Was sich in der laufenden Saison der 3. Liga abspielt, ist durchaus bemerkenswert.
Das Märchen von Preußen Münster
Sahen Dynamo Dresden und Jahn Regensburg Anfang des Jahres noch wie die sicheren Aufsteiger auf, hat sich die Situation mittlerweile komplett gedreht. Mit dem SSV Ulm prangt nun ein Aufsteiger an der Spitze - und hinter den abgerutschten Teams aus Dresden und Regensburg hat mit Preußen Münster auf einmal auch ein zweiter Aufsteiger die Chance auf den Durchmarsch von der Regionalliga in die 2. Liga.
Hauptverantwortlicher für die im Winter noch abgeschlagenen Preußen ist mit Sascha Hildmann ein Trainer, der im Münsterland fast schon Wurzeln geschlagen hat.
Anfang Januar 2020 heuerte Hildmann beim damaligen Drittligisten Preußen Münster an. Den Abstieg in die Regionalliga konnte er nicht verhindern, es sollte dennoch der Beginn einer wunderbaren Beziehung werden.
Im Sommer 2022 scheiterte der Traditionsverein noch am Aufstieg in die Dritte Liga, doch im vergangenen Sommer gelang Hildmann mit Preußen die Rückkehr in die Drittklassigkeit. Und mittlerweile darf man in Münster sogar vom Durchmarsch in die Zweite Liga träumen. Nach zuletzt sechs Siegen in Folge belegen die Münsteraner inzwischen Platz vier mit nur zwei Punkten Rückstand auf Rang zwei.
Hildmann: „Eine wirklich schöne Sache“
„Das ist eine tolle Bestätigung für die harte Arbeit. Eine wirklich schöne Sache. Besonders, weil ich immer an mich geglaubt habe“, sagt Hildmann im Gespräch mit SPORT1. „In den vergangenen Jahren ist in Münster etwas Großartiges zusammengewachsen, im Trainerteam herrscht viel Vertrauen. Das ist der Grund für unseren Erfolg und deshalb macht die Arbeit umso mehr Spaß.“
Erstaunlich: Nur Christian Streich (SC Freiburg), Frank Schmidt (1. FC Heidenheim) und Horst Steffen (SV Elversberg) sind in den ersten drei Ligen Deutschlands noch länger im Amt als Hildmann. „Es ist eine Ehre, hier zu den Top 4-Trainern im deutschen Profifußball zu gehören“, meint der 51-Jährige zufrieden.
Zuletzt verlängerte er seinen Vertrag in Münster bereits zum dritten Mal. Das neue Arbeitspapier ist bis 2026 datiert.
Hätte er damals gedacht, dass sich zwischen ihm und dem Verein eine solche Liebesbeziehung entwickeln würde? „Man weiß es nie im Voraus, aber ich habe es mir gewünscht und relativ schnell gemerkt, dass es passt“, sagt Hildmann. Er identifiziere sich „zu 100 Prozent mit dem Verein und den Menschen in Münster“.
Hildmann wird von den Fans geliebt
Münster und Hildmann - das passte von Beginn an. „Ich bleibe authentisch und die Leute akzeptieren mich vollkommen. Ich sage auch mal etwas, was der eine oder andere nicht sagen würde“, erzählt der Coach: „Meine ehrliche und schlagfertige Art kommt gut an. Die Beziehung zu den Fans ist großartig.“
Dabei sah die sportliche Situation im Dezember noch alles andere als rosig aus. Mit 25 Punkten hatte Preußen zwar auf die Abstiegsplätze ein Acht-Punkte-Polster, doch als Tabellenzwölfter ging der Blick eher nach unten als nach oben.
Hildmann gelang es mit seinem Trainerteam in der Pause dann aber, den Schalter umzulegen. „Im Winter haben wir eine wichtige Systemumstellung auf ein 4-4-2 vorgenommen und das hat zu einer Siegesserie geführt. Wir können unsere Mannschaft lesen und entwickeln sie weiter. Die gute Hierarchie im Team ist auch wichtig“, betont der Coach.
