Sein Name ist im deutschen Fußball gänzlich unbekannt und doch ist er einer der ganz wichtigen Fußballtrainer im US-Soccer. Manfred Schellscheidt, 1941 in Solingen geboren, ging Ende der 1960er Jahre in die USA und gewann dort als Spieler zweimal mit Elisabeth SC den nationalen Pokal, bevor er als Trainer mit Rhode Island, den Philadelphia Atoms und den New Jersey Americans den nordamerikanischen Meistertitel gewann.
Der deutsche Cruyff im US-Fußball
In den Jahren darauf trainierte Schellscheidt, seit 1990 Mitglied in der Hall of Fame des US-Verbandes, kurzzeitig sogar die US-Nationalmannschaft, später führte er das Olympia-Team zu den Olympischen Spielen in Los Angeles.
Schellscheidt: Inspirationsquelle für viele Trainer
Er trainierte jahrelang die US-amerikanische U15, coachte die nationale U17 und U20, daneben gewann er auch zweimal den Meistertitel für die U19 von Union Lancers aus New Jersey und trainierte auch Universitätsteams mit großem Erfolg.
Ob Jesse Marsh, Bob Bradley, Bruce Arena, Gregg Berhalter oder Tab Ramos: Es gibt keinen aktuellen US-Trainer der letzten Jahre, der Schellscheidt nicht als Inspirationsquelle angibt. Im Gespräch mit Business-Coach und Autor Mounir Zitouni wird deutlich, warum das so ist und wieso seine Gedanken über den Fußball so weise sind.
Tab Ramos, über 80 Länderspiele, viele Jahre Trainer in der Major Soccer League, vergleicht den deutschen Trainer mit Hollands Fußballlegende Johan Cruyff.
In der US-Doku über Manfred Schellscheidt von 2023 ″Voice of the game“ ist nicht nur er zu sehen. Bob Bradley, ein ganz enger Vertrauter Schellscheidts, der früher die US-Nationalmannschaft, Swansea City, Chicago Fire oder Los Angeles trainierte, sagt darin: „Wenn man mit Schellscheidt spricht, dann ist das so, als rede das Spiel mit dir.“
Schellscheidts Grundfrage lautet: „Wie lange dauert es, bevor das Kind mich als Trainer nicht mehr braucht? Ich habe erst dann gewonnen, wenn ich das Kind der Stimme des Spiels übergeben habe. Die Stimme des Spiels, die ihm sagt, was los ist auf dem Platz.“
Für ihn ist klar, dass „das Spiel die Fähigkeit hat, sich selbst zu vermitteln. Alles kommt vom Spiel. Das Spiel sagt dir alles, was du wissen musst. Es hat alle Fragen, aber auch alle Antworten parat.“
Ehemaliger US-Coach kritisiert Training im Jugendbereich
Kritisch schaut Schellscheidt auf die Herangehensweise mancher Trainer im Jugendbereich. „Wir wollen alles zu schnell auf einmal. Heutzutage ist es ein wenig übertrieben, wie die Trainer den Kindern etwas einbläuen wollen. Wir müssen Geduld haben, vor allem im Jugendbereich.“ Für ihn ist das Wichtigste, dass man als Trainer „ein Umfeld kreiert, in dem Spieler lernen können“.
Wenn Schellscheidt bei Red Bull New York auf dem Trainingsplatz steht, zückt er auch mal die Stoppuhr und misst die Redezeiten der Trainer. „Manchmal beleidige ich die Trainer dann und sage, wenn du mehr als zwei oder drei Sätze brauchst, dann weißt du nicht, wovon du redest.“
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Schellscheidt ist überzeugt: „Kinder sind schlauer als wir denken. Man kann als erwachsener Trainer nicht einfach drauflosmachen. Man muss sich an den Rhythmus des Kindes anschließen, schauen, was sie aufnehmen können. Wenn der Kopf vollgestopft ist, dann kann die Information vom Fußball gar nicht hinein“, sagt der 83-Jährige, der Kindern Mut machen will.
„Wenn wir nur die Fehler sehen, dann ist das eine sehr schlechte Methode. Es geht darum, das zu sehen, was man schon kann und das versuchen zu verbessern. Dann haben die Kinder ein positives Bild. Es geht darum, das Positive nach vorne zu stellen“, so der erste US-amerikanische A-Lizenz-Inhaber, der auch mal Jürgen Klinsmann kennenlernte.
„Klinsmann ist ein Mann von Sprüchen. Er verkauft sich selber sehr gut. Aber das ist ein lieber Mann, ich habe nix gegen ihn. Mein Kontakt zu ihm war sehr nett und freundlich“, so Schellscheidt, der einst unter Hennes Weisweiler seine Fußball-Lehrer-Ausbildung in Köln absolvierte.
Mounir Zitouni (53) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte in puncto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat die Autobiographie von Dieter Müller geschrieben und im Buch „Teams erfolgreich führen“ (Metropolitan-Verlag, 2024) die Erkenntnisse aus den Gesprächen im Podcast LEADERTALK zum Thema Leadership zusammengefasst.