Für einen Moment hatte Lukas Raeder die große Bühne zurück. Im Penaltyschießen, das Pendant der Baller League zum klassischen Elfmeterschießen. Eine Disziplin, in der es wie nirgendwo sonst auf die Torhüter ankommt. Wenn die Schützen versuchen, ihre Nerven im Zaum halten, haben sie die Chance, Heldentaten zu vollbringen. So wie der 30-Jährige, der am späten Montagabend mit den Las Ligas Ladies, dem Team der Profifußballerinnen Selina Cerci und Ana Markovic, im Finale der Kleinfeldliga stand - und ablieferte.
Ein Ex-Bayern-Profi wird zum Helden
Gleich beim ersten Versuch des Gegners schaute Raeder seinem Widersacher Turgay Akbulut tief in die Augen, breitete seine Arme so weit wie möglich aus und wartete in aller Ruhe auf den immer näher kommenden Spieler. Als dieser schließlich abzog, fuhr der ehemalige Torhüter des FC Bayern München den rechten Fuß aus, machte fast einen Spagat und wehrte den Ball zur Seite ab. Und es kam noch besser. Auch den zweiten Penalty gegen die Gönrgy Allstars hielt Raeder, der eigentlich schon am Boden lag, aber noch rechtzeitig eine Hand hochreißen konnte.
Die Grundlage, dass es wenige Minuten später vollbracht war. Raeder, entscheidender Rückhalt seines Teams, sei dank gewannen die Las Ligas das dramatische Penaltyschießen mit 4:3 und durften den Pokal der Baller League erstmals in die Höhe stemmen. „Das war ein überragendes Event und bedeutet mir eine Menge“, freute sich der Held des Abends, der den Auftritt vor vollen Rängen sichtlich genoss. Rund 11.000 Fans waren in den Düsseldorfer PSD Bank Dome gekommen und sorgten für eine bemerkenswerte Stimmung.
Raeders turbulente Bayern-Zeit
Für den Keeper war der Titelgewinn der Kleinfeldliga gleichbedeutend mit dem größten Erfolg seines zweiten Fußballer-Lebens. Sein erstes, also die aktive Profikarriere, beendete Raeder bereits im vergangenen Jahr, im Alter von gerade einmal 29 Jahren - wobei sein Name vielen vor allem wegen seiner Zeit bei den Bayern ein Begriff sein dürfte. Von 2012 bis 2014 stand er in München unter Vertrag, gehörte 2013 zum Triple-Kader an und brachte es unter Pep Guardiola auf immerhin drei Pflichtspieleinsätze, obwohl er hinter Manuel Neuer und Tom Starke nur die dritte Kraft im Tor war.
Doch weil Starke im April 2014 ausfiel und auch Neuer bei einer 0:3-Pleite gegen Borussia Dortmund zur Halbzeit verletzt rausmusste, kam Raeder zu seinem unverhofften Debüt. Am darauffolgenden Spieltag rückte er in Braunschweig erstmals in die Startelf und bereitete beim 2:0 sogar einen Treffer vor. Auch im Halbfinale des DFB-Pokals, das der Rekordmeister in der Allianz Arena gegen den Zweitligisten Kaiserslautern mit 5:1 gewann, kam er über 90 Minuten zum Einsatz. Trotzdem endete seine Zeit an der Säbener Straße abrupt - wegen eines folgenschweren Fehlgriffs.
Als Raeder 2014 mit der U23 der Bayern, bei der er hauptsächlich zwischen den Pfosten stand, an der Aufstiegsrunde zur 3. Liga teilnahm, war sein Team bei einer 2:0-Führung gegen Fortuna Köln (Hinspiel 1:0 für Fortuna) nur Sekunden vom Aufstieg entfernt. Dann der Schock: In einer verrückten Schlussphase kassierten sie nach einem fatalen Patzer von Raeder noch ein Gegentor. Der Aufstieg war dahin, seine Tage in München gezählt. Es folgten Stationen in Portugal, England, Bulgarien und Duisburg, bis er im vergangenen Jahr einen Schlussstrich zog, bei der Spieleragentur Pro Profil einstieg und anfing, nebenbei für eine Finanzberatungsfirma zu arbeiten.
