Vor einem Jahr verstarb Franz Beckenbauer im Alter von 78 Jahren - und die Fußballwelt verfiel in tiefe Trauer. Zum ersten Todestag kritisiert Torwart-Legende Sepp Maier im SPORT1-Interview neuerlich den Umgang mit dem „Kaiser“ im Zuge der „Sommermärchen-Affäre“ 2006.
„Deutschland sollte sich schämen“
Konkret geht es um 6,7 Millionen Euro, die 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee über die FIFA mutmaßlich an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überwiesen wurden. Exakt diese Summe war drei Jahre zuvor offenkundig in Form von Vorleistungen von OK-Chef Beckenbauer und Louis-Dreyfus an den früheren FIFA-Funktionär Mohamed bin Hammam nach Katar geflossen. Die Ermittlungen rund um diese Zahlung ziehen sich bis in die heutige Zeit.
Maier verrät zugleich, was er seinem früheren Wegbegleiter gerne noch gesagt hätte.
SPORT1: Herr Maier, ein Jahr ist vergangen, seit Franz Beckenbauer uns verlassen hat. Was geht Ihnen in diesen Tagen besonders durch den Kopf?
Sepp Maier: Ein Jahr ist es nun her, dass Franz nicht mehr bei uns ist, und ich denke oft an ihn. Franz fehlt mir. Er war die Lichtgestalt, der Kaiser, ein Freund und ein so guter Mensch. Wie gerne erinnere ich mich an die Späße, die wir zusammen gemacht haben. Die gemeinsame Zeit bei unserem FC Bayern und in der Nationalmannschaft bleiben für mich unerreicht.
„Es war keine leichte Zeit für Franz“
SPORT1: Sie haben viele prägende Momente mit Beckenbauer erlebt. Gibt es einen Augenblick, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Maier: Ich denke oft an den Moment zurück, als Franz „Schwani“ (Beckenbauers Manager Robert Schwan; Anm. d. Red.) beauftragt hat, ihn schnellstmöglich nach Amerika zu bringen, weil es für ihn beim FC Bayern und auch in Deutschland immer schwieriger wurde. Es war keine leichte Zeit für Franz. Das habe ich gespürt. Dann kam der Wechsel zu New York Cosmos und er hat erneut seine Klasse gezeigt. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten konnte er dann neu aufblühen – dort kannte ihn ja fast keiner und das hat Franz gutgetan.
SPORT1: Wie blicken Sie auf den Umgang Deutschlands mit Beckenbauer in den vergangenen Jahren seines Lebens zurück?
Maier: Wie man in Deutschland im Zuge der Sommermärchen-Affäre mit ihm umgegangen ist, war nicht in Ordnung. Franz wurde allein gelassen. Die Kritik rund um die Geldflüsse habe ich nie verstanden. Franz hat nichts Unrechtes getan. Das hätte ich ihm gerne noch gesagt. Und er hätte mich verschmitzt lächelnd angeschaut, wie er es so oft getan hat.
Maier stimmt Sammer zu
SPORT1: Es gab in den Jahren vor seinem Tod Vorwürfe, Beckenbauer sei im Kampf gegen das FIFA-System allein gelassen worden. Stimmen Sie Matthias Sammer zu, der bei t-online den Umgang mit dem Kaiser in den Jahren vor seinem Tod erneut kritisch sieht?
Maier: Absolut! Ich muss Sammer recht geben, wenn er sagt, dass wir Franz vorgeschickt haben. Er musste allein gegen dieses dubiose FIFA-System kämpfen. Es muss für Franz unfassbar schwer gewesen sein. Doch ihn dann in den Jahren vor seinem Tod so zu diffamieren, war nicht gut. Das tut hoffentlich vielen Menschen leid. Franz wurde sinnlos attackiert. Da sollte sich jeder, der damit zu tun hatte, hinterfragen. Und Deutschland sollte sich dafür schämen.
SPORT1: Beckenbauer war eine zentrale Figur im deutschen Fußball. Was bleibt aus Ihrer Sicht?
Maier: Er hat Deutschland die WM 2006 geschenkt und dafür müssen wir Franz sehr dankbar sein. Wahrscheinlich liegt es im Denken vieler, immer nur nach dem Negativen zu graben. Das ist sehr traurig.
SPORT1: Was wünschen Sie sich im Gedenken an Franz Beckenbauer?
Maier: Ich werde Franz nie vergessen und komme immer wieder gerne zu seinem Grab. Franz war das Beste, was dem deutschen Fußball passieren konnte. Das können sich seine Kritiker hinter die Ohren schreiben und dann verschwinden. Franz hat so viel geleistet - und das wird für immer bleiben.