Der Großvater war Spanier, sein Vater ein US-Besatzungssoldat aus Puerto Rico, die Mutter Ostpreußin.
Magaths Duell mit der Vergangenheit
Aufgewachsen ist er in Aschaffenburg, doch mit keiner Stadt wird Felix Magath so stark in Verbindung gebracht wie mit Hamburg, wo ihm im Stadtteil Quickborn ein Haus mit 2400 qm-Grundstück gehört. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Bundesliga)
Schließlich hat er ja in seiner Karriere 18 Jahre in der Elbmetropole verbracht, stets im Dienste des Vereins, dem er nun die Rückkehr in die Bundesliga verwehren soll - dem HSV. (Bundesliga-Relegation: Hertha BSC - Hamburger SV 20.30 Uhr im LIVETICKER)
Es ist wahrlich kein normales Spiel für den Nothelfer der Berliner Hertha, denn es ist eines gegen seine ruhmreiche Vergangenheit. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Bundesliga)
In Hamburg so etwas wie ein Heiliger
Der Mann, der sich in der Liga einen zwiespältigen Ruf erworben hat und wegen seiner antiquierten Methoden keineswegs überall geschätzt wird, ist in Hamburg fast so etwas wie ein Heiliger.
Natürlich gehört auch sein Fußabdruck in die Reihe jener 50 HSVer, die am Volksparkstadion in den Walk of Fame aufgenommen wurden.
Und immer, wenn sie beim HSV wieder mal einen Trainer suchten, also quasi jährlich, fiel sein Name. 2015 schrieben ihn Fans auf seiner Facebookseite, er möge zurückkommen und den Abstieg verhindern.
Ihm gefiel das, denn „der HSV liegt mir am Herzen“. Das belegt auch dieses Zitat von Magath: „Hamburg ist immer ein Thema“. Doch seit 1997 ist Magath beim HSV Geschichte. Wie war seine Geschichte beim HSV?
1976: Magath wechselt zum HSV
Seine erste Profi-Station war der 1. FC Saarbrücken (1. Gehalt: 1.500 DM).
Nach dem Aufstieg des FCS 1976 in die Bundesliga wird der Student der Wirtschaftswissenschaften als 23-Jähriger für 550.000 DM an den HSV verkauft. Er kommt zum Vizemeister und amtierenden Pokalsieger und tut sich zunächst schwer.
Weil er mit der Konkurrenz-Situation im Mittelfeld nicht klar kommt, will er schon im ersten Jahr wieder weg. „Er wollte schon die Koffer packen!“, betitelt der kicker eine Story im April 1977.
Magath gibt zu, private Kontakte nach Braunschweig genutzt und einen Spieler dort gefragt zu haben, ob denn künftig bei Eintracht ein Platz im Mittelfeld frei sei.
Zitat Magath: „Die Mannschaftsatmosphäre ist in Braunschweig weit besser.“
Felix Magath wird Stammspieler
Weil es sich Konkurrent Buffy Ettmayer mit Trainer Kuno Klötzer verscherzt, bekommt Wolfgang Felix, wie er eigentlich heißt, aber seine Chance beim HSV und beschließt Anfang 1977: „Ich beiße mich jetzt durch.“
Noch am Ende seiner ersten Saison debütiert er in der Nationalelf und geht im Sommer mit dem amtierenden Weltmeister auf Südamerikareise. Trotzdem wird er anfangs von den TV-Kommentatoren immer noch mit Stürmer Georg Volkert verwechselt.
Das legt sich. Magath gibt seinen Stammplatz nicht mehr her und sammelt ersten Ruhm, als er im Europacupfinale der Pokalsieger gegen Anderlecht (2:0) im Mai 1977 ein Tor erzielt, was viele angesichts eines noch größeren Tores oft vergessen.
Magath hat zu beiden Europacupsiegen des HSV einen Treffer beigesteuert, schon das macht ihn einmalig in der Klubgeschichte.
Magath trifft dreifach in der Bundesliga
Natürlich ist er auch Mitglied der ersten Meistermannschaft in der Bundesliga, auch wenn er 1978/79 nur auf 21 Einsätze kommt.
Denn eine Gelbsucht wirft ihn zurück, in dieser für ihn langweiligen Zeit des Hausarrests schaut er auf NDR 3 die Schach-WM-Duelle zwischen Karpow und Kortschnoi und tritt begeistert einem Schachklub bei.
Er ist ein kluger Kopf und schon damals ein streitbarer Geist: im Februar 1979 wird er durch TV-Aufnahmen nach einer angeblichen Tätlichkeit an Gladbachs Horst Wohlers sechs Spiele gesperrt. Er geht in Berufung und gewinnt - Freispruch.
