Auf dem DFB-Bundestag Ende September hat der Nationalelf-Direktor Oliver Bierhoff eine wegweisende Rede zur Zukunft des deutschen Fußballs gehalten. Sein Vortrag, durchsetzt mit frischen, weil aufrüttelnden Ideen, ging bei den Feierlichkeiten um den neuen DFB-Präsidenten Fritz Keller komplett unter. Nun wagte Bierhoff einen weiteren Versuch im kicker.
3. Liga: Mittelmaß gegen Bierhoff
Diesmal sein Thema: eine Reform der 3. Liga. Er schlägt im Interview eine Zweigleisigkeit vor, damit in der höchsten Liga unterhalb der 36 DFL-Profiklubs möglichst viele Talente auf einem vergleichsweise anspruchsvollen Niveau Spielpraxis sammeln können und nicht in der Regionalliga ihre Warteschleifen drehen.
"Ein Beispiel: die 3. Liga. Würde es helfen, sie in Zukunft wieder zweigleisig laufen zu lassen, oder sogar dreigleisig?", fragte Bierhoff. "Das könnte eine Möglichkeit sein, jüngeren Spielern mehr Spielmöglichkeiten zu geben. Aktuell fehlt die Auswahl an jungen deutschen Spielern, wie es zum Beispiel vor zehn Jahren der Fall war." Ausdrücklich verwendete er Konjunktive.
Reihenweise Protest - keine Konstruktivität
Das zu erwartende Echo ließ nicht lange auf sich warten. Statt auf einzelne Argumente einzugehen und Bierhoff sogar zur Vertiefung seiner Gedanken einzuladen, folgte der übliche Beschuss aus der dritten Reihe. Robert Marien zum Beispiel, Vorstandschef von Hansa Rostock, wurde gleich persönlich und unterstellte Bierhoff, keine Ahnung von der 3. Liga zu haben.
So läuft das im deutschen Fußball ständig. Wann immer ein Plan auf dem Tisch landet, der einen Weg aus der Komfortzone aufzeigt, versammelt sich die Allianz des Mittelmaßes zum Protest. Der Reviersport in Essen listete die Ablehnung aus dem Verbreitungsgebiet gleich reihenweise auf. Es reicht ein Anruf bei den üblichen Verdächtigen. Feedback: Bierhoff soll nicht stören!
Ausgerechnet Vereine wie der MSV Duisburg, der seit vielen Jahren nichts Gescheites auf die Reihe bekommt, ergötzen sich an der eigenen Besserwisserei und sehen, so wörtlich, "wenig Gründe, an der gegenwärtigen Situation etwas zu ändern". Vielleicht gibt es ja tatsächlich gute Gründe für den Status Quo. Aber warum nicht Visionen zumindest diskutieren?
Problem der Aufstiegsregelung könnte gelöst werden
Mancher Drittligist verkürzt seine Argumentation auf den Hinweis, dass Bierhoff nicht in der 3. Liga präsent ist. Das muss er auch nicht sein, um zu erkennen, dass die Taille mit 20 Klubs vergleichsweise dünn ist, wenn oben drüber 36 Profiklubs spielen und eins drunter 91 Vereine. Da erscheint eine Aufstockung um 16 auf 36 Klubs in zwei Staffeln durchaus sinnvoll.
Plötzlich könnte das Problem mit dem Auf- und Abstieg gelöst werden. Die zwei Meister steigen auf, die Zweitplatzierten spielen mit dem Drittletzten der 2. Liga den DFL-Platz aus. Von unten kommen alle fünf Regionalliga-Meister hoch, die zwei Drittletzten der 3. Liga bestreiten die Relegation. Auch das: nur ein Vorschlag. Aber wer redet mal vernünftig darüber?
ZUR PERSON
Pit Gottschalk, 50, ist Journalist und Buchautor. Ehemals Chefredakteur von Sport Bild in Hamburg und bei Funke Sport in Essen. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit’ch erhalten Sie hier: http://newsletter.pitgottschalk.de
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