Als er 1990 sein Bundesligadebüt für den 1. FC Nürnberg feierte, war Christian Wück gerade mal 17 Jahre alt und zu dem Zeitpunkt der drittjüngste Bundesligaspieler aller Zeiten. Mit 29 Jahren musste der Stürmer schließlich verletzungsbedingt seine Karriere beenden. Seit 2011 bis zum vergangenen Jahr war Wück Nachwuchstrainer beim Deutschen Fußball-Bund und gewann 2023 mit der deutschen U17 sowohl die Europa- als auch die Weltmeisterschaft. Ein Novum im internationalen Jugendfußball.
„Ich habe mich erst spät entwickelt“
Zu Beginn dieses Jahres wurde Wück zum Trainer der Frauen-Nationalmannschaft ernannt. Im neuen SPORT1-Podcast Leadertalk von Autor und Business-Coach Mounir Zitouni berichtet Wück von seiner persönlichen Entwicklung in den letzten Jahren, er beschreibt den beschwerlichen Weg zum Weltmeistertitel und macht deutlich, worauf es ihm bei der Führung der Frauen-Nationalmannschaft ankommen wird.
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Fußballprofi - aber kein Führungsspieler
Die Entwicklung zum Top-Trainer war bei Christian Wück so nicht vorhersehbar. „Ich habe mich erst ziemlich spät entwickelt“, erzählt Wück. „Wenn du frühere Mitspieler fragst, da gibt es keinen, der mir meinen Weg zugetraut hätte.“ Als aktiver Fußballprofi, so erzählt es Wück, sei er nie der Führungsspieler gewesen. „Ich war schnell, habe meine Tore gemacht, aber ich war nie einer, der bei einer Diskussion mal das Heft in die Hand genommen hat… Der Mensch, der ich heute bin, der hat sich ziemlich spät entwickelt“, gibt Wück offen zu.
Von seinem ersten Trainer in Nürnberg, Willi Entenmann, hat Wück zwei Dinge mitgenommen, die bis heute wichtig sind in seiner Arbeit: „An Ehrlichkeit und Vertrauen wollte ich mich immer messen lassen. Dies meinen Spielern und Spielerinnen zu geben, das ist mein Grundstein“, sagt der Ex-Stürmer. Ohne diese beiden Komponenten ist für ihn kein Erfolg möglich. „Die sozialen Komponenten, die Befindlichkeiten der Spieler zu kennen, ist unglaublich wichtig“, so Wück. „Man sollte mit den Spielern ein sehr vertrautes Verhältnis haben. Der Trainer kann nur Erfolg haben, wenn die Mannschaft ihm den Erfolg schenkt und wenn die Mannschaft in die gleiche Richtung wie der Trainer gehen möchte.“
Weg vom Vereinsfußball - hin zum DFB
Im Vereinsfußball erlebte Wück Höhen und Tiefen. Mit RW Ahlen stieg er in die 2. Liga auf, bei Holstein Kiel wurde er wegen Erfolglosigkeit entlassen. „Ich habe in Kiel nichts anderes gemacht als in Ahlen, aber es hat überhaupt nicht funktioniert. Es war für mich deshalb ganz großes Learning, dass man seine Art zu coachen, seine Art Fußball zu sehen, an der Mannschaft ausrichten muss.“
Anderes wichtiges Thema für Christian Wück: die Rollenverteilung innerhalb eines Teams. Er nimmt Julian Nagelsmann als Beispiel: „Er hat die Rollen vor der Euro klar verteilt. Man hat gesehen, dass die Spieler, die bei der Euro dabei waren, sich mit ihren Rollen zu 100 Prozent identifiziert haben. Auch bei uns sprechen wir vorher mit den Spielern und sagen ihnen zum Beispiel: Kommst du damit zurecht, immer nur eingewechselt zu werden?
„Es gab keine einzige positive Rückmeldung“
Dass der 2006er-Jahrgang die EM und WM gewinnen würde, war so nie vorhersehbar gewesen. Die Prognosen für diesen Jahrgang waren durch die Bank schlecht gewesen, berichtet Wück. „Es gab keine einzige positive Rückmeldung. Zu sehen, wie sich die Spieler dann entwickelt haben, das macht mich stolz.“
Für den neuen Nationaltrainer der deutschen Frauen wird in Deutschland grundsätzlich gerne mal das Negative in den Vordergrund gerückt. „Das ist ein typisch deutsches Phänomen: Erst mal zu sagen, was ein Spieler nicht kann, und dann kommt man zu dem, was er vielleicht schon gut kann. Man könnte es ja vielleicht auch irgendwann mal umdrehen.“
„Ich sehe es nicht so negativ“
Auch aktuell wird rund um die Nationalmannschaft der Frauen für Wück vieles zu negativ gesehen. „Ich habe drei Rücktritte in der Frauen-Nationalmannschaft. Da geht medial fast die Welt unter. Ich denke mir, da haben wir eben andere, die da jetzt reinkommen. Ich sehe es nicht so negativ, wie es im Moment Fußball-Deutschland sieht.“
Am 25. Oktober geht es für Wück im ersten Spiel gleich in Wembley gegen England. Viel Zeit zur Vorbereitung hat er nicht. „Wenn man so lange beim DFB arbeitet wie ich, dann weiß man, dass man definitiv zu wenig Zeit mit den Nationalmannschaften verbringt. Man muss sich das mal vorstellen: Wir treffen uns an einem Montag, da sehe ich dann einige Spielerinnen das erste Mal live … und dann spielen wir am Freitag schon gegen England. Ich habe maximal vier oder fünf Trainingseinheiten mit den Spielerinnen. Das ist dann nicht so einfach, aber ich freue mich auf Wembley“, gibt sich Wück zuversichtlich.
Für die EM im kommenden Jahr ist Wück aber jetzt schon recht erfolgshungrig. „Unser Anspruch muss sein, um den Titel mitzuspielen.“
Mounir Zitouni (53) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte in punkto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat die Autobiographie von Dieter Müller geschrieben und im Buch „Teams erfolgreich führen“ (Metropolitan-Verlag, 2024) die Erkenntnisse aus den Gesprächen im Podcast LEADERTALK zum Thema Leadership zusammengefasst.