Am 12. April 1980 schießt er zum einzigen Mal in der Bundesliga drei Tore in einem Spiel, gegen 1860 München (6:1). Am Ende der Saison 1979/80, die dem HSV zwei zweite Plätze, in der Liga und im Landesmeisterpokal, einbringt, fährt der Spielmacher mit zur EM nach Italien.
Während seine Klubkollegen Manfred Kaltz und Horst Hrubesch in Rom den Pokal holen, drückt er die Bank. Der junge Bernd Schuster läuft ihm den Rang ab, immerhin darf er sich nach zwei Einsätzen auch Europameister nennen.
1980/81 erzielt der etwas pummelig wirkende Mann mit dem starken linken Hammer mehr Ligatore denn je - zehn.
Die Zigarette wird bei Seite gelegt
Trotzdem ist er in der Nationalmannschaft nicht gesetzt, mit dem Stuttgarter Hansi Müller, Bayerns Paul Breitner und Schuster ist das Mittelfeld mit Kreativen quasi überbesetzt.
Um noch zur WM nach Spanien zu kommen, hört er im Dezember 1981 mit dem Rauchen auf. Nach seiner Knie-Operation will er alles tun, um wieder fit zu werden.
Im Verein läuft es: 1982 unter dem neuen Trainer Ernst Happel wird der HSV erneut Meister und kommt ins UEFA-Cup-Finale (0:1 und 0:3 gegen Göteborg).
Magath fährt zur WM nach Spanien, wo er nach der Vorrunde seinen Stammplatz verliert. Das WM-Finale von Madrid verfolgt er von der Bank aus und fühlt sich ungerecht behandelt, er tritt aus der Nationalmannschaft zurück.
Beim HSV wird er mehr geschätzt und der Verlauf der Saison 1982/83 entschädigt ihn für vieles: der HSV verteidigt seinen Titel und gewinnt drei Tage zuvor in Athen den Europacup der Landesmeister. An diesem 25. Mai 1983 glückt Magath das Tor seines Lebens im Spiel seines Lebens.
Magath wird zum HSV-Idol
Nach acht Minuten schon bezwingt er Weltmeister Dino Zoff im Tor von Juventus Turin mit einem Schrägschuss aus 18 Metern.
Es bleibt das einzige Tor und der kicker lobt den Schützen: „Federführend beim Hamburger Aufbauspiel war lange Zeit Magath. Eine Stunde lang zauberte und trickste er, rannte und kämpfte, spielte dabei kunstvoller als Platini es nur im Entferntesten anzudeuten verstand.“
Sein Trainer Ernst Happel schwärmt: „Am Beispiel von Felix kann ich am besten erklären, was Fußball für mich bedeutet. Da kannst Du zwischen Millionen von Möglichkeiten wählen, keine ist wie die andere. Es liegt ganz allein beim Spieler. Leider haben die meisten nur zwei, drei Ideen im Kopf. Er bleibt ruhig, er schneidet den Ball an, weil er den Dino Zoff ausrechnet. Das alles passiert in einer hundertstel Sekunde.“
Magath wird an diesem Tag zum Idol einer ganzen Generation von HSV-Fans. Dieses Tor knüpft ein Band zwischen ihm und dem HSV, das nach fast 40 Jahren noch nicht zerrissen ist. Er sagt darüber: „Für einen Europapokalsieg gibt es keinen Ersatz.“
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Mit 33 Jahren ist Schluss
Happel erkennt den Stellenwert seines intelligentesten Spielers und macht ihn nach Horst Hrubeschs Abgang im Sommer 1983 zum Kapitän. Als solcher geht er auch in den letzten drei Jahren seiner aktiven Karriere voran, ab 1984 auch wieder in der Nationalelf.
Der neue Teamchef Franz Beckenbauer kann ihn zur Rückkehr bewegen und als sie 1986 in Mexiko bis zum Ende dabei sind, darf er endlich auch in einem Finale auflaufen. Es ist sein 43. Länderspiel.
Seine Auswechslung nimmt er dem Kaiser dann aber doch übel. Immerhin ist sein letztes Pflichtspiel ein WM-Finale, wie viele können das von sich behaupten?
Mit 33 Jahren hängt Magath die Schuhe an den Nagel, nur fünf Spieler haben mehr Bundesligaeinsätze als er für den HSV bestritten. Zu Buche stehen 306 von 340 möglichen Einsätzen, davon 301 in der Startformation. 46 Tore.
Er schießt nie einen Elfmeter, sie haben ja den Manni Kaltz, und fliegt auch nie vom Platz. Im Europapokal läuft er für den Klub mit der Raute 48 Mal auf und schießt neun Tore, zwei davon für die Ewigkeit.
