Als Karneval-Auftakt ist der 11. November in Köln traditionell ein Feiertag, doch an diesem Montag gab es für einige Fußballfans in der Stadt auch Anlass zur Trauer.
Tod eines deutsch-türkischen Pioniers
Im Alter von 90 Jahren verstarb ein Fußball-Pionier mit einer besonderen Verbindung zur Domstadt: Coskun Tas, der erste türkische Vertragsfußballer in Deutschland.
Tas und Rahn bilden Flügelzange beim FC
Die Geschichte des Offensivspielers in seiner neuen Heimat begann am 4. Juni 1959, als er verloren am Kölner Hauptbahnhof stand und in einem öffentlichen Telefon die Nummer des 1. FC Köln im Telefonbuch suchte.
Auf der Website des 1. FC Köln beschrieb der damalige Neuzugang die skurrile Situation so: „'Hier Türke Tas‘, sagte ich und Kremer (Franz Kremer, damaliger FC-Präsident, Anm. d. Red.) wusste zuerst nicht, wer da anrief. „Wer sind sie?“, fragte er ungläubig. „Hier Coskun“, erwiderte ich. Schließlich war es Kremers Ehefrau Liselotte, die mich unweit des Bahnhofs abholte.“
Die Bemühungen der Kremers um eine schnelle Integration trugen Früchte. Auf der Linksaußenposition mauserte sich der frühere Besiktas-Spieler schnell zum Leistungsträger, er bildete mit Helmut Rahn ein gefährliches Flügelduo. Jenem Rahn, der bei der WM 1954 noch sein Gegenspieler war, als der spätere Turniersieger Deutschland die Türkei im letzten Vorrundenspiel mit 7:2 besiegte.
Mit sieben Pflichtspieltoren trug Tas maßgeblich dazu bei, dass die Kölner erstmals in ihrer Vereinsgeschichte das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft erreichten. Was dann folgte, zeigte jedoch, dass es mit der Willkommenskultur der damals noch jungen Bundesrepublik nicht weit her war.
Beim Finale gegen den Hamburger SV, das am 25. Juni 1960 im Frankfurter Waldstadion stattfand, wurde Tas nicht berücksichtigt. Offenbar hatte ein Gremium um Franz Kremer, Trainer Oswald Pfau und Obmann Heinz Neubauer beschlossen, das Endspiel ausschließlich mit deutschen Spielern zu bestreiten.
Ausgebootet, weil er kein Deutscher war
„Das war eine unermesslich große Enttäuschung“, sagte Tas. Der Verein hätte sogar lieber „einen Spieler eingesetzt, der zehn Tage vorher am Blinddarm operiert worden war“. Dabei handelte es sich um Georg Stollenwerk, der später selbst einräumte, dass es ein Fehler war, Tas nicht zu berücksichtigen.
Tas erklärte sich seine Ausbootung mit dem Finale 1959, das ein Jahr davor stattfand. Damals schoss der Ungar Istvan Sztáni beim 4:3-Sieg nach Verlängerung im Derby gegen die Offenbacher Kickers zwei Tore für Eintracht Frankfurt. Hinterher vernahm Tas chauvinistisches Geläster - Tenor: Wenn ein Ausländer zwei Tore schieße, könne keine Rede von einem wahren „Deutschen Meister“ sein.
Ob der FC das Endspiel, das er ohne Tas mit 2:3 verlor, mit dem türkischen Nationalspieler gewonnen hätte, lässt sich selbstredend nicht beweisen - die Chancen wären allerdings unstrittig höher gewesen.
Tas als Wegbereiter für Gündogan und Co.
Für Tas war das Kapitel bei den Geißböcken nach der Ausbootung im folgenden Jahr beendet („Dieses Gefühl, da habe ich gesagt: Schluss“), doch er blieb Köln dennoch gewogen. Zwei Jahre lang schnürte er noch die Fußballschuhe für den Bonner FV, danach beendete er seine Fußballkarriere - und startete auf anderer Ebene durch.
Tas arbeitete als Systemanalytiker für die Kölner Ford-Werke in verantwortungsvoller Position, musste aber auch dort gegen Vorurteile kämpfen. „Als ich dort anfing, wurde ich als Fußballspieler akzeptiert, aber nicht als Türke“, sagte Tas wenige Monate vor seinem Tod der FAZ. Es war die Zeit, in der weite Teile der deutschen Gesellschaft die „Gastarbeiter“ noch als Fremde begriffen, nicht als echten Teil der Gesellschaft.
Mit den Jahren besserte sich die gesellschaftliche Stellung, auch für Tas. Er saß auch beinahe zwanzig Jahre lang in der Spruchkammer des Schiedsgerichts des Fußballkreises Köln und trieb die Digitalisierung in der Fußball-Bürokratie voran.
Während die Erinnerung an den Pionier Tas verblasste, blieb der Fußball ein Spiegelbild der türkischen Einwanderungsgeschichte in Deutschland - mit all ihren Problemen, mit all ihren Errungenschaften.
Im vergangenen Sommer sah Coskun Tas, wie Ilkay Gündogan die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän bei der Heim-EM anführte. Es war eine der letzten Freuden für den Mann, der Gündogans Generation diesen Weg ebnete.