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Jörg Berger - die krasse Geschichte des Mannes, der die Titanic gerettet hätte

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Jörg Berger - die krasse Geschichte des Mannes, der die Titanic gerettet hätte

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Die krasse Geschichte eines Kämpfers

„Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet.“ Sieben Worte, die den früheren Bundesliga-Trainer charakterisieren. SPORT1 erinnert an einen Kämpfer, der am 13. Oktober 1944 geboren wurde.
Jörg Berger bei Eintracht Frankfurt in der Saison 1998/1999
Jörg Berger bei Eintracht Frankfurt in der Saison 1998/1999
© IMAGO/Team 2
„Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet.“ Sieben Worte, die den früheren Bundesliga-Trainer charakterisieren. SPORT1 erinnert an einen Kämpfer, der am 13. Oktober 1944 geboren wurde.

Der Morgen im jugoslawischen Subotica bricht langsam an, als Jörg Berger die Chance ergreift. Als er alles auf eine Karte setzt. Es ist der Morgen des 25. März 1979, als es kein Zurück mehr gibt. Entweder oder.

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Die Alternativen sind rar, aber klar, als er sich aus dem Mannschaftshotel schleicht, um sich in Belgrad in der bundesdeutschen Botschaft einen gefälschten Pass zu besorgen. Freiheit oder Gefängnis. Alles oder nichts.

Jörg Berger heißt für die geplante Fahrt von Belgrad nach Österreich Gerd Penzel. Ein Bekannter seiner Eltern. Bis auf das Foto, den Geburtsort und das Geburtsdatum ist an dem Dokument alles gefälscht.

Alles scheint vorbei

Stunden später scheint alles vorbei, und das kurz vor dem Ziel, kurz vor der österreichischen Grenze. Grenzer steigen in den Zug. Ausweiskontrolle. Berger muss sich zusammenreißen.

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Er weiß: Der Moment ist gekommen, hier und jetzt, in einem Abteil in einem Zug von Belgrad mit dem Ziel Paris nimmt sein Leben eine entscheidende Richtung. Und der Grenzer erkennt ihn.

Hilflosigkeit. Verzweiflung. Ein Drama. Ungewissheit, als der Grenzer mit dem Pass verschwindet.

„Nach ungefähr zehn Minuten kam der Beamte zurück – eine verdammte Ewigkeit. Vor lauter Angst war ich völlig durchgeschwitzt. Er gab mir meinen Ausweis zurück, schaute mir fest in die Augen, lächelte und sagte: ‚Und nun, Herr Berger, viel Glück im Westen!‘“, erinnert sich die Trainer-Legende in seinem Buch „Meine zwei Halbzeiten“.

Eine Autobiografie, die 2009 erschien. Ein Jahr vor seinem Tod. Am 13. Oktober 2024 wäre Berger 80 Jahre alt geworden. Damals startete er in sein zweites Leben, in seine zweite Halbzeit, wie er es nannte. Die erste absolvierte er im Osten, die zweite im Westen.

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Ein Egoist

Der simple Grund: Sein Freiheitsdrang hatte sich gemeldet. Er hatte kein schlechtes Leben in der DDR, wie er immer wieder betonte. Nach der Trennung von seiner ersten Frau hätte er aber heiraten müssen, um weiter Karriere zu machen. Denn die Trennung hieß damals erhöhte Fluchtgefahr, erst recht als Trainer der DDR-Juniorennationalmannschaft.

Doch Berger war das egal, auch der große Einfluss der Stasi. Sogar, dass er seinen damals neunjährigen Sohn zurückließ.

Egoist. Ein Vorwurf, den sich Berger gefallen ließ. Weil er natürlich stimmte. „Ohne einen gewissen Egoismus hätte ich diesen Weg nicht gehen können. Ich dachte, dass ich meinen Sohn nie wiedersehen würde. Natürlich habe ich versucht, Kontakt zu halten. Das Schlimmste war, dass ich mich ihm nicht erklären konnte“, sagte Berger einmal.

Während er im Westen Karriere machte, zum Bundesliga-Trainer aufstieg, hatte seine Familie im Osten damit zu kämpfen, dass er geflüchtet war. Je bekannter er im Westen wurde, desto schlimmer wurde es für seine Familie. Schließlich wurde den DDR-Oberen diese „Niederlage“ so immer wieder vorgehalten.

