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"Wir haben ihn nicht von der Depression befreit"

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"Wir haben ihn nicht von der Depression befreit"

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„Nur glücklich, wenn ich trank“

Adriano war Anfang der 2000er Jahre einer der besten Stürmer Europas. Mit Inter Mailand gewann er große Titel. Groß war im Anschluss allerdings auch sein Absturz. Bemerkenswert offen berichtet der Brasilianer über sein neues Leben abseits des Ruhms: in den Favelas von Rio de Janeiro.
Ex-Fußballer und Brasilien-Legende Adriano Ribeiro machte an seinem 40. Geburtstag seine Beziehung offiziell. Seine neue Freundin ist schlappe 19 Jahre jünger und kommt auch aus Rio de Janeiro.
Adriano war Anfang der 2000er Jahre einer der besten Stürmer Europas. Mit Inter Mailand gewann er große Titel. Groß war im Anschluss allerdings auch sein Absturz. Bemerkenswert offen berichtet der Brasilianer über sein neues Leben abseits des Ruhms: in den Favelas von Rio de Janeiro.

Er war Welttorjäger, italienischer Pokalsieger und Stammspieler in der brasilianischen Selecao. Und er verdiente bei seinem langjährigen Verein Inter Mailand viel Geld. Sehr viel Geld. Angeblich um die 100.000 Euro. Pro Woche versteht sich. Die Rede ist von Adriano Leite Ribeiro, in Europa besser bekannt als Adriano.

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Bereits vor mehreren Jahren äußerte sich der einstige Ausnahmestürmer über seinen Absturz nach der Karriere und seine Probleme mit dem Alkohol. Nun ließ der Brasilianer sein Leben ganz transparent in einem Brief an „seine Favela“ bei The Players‘ Tribune Revue passieren.

Tod seines Vaters veränderte alles

Der 42-Jährige berichtet erneut, dass der Tod seines Vaters im Jahr 2004 der Auslöser für seinen Weg in den Abgrund war. „Ich war kaputt. Ich habe mir eine Flasche Wodka geschnappt. Ich übertreibe nicht. Ich trank den ganzen Scheiß allein. Ich weinte die ganze Nacht. Ich bin auf der Couch ohnmächtig geworden, weil ich so viel getrunken und geweint habe.“

Der Tod seines Vaters, der an den Spätfolgen eines Kopfschusses verstarb, habe sein Leben für immer verändert. „Es ist ein Problem, das ich bis heute nicht lösen kann.“ Der einstige Stürmer-Star ergänzte: „Er liebte das Spiel, also liebte ich das Spiel. Als mein Vater starb, war der Fußball nie mehr derselbe.“

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Viele Titel und Tore bei Inter Mailand

Dabei war eine Karriere als Fußballer und dann auch noch in Europa immer Adrianos großer Traum gewesen. „Ich war aus einem bestimmten Grund in Mailand. Es war das, wovon ich mein ganzes Leben lang geträumt hatte. Gott hatte mir ermöglicht, Fußballer in Europa zu werden“, schreibt der Brasilianer.

Und seine Titelsammlung sowie Scorerwerte ließen sich auch sehen: Für Inter schoss der bullige Angreifer in 177 Einsätzen starke 74 Tore und bereitete 28 Treffer direkt vor. In der brasilianischen Nationalmannschaft lesen sich seine Zahlen noch beeindruckender. Dort gelangen ihm in gerade einmal 48 Spielen ganze 27 Tore. Warum dann also der Absturz?

„Ich war nur glücklich, wenn ich trinken konnte“

„Ich war allein in Italien. Isoliert, traurig und deprimiert. Also fing ich mit dem Trinken an. Ich war nur glücklich, wenn ich trinken konnte. Jeden Abend. Und ich trank alles, was mir in die Hände kam: Wein, Whiskey, Wodka, Bier. Verdammt viel Bier. Ich habe einfach nicht aufgehört. Ich war die ganze Zeit nur voll“, erinnert sich der heute 42-Jährige zurück.