Baller League? „Hier ist mehr los, mehr Action drin“
Die Lust am Fußball verlor Raeder aber nie. Seit Anfang 2024, als die Hallenliga von Lukas Podolski und Mats Hummels gemeinsam mit anderen Fußballgrößen, Künstlern und Streamern gegründet wurde, ist er Teil davon und hütet den Kasten der Las Ligas Ladies. „Für mich steht hier der Spaß im Vordergrund. Ich finde das Format unglaublich cool. Das ist etwas ganz anderes. Etwas, das sehr, sehr, sehr viel Potenzial hat“, betonte der ehemalige Bayern-Torwart, der sich neben Deutscher Meister, Pokalsieger und Champions-League-Sieger nun auch Baller-League-Sieger nennen darf.
Ein wesentlicher Unterschied zum traditionellen Fußball, der Raeder reizt: Durch die Regeländerungen in den letzten Minuten sei „immer alles möglich, auch wenn man kurz vor Schluss mit vier Toren zurückliegt“, erklärte er. Am Ende der ersten Halbzeit gibt es in der Baller League für drei Minuten den sogenannten „Gamechanger“, am Ende der zweiten Halbzeit die „Galaxy Minutes“. Dann entscheidet ein Glücksrad, welches Regelwerk von nun an gilt. So kann es passieren, dass die Teams plötzlich im Drei-gegen-drei-Format spielen oder jedes Foulspiel sofort mit einem Feldverweis bestraft wird.
„Ich weiß nicht, ob sich der typische Bundesliga-Zuschauer damit anfreunden kann, weil man das einfach nicht mit dem normalen Fußball vergleichen kann. Hier ist mehr los, mehr Action, mehr Unterhaltung, mehr Entertainment - das macht das Format am Ende des Tages aus“, stellte Raeder klar und verriet, dass er „auf jeden Fall Bock“ auf ein drittes Jahr in der Hallenliga hätte. „Wenn man als Titelverteidiger ins Rennen geht, ist die Motivation sowieso noch größer. Und es wäre ja schon komisch, wenn man den Pokal nicht verteidigen wollte“, schmunzelte er.
Bayern? „Es war eine super lehrreiche Zeit“
Für Raeder geht es nun erst einmal zurück in den Alltag. Doch der Fußball, da ist er sich sicher, wird nicht zu kurz kommen - und auch wegen des FC Bayerns viel Raum einnehmen. „In der Champions League habe ich mir einige Spiele angeschaut, nicht alle“, gab er nach kurzem Überlegen zu: „Aber ich habe das Glück, dass bei den Bayern nicht so viele verschiedene Torhüter gespielt haben, sondern Jungs wie Oliver Kahn oder Manuel Neuer eine ganze Ära geprägt haben. Deshalb bin ich jetzt ab und zu bei der Traditionsmannschaft, halte so den Kontakt zum Verein und treffe alte Spieler.“
Dass der Keeper während seiner Profizeit dreimal für die Profis auf dem Rasen stand, „war für mich eine glückliche Fügung, weil viele vor mir verletzt waren“, sagte er, mache ihn aber nicht weniger stolz. „Es war eine super lehrreiche Zeit, weil ich so viel von meinen Kollegen und vor allem von Manuel gelernt habe: Wie bereitet sich ein Profi auf ein Training vor, wie verhält er sich in der Reha nach einer Verletzung? Die kleinen Dinge eben“, erinnerte er sich an die gemeinsamen Tage mit Neuer und Starke.
Ansonsten ist Raeder noch als Torwarttrainer in der Jugend des ESC Rellinghausen tätig oder spielt gemeinsam mit Freunden in der dritten Mannschaft von Tusem Essen in der Kreisliga B. Auf dem Feld wohlgemerkt, wo er Torjäger-Qualitäten beweist und in fünf Spielen bereits fünf Treffer erzielte. Vier davon in einem Spiel Anfang Oktober beim 5:2-Sieg gegen die Sportfreunde Altenessen II. Langweilig scheint es Raeder also nicht zu werden.