Nein, Jürgen Klopp sprang nicht vom Dach in den „Hangar-7“. Er kam auch nicht per Helikopter oder fuhr am Steuer eines Formel-1-Autos in die futuristische Halle am Salzburger Flughafen. Und obwohl er für den Red-Bull-Konzern eine Art Messias ist, schwebte er auch nicht.
Messias Klopp schwebte nicht
Um 14.01 Uhr am Dienstagnachmittag ging er einfach ganz normal auf seinen zwei Beinen durch 16 blau beleuchtete Leuchtstoffröhren und nahm auf dem Podium Platz.
Und auch wenn die Show deutlich kleiner ausfiel, als man es dem Getränkehersteller zugetraut hätte, waren einige der 180 anwesenden Journalistinnen und Journalisten aus 17 Ländern von Klopp so verzückt, dass sie spontan applaudierten. Ein auf einer Pressekonferenz so ungewöhnlicher Vorgang, dass es sogar dem 57-Jährigen selbst auffiel.
„Ich habe mich gewundert, dass geklatscht wurde, als ich reingekommen bin“, sagte Klopp.
Dünner schwarzer Pulli, schwarze Hose, schwarze Socken, weiße Sneaker – Klopp setzte beim Outfit auf einen lässigen Look. Understatement pur, das aber bei genauerem Hinsehen natürlich auch Ausdruck einer gewissen Eitelkeit ist.
„Red Bull hatte vielleicht noch niemanden, der so bekannt ist“, erklärte er, fügte aber schnell an: „Ich bin nur normaler Angestellter.“
Keine Krönung in Salzburg
Einige Spötter hatten vorab eine Art Krönung oder Heiligsprechung des Fußballlehrers erwartet, doch nicht einmal ein spektakulärer Imagefilm wurde geboten. Was nicht bedeutet, dass das Event irgendwie langweilig dahindümpelte. Zwar hatte die Veranstaltung auch ihre Längen, doch der österreichische Brausekonzern hat Klopp geholt und bekam Klopp pur.
Charmant, witzig, manchmal bissig – Red Bulls neuer „Head of Global Football“ (beziehungsweise „Head of Global Soccer“) lieferte routiniert das ab, was man von ihm erwarten durfte. Und der Heilsbringer sagte genau die Dinge, die man in Salzburg gerne hört.
„Dieser neue Job ist genau das, was ich gerne machen wollte. Ich habe in Liverpool gesagt, dass ich nicht mehr der richtige Mann bin. Aber ich habe nie gesagt, dass ich nicht mehr arbeiten will. Ich kann viel helfen“, erklärte Klopp und man konnte bei jedem der Glaubenssätze sehen, wie sich Red-Bull-Boss Oliver Mintzlaff über seinen gelungenen Coup freute.
Klopp erinnert an Mateschitz
Artig bedankte sich Klopp für das Vertrauen, lobte den Konzern für sein Engagement und die Erfindung ganzer Sportarten. Firmengründer Dietrich Mateschitz habe immer „Wiedererkennungswert“ für den Konzern gefordert – den wolle auch er bieten, so der 57-Jährige.
Klopps Problem: Den Erfolg seiner anstehenden Arbeit objektiv zu messen, ist schwierig. Zu unterschiedlich ist die jeweilige Ausgangslage der Red-Bull-Klubs weltweit. In Brasilien, Frankreich, Japan, Deutschland oder Österreich gelten verschiedene Dinge als Errungenschaft.
„Ich habe meine Vorstellungen, aber wenn man die der Öffentlichkeit mitteilt, wird man jeden Tag danach gefragt. Das behindert einen“, erklärte Klopp deswegen. Eine Aussage, die einige Fans ratlos zurücklassen dürfte.
Denn die Frage, was der ehemalige Erfolgstrainer eigentlich genau machen wird, wurde nicht exakt beantwortet. Ratgeber wolle er sein und eine Struktur schaffen. Zudem sei er immer noch ein Verfechter von Gegen-Pressing und Dominanz auf dem Platz.
Konkreter wurde es nicht. Zumindest wurde deutlich, dass Ex-Nationalspieler Mario Gómez in seiner Rolle als Technischer Direktor eng an Klopps Seite stehen wird. „Wo Marios Laptop ist, ist mein Büro“, erklärte der neue Boss.