Niemand konnte ihm helfen, selbst eine vom damaligen Inter-Trainer Roberto Mancini verordnete Kur in der Heimat mitsamt halbjähriger Leihe zum FC Sao Paulo brachte nicht den erhofften Erfolg. Obwohl er in der Heimat wieder verlässlich knipste, fiel er bei seiner Rückkehr in Mailand wieder in alte Muster zurück. „Wir haben ihn nicht von der Depression befreit und das ist vermutlich die größte Niederlage meiner Karriere“, sagte später einmal Inter-Legende Javier Zanetti. „Es tut mir immer noch weh. Ich fühlte mich machtlos.“

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Dabei hatten jahrelang wenn dann überhaupt Adrianos Gegenspieler auf dem Feld das Gefühl der Machtlosigkeit. Mit Inter Mailand wurde er viermal italienischer Meister. Im Jahr 2004 schoss er Brasilien mit sieben Treffern in sechs Spielen zum Titel in der Copa América und wurde darüber hinaus zum besten Spieler und Torschützenkönig des Turniers. Die Weltkarriere, wie sie kurz zuvor bereits der brasilianische Ronaldo erlebte, war vorgezeichnet. Doch nicht mehr im Sinne von Adriano.

Zurück in den Favelas: „Gibt nichts Besseres auf diesem Planeten“

In seinem Brief an sich selbst erläutert er sehr ausführlich, weshalb er sein Prominenten-Leben aufgab, um wieder in seinem alten Viertel mit seinen früheren Freunden zu sitzen und zu trinken. Der Hauptgrund sei dabei, dass er „in der Favela den Frieden gesucht habe, den ihm kein Platz in Europa geben konnte.“

Seinen Alltag beschreibt Adriano wie folgt: „Hier laufe ich barfuß herum, nur in Shorts. Ich spiele mit Dominosteinen, sitze auf dem Bordstein, erinnere mich an meine Kindheitsgeschichten, höre Musik, tanze mit meinen Freunden, schlafe auf dem Boden und sehe meinen Vater in jeder Gasse.“

Eine Reise in die eigene Vergangenheit, aber nicht mehr nur als kurzer Besuch oder in Gedanken, sondern wieder als fester Alltag. Für viele junge Menschen, die es aus den Favelas rausschaffen wollen, um das einstige Leben von Adriano in Europa zu leben, dürfte sich diese Vorstellung surreal anfühlen. Für den früheren Mittelstürmer ist es ein Traum: „Es gibt nichts Besseres auf diesem Planeten.“

Adriano: „Hier werde ich wirklich respektiert“

In Europa kletterte er irgendwann fußballerisch die Karriereleiter bergab. Leihstationen und ablösefreie Wechsel nach Rom und in die Heimat zu Corinthians blieben allesamt erfolglos. Starkes Übergewicht sowie später Verbindungen zur brasilianischen Mafia, die ihm nachgesagt wurden, machten alle möglichen Comeback-Versuche zunichte.

Ein gewisses Übergewicht hat Adriano auch heutzutage noch, doch im Gegensatz zu früher nicht weil es ihm schlecht geht, zumindest, wenn man den aktuellen Bildern, die seinem Brief beigefügt sind, Glauben schenken darf.

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Auf den Fotos sieht Adriano glücklich aus. Er sitzt mit seinen Freunden auf Plastikstühlen, trinkt Bier und spielt Karten. Es wird viel gelacht und das Gefühl einer Einheit vermittelt. Ein Gefühl von Zuhause, welches er selbst jahrelang vermisst hatte. Adriano ist zurück. Zurück in seiner Heimat, in den Favelas Vila Cruzeiro, das Armenviertel von Rio de Janeiro.

Seinen Brief an die Favela beendet er emotional mit folgenden Worten: „Hier werde ich wirklich respektiert. Hier ist meine Geschichte. Hier habe ich gelernt, was Gemeinschaft ist. Vila Cruzeiro ist nicht der beste Ort der Welt, aber Vila Cruzeiro ist mein Platz.“