Die Eltern mussten das Land verlassen, dem Sohn wurde das Fußballspielen verboten. Berger hatte die Folgen für die Zurückgebliebenen unterschätzt. Aber auch die Folgen für sich.

Angst um Leib und Leben

Denn Berger stand unter Beobachtung, der Arm der Stasi war lang. Das musste bekanntlich auch Lutz Eigendorf erfahren, der „Beckenbauer des Ostens“, der eine Woche vor Berger geflohen war und am 7. März 1983 unter bis heute mysteriösen Umständen ums Leben kam.

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Sein Fall, verbunden mit Bergers Erzählungen, lassen einen noch heute erschaudern. „So hat man mir die Autoreifen zerstochen, auf der Autobahn löste sich ein Rad – und monatelang hatte ich Lähmungserscheinungen. Vermutlich von einer Bleivergiftung, die die Stasi initiiert hatte. Die haben mir wohl etwas in ein Getränk gemischt“, erinnert er sich.

Vor einem angeblichen Treffen mit seiner Mutter in Schweden wurde er rechtzeitig misstrauisch. Seiner zweiten Frau sagte er stets: „Wenn mir was passiert, lass das genau untersuchen, glaub nicht an einen Unfall oder dass ich einfach weg bin.“ Sie hielt es lange für Verfolgungswahn.

Doch zahlreiche Belege für viele Dinge fanden sich in den Stasi-Akten, die er nach der Wende einsehen konnte. Mehr als 20 Mitarbeiter waren auf ihn angesetzt worden. „Meine Krankheit fiel genau in einen Zeitraum, wo in meiner Akte steht: ‚Aggressives Vorgehen‘“, so Berger.

Berger: „Ich war da sehr emotional“

Dass zwei seiner besten Freunde ihn bespitzelt hatten, darunter der frühere DDR-Nationaltrainer Bernd Stange, machte es nur noch schlimmer. Unbegreiflicher.

Manche Funktionäre, die ihm in der DDR das Leben schwer gemacht hatten, traf er nach der Wende plötzlich im Jackett des Deutschen Fußball-Bundes wieder. Schwierig. Berger ehrlich: „Als mir so etwas das erste Mal auf einem Empfang passiert ist, musste mich meine Frau zurückhalten. Ich war da sehr emotional.“

Emotional war auch das Wiedersehen mit seinem Sohn. Und gleichzeitig ebenfalls schwierig. Denn im Sommer 1989 in Prag reagierte sein Sohn anders, als Berger erwartet hatte.

Berger war naiv, dachte, ein paar Umarmungen oder Geschenke reichen, um zehn Jahre und eine Flucht wegzuwischen. „Ich habe in Prag nicht drei Tage mit meinem Vater verbracht, sondern es war wie ein Hauptgewinn in einem Preisausschreiben: drei Tage mit einem Bundesliga-Trainer“, sagte sein Sohn später.

Berger verstand, war aber tief getroffen. Erst langsam kam das Vertrauen zurück. Aber: Es kam zurück, beide söhnten sich aus.

Berger wird zum Feuerwehrmann der Bundesliga

Als Trainer in der Bundesliga machte sich Berger vor allem einen Namen als Feuerwehrmann, als Retter, als Spezialist für die besonders ausweglosen Situationen.

Wer kennt ihn nicht, den legendären Spruch von Jan-Age Fjörtoft, nachdem Eintracht Frankfurt im Mai 1999 durch ein 5:1 am letzten Spieltag in der Bundesliga blieb? „Jörg Berger hätte auch die Titanic gerettet.“ Ja, das hätte er vielleicht. Sich selbst konnte er nicht retten.

2002 wurde bei ihm Darmkrebs diagnostiziert, er erfuhr es eineinhalb Stunden vor einem Spiel mit Alemannia Aachen.

„Ich wollte, dass es weitergeht, bin zum Spiel hin, und sogar hinterher noch vor die Kameras“, sagte Berger, der offen mit der Erkrankung umging und immer daran glaubte, dass er die Krankheit besiegen könnte: „Ich wollte mich von Anfang an nicht ständig mit dem Krebs beschäftigen, sondern nach vorn schauen, und das habe ich im Sport gelernt: Ich muss verdrängen können, um den nächsten Schritt machen zu können.“

Bis zum 23. Juni 2010. Da hatte der ewige Optimist seinen letzten Kampf verloren.