Irgendwie war er dann doch ständig präsent: Vinícius jr. Der Offensivmann von Real hatte zwar die Verleihung des Ballon d‘Or in Paris gemeinsam mit allen anderen der Madrider Delegation boykottiert, aber wie ein Geist schwebte er durch den großen Saal des Theatre du Chatelet.
Ein merkwürdiger Abend in Paris
Immer wenn der Brasilianer auf der riesigen Leinwand zu sehen war, applaudierten einige Anwesende – so als würden sie immer und immer wieder zeigen wollen, wer für sie der wahre Gewinner des goldenen Balls ist.
Die seltsame Stimmung hatte bereits Stunden vor der Gala ihren Anfang genommen. Rund 3000 Schaulustige und Fans hatten sich am roten Teppich eingefunden, um ihre Stars zu sehen. Dabei stimmten große Teile der Menge immer wieder Sprechchöre für Vinícius und Real Madrid an. Auch Schmähgesänge gegen den FC Barcelona waren zu hören.
Buhrufe für Barca-Delegation
Diese wurden besonders laut und vermischten sich mit Buhrufen, als die katalanische Delegation um Barca-Präsident Joan Laporta vorgefahren kam. Eine für einen solchen Abend eher unwürdige Szene. Doch die Wut vieler Fans war spürbar.
Im Theater war von Wut derweil wenig zu spüren – zu gediegen ging es dort unter all den Fußball-Promis und Altstars zu. Doch die Absage der Madrilenen sorgte hier für zumindest merkwürdige Szenen. Denn es wurden ja tatsächlich Stars aus Madrid geehrt – in Abwesenheit. Carlo Ancelotti wurde als bester Trainer ausgezeichnet, Kylian Mbappé hätte neben Harry Kane die Gerd-Müller-Trophäe erhalten sollen.
Statt freundlich lächelnde Real-Stars bekam das Publikum aber nur seelenlose Fotos und Jubelszenen der Protagonisten auf der Videowand zu sehen. Zudem kam es in diesen Momenten zu betretenem Schweigen, das Moderator und Ex-Star Didier Drogba mit warmen Worten zu durchbrechen versuchte. „Schade, dass mein ehemaliger Trainer heute nicht hier ist“, sagte der Ivorer sichtlich gequält. Auch er wusste offenbar: Eine Ballon-d‘Or-Gala ohne die ganz großen Preisträger ist höchstens die Hälfte wert.
Event ohne Spannung
Das wurde dann auch deutlich, als das Event seinem Höhepunkt entgegensteuerte: Wer holt sich nun die begehrte Trophäe? Die Antwort war erwartbar und spätestens durch den Madrider Boykott offenkundig: Rodri. Die Spannung war durch das Verhalten der Königlichen lange verpufft. Jeder im Saal wusste, dass er gewinnen würde.
Dem Preisträger merkte man indes an, dass ihn einige im Weltfußball nicht für den wahren Sieger halten. Artig bedankte sich Rodri bei all jenen Journalistinnen und Journalisten, die ihn gewählt hatten. Als er gefragt wurde, ob es nochmal etwas ganz Besonderes für ihn sei, sich gegen Real-Stars wie Vinícius und Jude Bellingham durchgesetzt zu haben, bejahte dies der 28-Jährige und erklärte: „Ich bin ein ganz normaler Kerl. Ich liebe es, Fußball zu spielen und mit meinen Mitspielern zu arbeiten.“
Sollte es Rodris Absicht gewesen sein, im Moment seines Triumphs den krassen Gegensatz zum Glamour eines Vinícius darzustellen, gelang das vollkommen. Spanische Medien hatten bekanntlich bereits vor Wochen davon berichtet, dass sich der Real-Star schon einen goldenen Anzug für die Preisverleihung schneidern lasse. Missgunst und Neid machten den Abend zu einer schwer verdaulichen Veranstaltung. Schon im Vorfeld schimpften einige spanische Reporter im Medienzentrum über die Jury – offenkundig hielten sie es mit Real Madrid. Das hat der Ballon d‘Or eigentlich nicht verdient.
Fans wittern Verschwörung
Nach der Gala lehrte sich das Theater an der Seine dann auch vergleichsweise schnell. Von einer rauschenden Nacht war nicht viel zu spüren. Karl-Heinz Rummenigge, der zuvor mit bewegenden Worten an seinen verstorbenen Freund Franz Beckenbauer erinnert hatte, verließ die Veranstaltung ebenso schnell wie Harry Kane und verschwand in einem Minibus in der Pariser Nacht.
Dort irrten sogar noch nach Mitternacht einige Fans umher und beschwerten sich ungefragt bei den anwesenden Reportern über die Wahl Rodris. Einige witterten gar eine Verschwörung der UEFA gegen Real Madrid - wie auch der ein oder andere Real-Star.
„Beim Ballon d‘Or geht es nur um Interessen einzelner Funktionäre“, schimpfte ein Anhänger der Königlichen und erinnerte an die zahlreichen Titel für Lionel Messi – auch die seien oftmals unberechtigt gewesen.
So ging der eigentlich glänzende Abend in Paris seltsam zu Ende. Auch weil sich Vinícius selbst via X aus dem entfernten Madrid meldete: „Ich mache es noch zehn Mal, wenn es sein muss. Sie sind noch nicht bereit“, schrieb der Brasilianer. Eine Kampfansage an all jene, die seiner Ansicht nach seine Qualität in diesem Jahr nicht zu schätzen wussten.
Ob auch der Galaabend im Jahr 2025 so merkwürdig verlaufen wird, hängt vermutlich vor allem von Real Madrid und seinen Stars ab.