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Der Reporter, der als Fußballer in der DDR ein Mythos war

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Der Reporter, der als Fußballer in der DDR ein Mythos war

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Ein vergessener deutscher Mythos

Jürgen Nöldner war eine der ganz großen Persönlichkeiten des DDR-Fußballs. Erst hinterließ er seine Spuren als Spieler, später prägte er den Sportjournalismus im Osten Deutschlands. Heute vor zwei Jahren ist die Legende verstorben.
Jürgen Nöldner in der Saison 2000/01 auf der Tribüne von Energie Cottbus
Jürgen Nöldner in der Saison 2000/01 auf der Tribüne von Energie Cottbus
© IMAGO/Camera 4
Jürgen Nöldner war eine der ganz großen Persönlichkeiten des DDR-Fußballs. Erst hinterließ er seine Spuren als Spieler, später prägte er den Sportjournalismus im Osten Deutschlands. Heute vor zwei Jahren ist die Legende verstorben.

Wie lange genau 95.000 Menschen im Leipziger Zentralstadion warten mussten, bis sie am 31. Oktober 1965 den ersten Torschrei auf den Lippen hatten, lässt sich nicht mehr feststellen.

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Die Sekunden wurden damals nicht gezählt, so wie das heute der Fall ist. Sicher ist nur, dass es schnell ging. Sehr schnell sogar. Noch bevor der Sekundenzeiger eine volle Minute erreicht hatte, hatte der damals 24 Jahre junge Jürgen Nöldner seinen großen Moment.

Eine Flanke erreichte den offensiven Mittelfeldspieler, der auch als Edeltechniker bekannt war. Nöldner fackelte nicht lange und überwand den österreichischen Torhüter Gernot Fraydl mit einem strammen Schuss. „Das war ein Supertor, vor allem, weil ich es mit meinem schwachen rechten Fuß geschossen habe“, kommentierte er später seinen Treffer, der als schnellstes Tor eines DDR-Nationalspielers in die Geschichte einging.

Danach passierte im WM-Qualifikationsspiel gegen Österreich nicht mehr viel, es blieb beim 1:0 in Leipzig. Es sollte sein Tag werden. Doch Nöldner auf diese eine Aktion zu reduzieren, wäre fast eine kleine Sünde, so ereignisreich war das Leben des Berliners, der sich zunächst als begnadeter Torjäger einen Namen machte und später als Journalist selbst für Schlagzeilen sorgte. Heute vor zwei Jahren, am 21.11.2022, starb die Fußball-Legende - die später auch in anderer Funktion mit der Bundesliga verbunden war.

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„Der Fritz Walter des Ostens“

Der Name Nöldner ist in Berlin ohnehin ein Begriff, er ist im Osten Teil des Stadtbildes. Jürgen Nöldners Vater Erwin, ein Kommunist, wurde 1944 von den Nazis ermordet, als der kleine Jürgen gerade drei Jahre alt war. Die Nöldnerstraße und der Nöldnerplatz in Berlin erinnern noch heute an den Widerstandskämpfer. Nach dem Krieg stürzte sich der vaterlose Jürgen in den Fußball der Hauptstadt - genauer gesagt in den Fußball von Berlin-Lichtenberg. Seine Karriere begann in der Jugend von Sparta Lichtenberg.

Richtig groß wurde Nöldner aber erst beim FC Vorwärts Berlin, einem Armee-Verein, der in den 1960er Jahren als das Nonplusultra im DDR-Klubfußball galt. Dort absolvierte er insgesamt 285 Oberligaspiele, in denen er stolze 88 Tore erzielte - darunter einige ganz wichtige. Unter anderem das entscheidende Tor 1970 im Pokalfinale gegen Lok Leipzig. Zwischen 1960 und 1969 wurde er dazu fünfmal DDR-Meister. Nöldner war damals quasi Spielgestalter und Torjäger in einer Person, kaum einer hatte einen so starken linken Fuß wie er.

Zu seinem Erfolgsrezept gehörte auch, dass er nie einen überflüssigen Meter zu viel ging. „Ich bin nie einem Ball hinterhergerannt, der nicht mehr zu erreichen war“, sagte Nöldner einst. „Ich habe immer ökonomisch gespielt. Man könnte auch sagen: schlau.“ Dass er sonst fast alles mit links machte, war sein Markenzeichen. „Ein gutes linkes Bein ist besser als zwei schlechte rechte“, hatte er in Anlehnung an das Bonmot von Ferenc Puskás gern gesagt. Wenn jemand „Hallo Puskás“ rief, drehte sich Nöldner unwillkürlich um. Puskás war einer der besten ungarischen Fußballspieler aller Zeiten, spielte für Honved Budapest und später für Real Madrid.

Weil Nöldner, der 30 Länderspiele bestritt und mit der DDR-Auswahl bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio die Bronzemedaille gewann, technisch so versiert war, hatten ihm Fans und Journalisten den Spitznamen „Puskas der DDR“ verpasst. Die Bild-Zeitung versuchte es auch einmal mit dem „Fritz Walter des Ostens“, was sich aber nicht durchsetzen konnte. Ganz im Gegensatz zu „Kuppe“, wie der Junge aus Lichtenberg ebenso oft genannt wurde. Das bedeutet im Berliner Jargon so viel wie „großer Bruder“.

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Nöldner wechselte die Seite des Schreibtisches

Woher genau dieser Spitzname kam, konnte sich bald niemand mehr erklären. Auch nicht, als Nöldner 1966 „DDR-Fußballer des Jahres“ wurde, mit 31 Jahren plötzlich die Stollenschuhe an den Nagel hängte und seine zweite Karriere begann. Trainer wollte er auf keinen Fall werden. „Dafür hätte man an der DHfK in Leipzig Sport studieren müssen. Ich hätte schwimmen und im Winter von einer Schanze springen müssen. Nein, das war nichts für mich“, begründete er seine Entscheidung und ging in den Journalismus.

Den Wechsel auf die andere Seite des Schreibtisches hat er nie bereut, Nöldner wurde über Jahrzehnte ein renommierter Sport- und Fußballjournalist, der den Osten Deutschlands kannte wie kaum ein anderer. Erst arbeitete der gebürtige zu DDR-Zeiten für das Sportecho und die legendäre fuwo, die Fußballwoche. Nach dem Fall der Mauer wechselte er zum Kicker und wurde Büroleiter des Fußballmagazins in der Hauptstadt.

Nöldner: „Es hat alles gepasst.“

In einer Würdigung des DDR-Fußballmythos verriet der kicker einmal: „Nöldner ließ in seinem Arbeitsvertrag den üblichen Passus streichen, dass er auch an anderen Redaktions-Standorten eingesetzt werden kann - und die Probezeit gleich mit. Es war seine einzige Bedingung, und der kicker akzeptierte sie, weil er wusste, dass sich kein Besserer finden ließe für die Berichterstattung über den Fußball im Osten.“ Nöldner selbst sagte einmal: „Wenn ich jemanden kritisiert habe, konnte keiner kommen und sagen: ‚Der Nöldner hat keine Ahnung.‘“

„Ich bin nirgendwo falsch abgebogen“, sagte er zu seinem 80. Geburtstag. Und zwar nicht einfach so, er fühlte es, er war mit sich im Reinen. „Es hat alles gepasst.“ Bundesweit ist der Mythos Nöldner - wie der vieler DDR-Stars - heute eher vergessen. Dennoch wird er für alle Zeiten einen festen Platz in der deutschen Fußballgeschichte haben.