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"Sie haben es für uns vermasselt"

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"Sie haben es für uns vermasselt"

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„Sie haben es für uns vermasselt“

Mit Thomas Tuchel setzt der englische Fußballverband zum dritten Mal auf einen ausländischen Nationaltrainer. Dessen Vorgänger Sven-Göran Eriksson und Fabio Capello scheiterten beim Versuch, die Three Lions zu einem Titel zu führen. SPORT1 blickt auf ihre Amtszeiten zurück, die durch den gefürchteten Boulevard erschwert wurden.
Thomas Tuchel wird auf einer Pressekonferenz als neuer Trainer der englischen Nationalmannschaft vorgestellt. In seinen ersten Worten zitiert er unter anderem Fußball-Legende Pelé.
Johannes Fischer
Johannes Fischer
Mit Thomas Tuchel setzt der englische Fußballverband zum dritten Mal auf einen ausländischen Nationaltrainer. Dessen Vorgänger Sven-Göran Eriksson und Fabio Capello scheiterten beim Versuch, die Three Lions zu einem Titel zu führen. SPORT1 blickt auf ihre Amtszeiten zurück, die durch den gefürchteten Boulevard erschwert wurden.

Als der englische Fußballverband FA im Januar 2013 sein 150-jähriges Bestehen feierte, waren auch Sven-Göran Eriksson und Fabio Capello eingeladen. In nobler Umgebung stieß man mit den beiden Trainern an, die in den Jahren zuvor die Geschicke des Nationalteams zu verantworten hatten.

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Dass beide Trainer eingeladen wurden, darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass keiner der beiden Coaches den erhofften Aufschwung gebracht hatte.

Eriksson, der im August dieses Jahres einem Krebsleiden erlag, stand von 2000 bis 2006 für die Three Lions an der Seitenlinie, Capello folgte von 2008 bis 2012. Sie waren die beiden einzigen ausländischen Nationaltrainer Englands, bevor Thomas Tuchel nun als dritter nicht-englischer Coach folgen wird.

Englands Boulevard arbeitet sich am „geilen Sven“ ab

In Nachhinein werteten viele Experten die kumuliert zehn Jahre unter dem schwedischen und dem italienischen Cheftrainer als verlorene Zeit. Die Mannschaften, die von ihnen geleitet wurden, waren gespickt mit großen Namen des Fußballs - und dennoch kam England nie über das Viertelfinale einer WM oder EM hinaus.

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Zwölf Jahre nach dem Ende der Capello-Ära hat Tuchel nun also die Chance es besser zu machen. Allerdings dürfte der frühere Bayern-Coach wissen, dass er sich auf einen der heißesten Trainerstühle im europäischen Fußball setzt.

Dass die englische Boulevardpresse nicht gerade zimperlich mit ihm umgehen wird, konnte Tuchel schon kurz nach seiner Unterschrift lesen. „England muss bis zum letzten Mann im Trikot englisch sein. Wir brauchen keinen Thomas Tuchel, sondern einen Patrioten, für den das Land an erster, zweiter und dritter Stelle steht“, schrieb etwa die Daily Mail.

Auch Tuchels Vorgänger hatten das zweifelhafte Vergnügen, regelmäßig auf den Seiten der berüchtigten Yellow Press zu stehen, vor allem Eriksson. Verschiedene Sex-Affären brachten ihm den Namen „Horny Sven“ (geiler Sven) ein, der ihn bis zum Ende seiner Amtszeit (und darüber hinaus) nicht mehr losließ und ein gefundenes Fressen für den englischen Boulevard war.

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Reporter lässt Eriksson in die Falle tappen

Mit Mazher Mahmood war es 2006 sogar ein Boulevardreporter, der Erikssons Ende bei den Three Lions einläutete, indem er ihn in eine Falle tappen ließ. Mahmood hatte sich Eriksson gegenüber als Scheich ausgegeben und ihm erzählt, er suche einen Trainer für einen englischen Klub, bei dem er investieren wolle.

