierten die Westfalen während der regulären Spielzeit den hohen Rückstand. Dann musste die Entscheidung im Elfmeterschießen her - wo Luthe als Retter gefragt war und sofort ablieferte. Er parierte den ersten Schuss von Fortuna-Kapitän André Hoffmann.
Luthe: „Ein ganz besonderer Tag in meiner Karriere“
„Ich muss den Tag heute auch genießen, ein ganz besonderer Tag in meiner Karriere. Ich habe schon viele tolle Momente in meiner Karriere gehabt, aber das ist noch einmal das i-Tüpfelchen“, gab Luthe einen Einblick in sein Innenleben und fügte hinzu: „Ich hoffe, wenn ich jetzt in die Kabine komme, dass mir die Jungs noch einmal einen schönen Empfang bereiten und wir dann heute gebührend die Nacht zum Tag machen.“
Für Luthe fühle es sich „unwirklich“ an, beschrieb er zudem. „Ich habe eigentlich nur einen Auftrag gehabt - als ich im Januar hierhin gekommen - Backup zu sein. Dass ich heute hier noch einmal mithelfen konnte, da weiß ich nicht, was ich dazu sagen soll“, so der Routinier. Schließlich deutete vieles darauf hin, dass seine Karriere eher im Stillen zu Ende geht. Nach der Pleite am 34. Spieltag in Bremen, die zum bitteren Sturz auf Platz 16 führte, überschlugen sich jedoch die Ereignisse auf der Torhüter-Position.
Stammkeeper und VfL-Urgestein Manuel Riemann fiel zum wiederholten Male als Schreihals auf, schimpfte und wütete immer wieder gegen seine eigenen Mitspieler. Seine Teamkollegen waren davon so dermaßen genervt, dass er für die beiden Duelle gegen Düsseldorf aus dem Kader verbannt wurde. Eine Aussprache soll noch folgen, Luthe rückte deswegen zwischen die Pfosten - zunächst mit eher mäßigem Erfolg.
Luthe hat noch im Hinspiel gepatzt
Im Hinspiel ließ Luthe, der in dieser Saison nur ein einziges Bundesligaspiel absolvierte, zwar mit mehreren starken Paraden aufhorchen, griff dann aber folgenschwer daneben. Er lenkte spät einen Freistoß nicht zur Seite, sondern nach vorne ab, den Yannick Engelhardt zum 3:0 für die Düsseldorfer verwertete. Spätestens nach diesem Patzer schienen die Lichter „anne Castroper“ auszugehen, der Rückstand für das angeschlagene Team viel zu groß zu sein. Doch weit gefehlt.
Am späten Montagabend wurde der erfahrene Schlussmann gefragt, ob er selbst denn noch an den Ligaverbleib geglaubt hätte. „Ich bin wahrscheinlich einer der Verrückten, aber auch ich habe gezweifelt“, lautete seine Antwort. „Das Hinspiel war hart, es war eine herbe Niederlage, wo wir einen unheimlich schlechten Tag erwischt haben. Nach ein paar Tagen hat man wieder gemerkt, dass da der eine oder andere dabei ist, der den einen oder anderen aus dem Loch zieht. Das ist geil, das ist Teamsport.“
Für Luthe schließt sich ein Kreis
Zu Riemann hatte Luthe vor dem entscheidenden Duell sogar Kontakt, verriet er: „Ich habe mit ihm telefoniert. Manu ist ein wichtiger Teil von uns und hat mit uns dafür gesorgt, dass wir lange in einer tollen Position waren, um die Klasse zu halten. Er ist mit dem Herzen immer VfLer gewesen - auf seine Art und Weise, mit viel Emotionen. Da muss man ihn so nehmen, wie er teilweise ist. Wir beide könnten uns nicht mehr unterscheiden.“
Nun schließt sich für Luthe mit diesem Happy End ein Kreis. In Bochum fing alles an, übrigens auch mit einem wahren Drama in der Relegation. 2010/11 hatte er dort schon mit dem VfL Bochum gespielt, seinerzeit scheiterte der Klub denkbar knapp am Aufstieg in Duellen mit Borussia Mönchengladbach. Über den FC Augsburg kam der in Velbert geborene Keeper danach zu Union Berlin, ehe es ihn zum 1. FC Kaiserslautern und letztlich zurück nach Bochum zog.
„Ich habe viel von Mitspielern und Trainern profitiert. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Danke zu sagen. Dann freue ich mich auf alles, was danach kommt“, sagte Luthe, der sein Glück wie Kapitän Anthony Losilla gar nicht fassen konnte. „Ich freue mich einfach wahnsinnig für ihn, weil er so ein geiler Typ ist.“