Klopp weiß, was von ihm erwartet wird. Red Bull will den internationalen Fußball aufmischen – noch mehr als ohnehin schon. Titel sollen her und der 57-Jährige soll dabei die sympathische Gallionsfigur sein.
Passend dazu trank er während des Events die kalorienfreie Variante des Energy-Drinks und sprach davon, den Menschen um ihn herum „Flügel verleihen“ zu wollen. Ob geplant oder nicht – diese Aussage in Anlehnung an den Werbespruch des Konzerns dürfte Mintzlaff sehr gefallen haben.
Klopp ging die Puste aus
Klopp wolle – so hieß es im Vorfeld – alle Fragen beantworten. Doch auch obwohl ihm vom Moderator eine zweite Dose Brause als Energiezufuhr gereicht wurde, ging selbst dem Hoffnungsträger nach rund 80 Minuten ein wenig die Puste aus.
„Ist das die längste Pressekonferenz der österreichischen Geschichte?“, fragte er, nachdem ihn einige Reporterinnen und Reporter auf eine wahre Weltreise mitgenommen hatten. Klopp sollte sich unter anderem zum ägyptischen, zum slowenischen, dem französischen, zum polnischen und zum Leipziger Fußball sinnstiftend äußern.
Ein Mammutprogramm, bei dem man merkte, dass dem 57-Jährigen irgendwann verständlicherweise die Lust verging. Zwei Dosen reichen für diese Tour nicht aus. Einige Male ging Klopp dann nur noch oberflächlich auf die angesprochenen Themen ein. Details sollen ohnehin nicht seine Sache sein, bei Red Bull geht es für ihn um das große Ganze.
Klopp lobt Nagelsmann
Für Fußball-Deutschland hatte Klopp aber durchaus ein paar Botschaften parat. Dass es eine mündliche Vereinbarung gebe, dass er unter Umständen Nachfolger von Julian Nagelsmann als Bundestrainer werden könne, verneinte er deutlich: „Die gibt es nicht, weil wir nicht darüber gesprochen haben“.
Ohnehin leiste der Amtsinhaber beim DFB hervorragende Arbeit, habe einen riesigen Einfluss auf den Erfolg der Nationalmannschaft und sei der „bestmögliche Bundestrainer“.
Zudem schloss der „Head of Global Football“ aus, jemals Trainer eines RB-Klubs zu werden – also auch nicht in Leipzig. Vielmehr wolle er dabei mithelfen, dass kein Coach im Konzern-Kosmos mehr entlassen werden müsse.
Klopps Botschaft an seine Kritiker
Und schließlich wies Klopp seine Kritiker in die Schranken. All jene, die sein Engagement bei Red Bull als Verrat am Traditionsfußball sehen, ließ er wissen, dass er in Leipzig gespürt habe, wie sehr die Menschen dort guten Fußball lieben.
„Wer entscheidet, wer was verdient hat?“, fragte er rhetorisch in die Menge und es war zu spüren, dass die Diskussion um seinen neuen Job eigentlich nur in Deutschland geführt wird.
Für die Reporter aus den anderen Ländern spielte das Thema gar keine Rolle und Klopp erklärte auch gleich, warum das so ist: „Man kann nach neun Jahren in England nicht mehr derselbe Mensch sein. Dort haben wir Investoren, aber nicht jeder spricht darüber“.
„Ich bin Doktor Fußball“
Sätze und Szenen, die vor allem in Mainz oder Dortmund wehtun dürften. Romantik sprach da jedenfalls nicht aus Klopp.
„Ich habe das Gefühl, dass sie in Leipzig, Salzburg und New York Erfolg verdient haben. Ärzte und Anwälte helfen, egal wo sie sind, und fragen nicht, woher jemand kommt. So ist es bei mir auch. Ich bin Doktor Fußball! Ich werde versuchen, überall zu helfen. Nicht nur in Leipzig, sondern bei allen anderen Vereinen“, erklärte Klopp, der offenbar nicht mehr „The Normal One“ sein will.
Um 15:27 Uhr war die Klopp-Show schließlich zu Ende. Red Bull konnte zufrieden sein – auch wenn der neue Mann nicht vom Hallendach sprang.