Sven Schimmel lacht viel, wenn er redet. Da ist mal eine kleine Belustigung, mal ein herzliches Auflachen über eine geteilte Erinnerung. Er kann aber sehr still werden beim Erzählen. Was nicht meint, dass er verstummt, sondern, dass er über Erlebnisse oder Themen spricht, die ihn bewegen, ihm nahegehen, aus seinem Leben oder dem seiner Schützlinge.
Bemerkenswerter Weg eines Ex-Profis
„Emotionen zulassen“, das ist ein Rat, an den Schimmel sich auch selbst hält. Weil Gefühle nun mal da sind und sie zu verdrängen nichts daran löst, sie sozusagen einmal durchzufühlen aber womöglich schon. An seine eigenen Gefühle aus der Zeit als junger Spieler erinnert er sich bis heute gut, und daran, wie widersprüchlich die teilweise gewesen sind.
- „Flutlicht an. Im Gespräch mit der Wortpiratin“, der Podcast auf SPORT1, in dem Journalistin und Autorin Mara Pfeiffer Menschen in den Mittelpunkt stellt, die im schnelllebigen und lauten Fußballgeschäft oft zu wenig im Rampenlicht stehen.
Sven Schimmel und das überraschende Karriere-Aus
Als Schimmel mit gerade zwölf Jahren zum Probetraining beim VfB Stuttgart eingeladen wird, ist ihm sehr bewusst, wie wenig selbstverständlich das ist. Der große Traum vom Profi scheint auf einmal zum Greifen nah! Am Tag selbst ist er unglaublich nervös, findet in der Kabine voll junger Spieler keinen Platz und zieht sich in der Dusche um. Dieses Bild bleibt.
Er habe damals, erinnert sich Schimmel, mit niemandem geredet, weil er gar nicht so genau gewusst hätte, worüber. Seine eigene Schüchternheit ist ihm bewusst, auch Ängste, die ihn bewegen, aber nicht, was er dagegen tun könnte. Andere Zeiten, gerade im Fußball.
Der gebürtige Reutlinger durchläuft die Jugendteams, wird umgeschult zum Verteidiger, steigt auf in die zweite Mannschaft des VfB und absolviert Testspiele im Profiteam. Doch immer, wenn er kurz vorm Sprung nach oben steht, werfen ihn Verletzungen oder Trainerwechsel zurück. Zur Saison 2011/12 entscheidet er sich für einen Wechsel zum SV Wehen Wiesbaden.
Der bringt die Verabschiedung von der gewohnten Umgebung und seiner Familie mit sich. Sportlich läuft es für den jungen Profi, doch er fühlt sich nicht wohl. Auf dem Platz. In seiner Haut. Der Verein stellt ihm einen Psychologen zur Seite, von dem Schimmel sich nicht verstanden fühlt. So trifft er die für Außenstehende überraschende Entscheidung, die Karriere zu beenden.
„The Idols Journey“: Schimmel wird zum Vorbild
Der nun ehemalige Profi reist, studiert, lernt seine Frau kennen. Wird zum ersten Mal Vater. Und begegnet, obwohl er die Zeit als Spieler gut aufbereitet glaubt, im neuen Job den alten Ängsten wieder. Erst wirft ihn das aus der Bahn, doch dann entsteht über kleine Umwege der große Wunsch, die Person zu werden, die ihm selbst als Spieler immer gefehlt hat.
Inzwischen hat Schimmel als Mentalcoach im Sport mit über 300 Athlet*innen gearbeitet und ein familiäres Unternehmen aufgebaut, in dem mit ihm seine Frau Laura als Geschäftsführerin, Isabell Martella als Coach mit Schwerpunkt Jugend & Familien sowie Torfrau Anna Wellmann in Sachen Social Media und Entwicklung arbeiten. Kernstück seiner Tätigkeit ist das Modul „The Idols Journey“, in dem er Spielerinnen und Spielern im Eins-zu-Eins zur Seite steht.
Der Name ist ihm auch wichtig, um das Thema mentale Unterstützung weiter aus dem Tabu zu holen: Spieler*innen können demnach Vorbild werden, indem sie Hilfe in Anspruch nehmen und dadurch sportlich besser und menschlich zufriedener werden.
Kollegin Martella arbeitet mit jungen Spieler*innen und deren Eltern, Schimmel selbst bildet mittlerweile aus und erarbeitet viele Inhalte gemeinsam mit Julius Duchscherer, mit dem ihn eine ähnliche Geschichte ebenso verbindet wie die Leidenschaft, die eigenen Erfahrungen weiterzugeben. „Manchmal dürfen Träume und Ziele sich ändern“, so lautet ein Glaubenssatz des Mentalcoaches, für den er selbst das beste Beispiel ist: Er hat über das Ende eines großen Traumes ein Leben gefunden, das er sich so nie erträumt hatte - und das genau richtig für ihn ist.