Eriksson empfahl dem vermeintlichen Scheich Aston Villa und zog bei diesem Anlass über einige seiner Nationalspieler her: Wayne Rooney sei unbeherrscht, Rio Ferdinand faul und David Beckham bei Real Madrid gescheitert.

Nachdem die brisanten Aussagen wenig später bei News of the World zu lesen waren, kündigte der unter Druck geratene Eriksson seinen Abschied nach der WM 2006 in Deutschland an - wo der Titeltraum im Viertelfinale nach dem verlorenen Elfmeterschießen gegen Portugal platzte.

Sprache wird Capello zum Verhängnis

Nicht weniger zimperlich wurde Erikssons Nachfolger behandelt, seinem gelungenen Einstieg zum Trotz. „Als sich Fabio Capello vor vier Jahren zum ersten Mal vor die notorisch schwer zufriedenzustellenden englischen Medien stellte, strahlte er den Glanz von Klugheit und Erfolg aus. Doch das war nicht von Dauer“, schrieb der Fußball-Analyst John Anderson nach Capellos England-Aus.

Spätestens als das Team bei der WM in Südafrika mit einem krachenden 1:4 im Achtelfinale gegen Deutschland aus dem Turnier geflogen war, blies dem Italiener die mediale Wucht ins Gesicht. Dabei pickte sich der Boulevard nicht nur etwaige fachliche Unzulänglichkeiten heraus, sondern glitt mal wieder ins Persönliche ab.

Vor allem seine sprachlichen Defizite, die er über die Jahre nicht ausmerzte, gaben zunehmend Anlass zur unverhohlenen Kritik. „Was er mitbrachte, war ein stotterndes Verständnis der englischen Sprache (das sich nie zu bessern schien) und der Verdacht, dass seine Amtszeit nicht von seitenhiebartiger Heiterkeit oder lebensfroher Freundlichkeit geprägt sein würde“, schrieb Anderson.

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Dazu passte, dass auch Capellos puritanisches tägliches Essens- und Trinkregime für spöttische Kommentare sorgte.

Van Gaal giftet gegen Eriksson und Capello

Dass die englische Nationalmannschaft in den Jahren unter Eriksson und Capello trotz der Champions-League-Erfolge des FC Liverpool (2005) oder von Manchester United (2008) ein ganzes Stück von der Weltspitze entfernt war, hatte zur Folge, dass ausländische Coaches für die FA erst einmal tabu waren - zum Leidwesen von Louis van Gaal.

Der frühere Bayern-Trainer bekannte, dass er den Job gerne gehabt hätte, allerdings seien seine Chancen zunichtegemacht worden. “Praktisch niemand ernennt mehr einen ausländischen Trainer. England hat es zweimal mit Eriksson und Capello versucht, und die beiden haben die Chance für den Rest von uns vergiftet. Sie haben es für den Rest vermasselt“, bedauerte er giftig.

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Englands Goldene Generation mit Spielern wie Beckham oder Rooney hätte mit einem Trainer wie Gareth Southgate „einen Titel gewonnen“, konstatierte TalkSPORT-Moderator Jason Cundy unlängst. „Ashley Cole, Gary Neville, John Terry und Rio Ferdinand. Diese Viererkette ist besser als das, was wir jetzt haben.“

Allerdings blieben die Three Lions auch unter den Nachfolgern von Eriksson und Capello erfolglos. Roy Hodgson (2012 - 2016) und Gareth Southgate (2016 - 2024) führten die stolze Fußballnation ebenfalls nicht zum erhofften Titel, wenngleich der im Sommer zurückgetretene Southgate mit zwei verlorenen EM-Finals zumindest nahe dran war.

Nun also soll mit Thomas Tuchel mal wieder ein ausländischer Coach den Versuch starten, England zum ersten großen Titel seit der gewonnenen Heim-WM 1966 zu führen. Eine Herkulesaufgabe? Der Boulevard hat sich jedenfalls schon in Stellung gebracht.