Aufstieg ein Thema
Sagenhafte 27 von 33 Punkten holten die Westfalen schon im neuen Jahr, was einen Sprung auf Tabellenplatz 4 bedingte.
Zu den beiden absoluten Stützen im Team zählen Torwart Maximilian Schulze Niehues und Stürmer Joel Grodowski (15 Tore, 19 Scorerpunkte). Während manch einer seiner Kollegen in solch einem Moment herumdruckst, redet Hildmann nicht um den heißen Brei herum.
„Der Aufstieg ist natürlich ein Thema, weil wir überall darauf angesprochen werden“, sagt er. Es herrsche „eine große Euphorie in der Stadt. Aber ich mache den Aufstieg selbst nicht zum Thema.“ Und lachend fügt er hinzu: „Wenn aber unser Platzwart zu mir kommt und sagt ‚Hey Sascha, hoffentlich steigen wir auf‘, dann schicke ich ihn nicht heim. Ich sage dann immer ‚Bleib mal ruhig, Norbert.‘ Aber es ist doch schön, wenn es so ist, wie gerade.“
Die Frage, ob der Aufstieg zu früh käme, will Hildmann nicht hören. „Der Aufstieg kann nie zu früh kommen. Das ist wie beim Karten spielen, wenn du kannst, musst du.“ Wieder muss er laut lachen.
Hildmann: „Gemeinschaftsgefühl macht uns stark“
Hildmann spricht gerne über den aktuellen Erfolg. „Die Jungs sind so frei im Kopf, spielen mit viel Freude und einer breiten Brust. Sie pushen sich gegenseitig und haben auch gar keinen Druck.“ Dieses Selbstvertrauen würde man auf dem Platz sehen. „Das Gemeinschaftsgefühl macht uns gerade so stark. Es ist meine schönste Phase als Trainer. Das Highlight war der Aufstieg als Meister im vergangenen Sommer.“
Die Krönung wäre jetzt der Durchmarsch in die Zweite Liga. „Ein Aufstieg wäre der größte Erfolg seit über 30 Jahren. Das würde also sehr sehr viel bedeuten“, weiß Hildmann. „Für Münster wäre das der Wahnsinn. Die Leute sind schon jetzt on fire. Da wird von nichts anderem mehr geredet als von Preußen. Die Euphorie kann und will ich gar nicht bremsen.“
Wichtig sei, „dass wir bei uns bleiben. Die Jungs haben einfach Bock auf Fußball.“
Wochen der Wahrheit
Die nächsten vier Spiele werden zeigen, wohin die Reise geht für Hildmanns Team. Am Samstag spielt man im Westfalen-Pokal bei Arminia Bielefeld. Nach der Länderspielpause kommen Dynamo Dresden und Jahn Regensburg ins Preußenstadion, danach steht das Auswärtsspiel beim SSV Ulm an. „Wir müssen uns einfach freuen auf das, was da kommt. Ich bremse gar nichts aus“, sagt Hildmann.
Es sind drei Duelle in der Liga gegen Teams, die aktuell vor Preußen stehen. Man spürt im Interview, wie stolz Hildmann ist, für den Verein arbeiten zu dürfen. Preußen Münster sei schließlich kein „Quetsche-Membach-Klub“ (ein Lieblingsbegriff von Hildmann, der sich auf einen Dorfverein bezieht, Anm., d. R.), sondern ein großer Verein mit viel Tradition und einer starken Fan-Base, auch wenn der Trainer anmerkt: „Leider haben wir ein zu kleines Stadion.“
Wann hat Hildmann eigentlich gespürt, dass mehr möglich ist? „Nach dem Spiel in Aue (3:2 für Münster, Anm. d. Red.). Da gab es den Moment, als ich dachte „Sch***, wir gewinnen sogar in Aue. Vor diesem Spiel hatte ich großen Respekt. Unser Selbstverständnis ist bemerkenswert.“
Und wer weiß, vielleicht bringt die Preußen dieses Selbstverständnis im Sommer erneut auf den Balkon des Rathauses in Münster.