Magath: „Habe gemerkt, dass ich das nicht kann“
Nach der Karriere schlägt er zunächst die Manager-Laufbahn beim HSV ein. Dazu kommt es, weil er noch als Spieler 1986 in einem Interview sagt, dass er in dem Geschäft bleiben wolle.
HSV-Manager Günter Netzer bietet ihm daraufhin an, 1986 sein Nachfolger zu werden. So kommt es.
Bei Vertragsabschluss erhält er eine Million DM im Voraus. Für den HSV ein Zuschussgeschäft, denn schon im Mai 1988 wird Magath er entlassen, gar nicht zu seinem Leidwesen. Schon nach einem halben Jahr hat er festgestellt, dass der Job ihm zu langweilig sei.
Er streicht noch eine Abfindung über weitere 660.000 DM ein und ist laut eine allerdings etwas älteren HSV Chronik „Abfindungs-Spitzenreiter“ des Klubs.
Im Rückblick sagt er auf das Intermezzo, das immerhin in dem bis dato letzten Titelgewinn des HSV (Pokalsieg 1987) gipfelt: „Ich wollte nie Manager werden. Schon beim HSV habe ich gemerkt, dass ich das nicht kann.“ (2004)
Vorbilder Zebec und Happel
Trainer will er dagegen „schon zu meiner Spieler-Zeit werden“. Er orientiert sich stark an seinen Lehrmeistern Branko Zebec und Ernst Happel, die viel verlangen und wenig sprechen.
Zitat: „Der Vorteil von Trainern wie Branko Zebec und Ernst Happel war ihre kuriose Sprache. Die Spieler mussten sich stark konzentrieren, um zu verstehen, was sie meinten. Deshalb kam ihre Botschaft so gut rüber.“
Seinen ersten Trainer-Job im Profifußball bekommt er natürlich auch bei seinem HSV, wo er zunächst als Co-Trainer amtiert. Die Beförderung verdankt er dem Rauswurf von Benno Möhlmann, der ihm freilich übelnimmt, dass Felix den vakanten Posten ergreift.
Von seinem Assistenten hat er Loyalität erwartet. Er übernimmt den HSV im Oktober 1995 auf dem 17. Platz (Debüt ein 2:2 gegen 1860 München) und führt ihn sensationell noch in den UEFA-Cup.
Das 4:1 am letzten Spieltag in Frankfurt gilt als kleines HSV-Wunder, als man noch vom siebten auf den fünften Platz springt. Mann des Tages ist ein gewisser Hasan Salihamidzic, dessen Fähigkeit sich durchzubeißen Magath erkennt und imponiert.
Magath schafft sich Schleifer-Image
In Hamburg aber schafft er sich 1996 sein Schleifer-Image. Dabei meint er angeblich nur gut: „Junge Spieler sind heutzutage nicht bereit, sich richtig hochzuarbeiten. Ich will sie wieder dahin bringen.“
Und: „Wer im Leben etwas erreichen will, braucht Druck:“ Was im Erfolgsjahr richtig ist, wird ihm in der Saison darauf zum Verhängnis. Nach einem 0:4 zuhause gegen Köln ist er fällig. „Die Chemie zwischen Trainer und Mannschaft stimmt nicht. Wir mussten Konsequenzen ziehen“, sagt Präsident Uwe Seeler.
Spieler Jens Dowe droht Felix Prügel an, Markus Schupp wagt verbal den Aufstand. Gegen Köln sieht es danach aus, als spiele die Elf gegen ihn.
„Mein Stuhl mag wackeln, ein Felix Magath wackelt nie“, sagt er zwar trotzig und weiß die Fans auf seiner Seite. Die singen an jenem 17. Mai 1997: „Wir wollen Magath und ihr nicht.“
„Irgendwann ist der Akku leer“
Der Spieler Markus Schopp (nicht Schupp) sagt: „Er war beinhart, hat uns auf diese Weise auch in den UEFA-Cup geführt, aber auf Dauer ist das nicht durchzuhalten. Irgendwann ist der Akku leer.“
So endet seine Zeit beim HSV vor fast auf den Tag genau einem Vierteljahrhundert, diesmal streicht er 520.000 DM Abfindung ein.
Seitdem gab es manches Wiedersehen, allein 26-mal als gegnerischer Trainer in der Bundesliga (8 Siege, 10 Remis, 8 Niederlagen), die eine oder andere Avance, aber keine Rückkehr mehr.
Die Variante, die sich der Fußballgott jetzt ausgedacht hat, hat Magath nach eigenen Worten zwar mit Amtsantritt in Berlin erwartet, aber gewiss niemals erträumt. Was für eine seltsame Fügung!