Wenn die erhofften Ergebnisse ausbleiben, ist da wenigstens noch der Sarkasmus. „Dieses Jahr gibt es für mich nur Abstiegskampf“, meinte Marco Terrazzino schmunzelnd zu seiner bisherigen Saison. Mit dem Wuppertaler SV steht er in der Regionalliga West knapp über dem Strich, aus sieben Spielen holten sie sechs Punkte. Und bei seiner neuen Leidenschaft, der Baller League, läuft es sogar noch schlechter. Sieben Partien, sechs Niederlagen, ein Remis. Letzter Platz.
Spätes Glück eines früheren Juwels
Der Spaß geht ihm trotzdem nicht verloren - im Gegenteil. Man merkt dem 33-Jährigen an, wie wohl er sich in seiner neuen Umgebung fühlt. Konnte sich Terrazzino, der es immerhin auf 131 Spiele in der 2. Bundesliga und sogar 73 Einsätze in der Bundesliga bringt, nie wie von vielen erwartet im Profibereich etablieren, geht er in der Baller League einen unbefleckten Weg. „Das Format Fünf gegen Fünf reizt mich sehr“, schwärmt er. „Ich fand Hallenfußball schon immer cool, gerade für Bolzplatzkicker ist so etwas immer geil.“ Mit dieser Meinung ist er nicht allein.
Der Hype um die Baller League, wo Terrazzino für das Team VfR Zimbos spielt, ist längst riesig. In der Kölner Motorworld in Ossendorf treten wöchentlich zwölf Teams im Ligamodus auf einem Kleinfeld mit Kunstrasen gegeneinander an. Viel Aufmerksamkeit schüren dabei insbesondere die Manager, neben ehemaligen und aktuellen Profis wie Lukas Podolski, Christoph Kramer, Florian Neuhaus, Max Kruse oder Kevin-Prince Boateng sind diverse Prominente aus anderen Sparten dabei: Comedian Felix Lobrecht, Rapper Kontra K oder Streaming-Ikone Jens „Knossi“ Knossalla.
Jeden Montag schalten allein auf Twitch über 100.000 Fans ein. Eine Zahl, von der so manches Bundesligaspiel nur träumen kann und eine äußerst beliebte Bühne bietet. Einerseits für Fußballer aus der vierten und fünften Liga, andererseits aber auch für Ex-Talente und ehemalige Bundesliga-Protagonisten. Wie Terrazzino sind unter anderem Felix Bastians und Maximilian Beister am Ball, dazu kommen wechselnde Starspieler. Felipe Santana und Ryan Babel haben der Liga kürzlich einen Besuch abgestattet. Ihr Vorteil: Das Format kommt technisch versierten Spielern sehr entgegen.
Terrazzino: „Wir sind verheizt worden“
An herausragenden Anlangen fehlte es Terrazzino sowieso nie, früh wurde ihm eine große Karriere prophezeit. Mitte der Nullerjahre, als er mit sechs Freunden, darunter BVB-Star Pascal Groß und Manuel Gulde vom SC Freiburg, im beschaulichen Mannheimer Stadtteil Neckarau für Furore sorgte. Ab der D-Jugend spielte die Truppe zusammen und stieg in vier Jahren viermal auf. In einer Saison schossen sie 187 Tore und kassierten nur ein Gegentor.
Logisch, dass die großen Vereine schnell aufmerksam wurden. Nach und nach entschieden sich die sieben Jungs für einen Wechsel zur TSG Hoffenheim, wo sie sich vor allem von Terrazzino - später mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold ausgezeichnet - viel versprachen. Doch auf dem Weg nach oben zählt alles. Nicht nur das reine Talent, sondern in gleichem Maße auch Faktoren wie Glück, Gesundheit und der richtige Trainer zur richtigen Zeit. Während bei einigen die Karriere ins Stocken geriet, schafften Terrazzino, Groß und Gulde den Sprung zu den Profis und feierten ihr Bundesliga-Debüt.
Allerdings überforderte sie die neue Situation. „Der Hype war viel zu viel“, erinnerte sich der einstige U19-Nationalstürmer Terrazzino, der einmal mit 11freunde über den hohen Erwartungsdruck und die damit steigende Belastung durch Sport und Ausbildung oder Schule sprach. „Irgendwann hatte ich keine Lust mehr auf Fußball. Wir sind verheizt worden.“ Die Folge: Statt hoch hinaus in der ersten Liga ging es für ihn von Verein zu Verein. Karlsruhe, Freiburg, Bochum, wieder Hoffenheim, zurück nach Freiburg, Dresden, Paderborn, Gdańsk und Wuppertal lauteten seine Stationen. So richtig Fuß fassen konnte er nirgends. Zweimal stand er sogar ohne Vertrag da.
Baller League? „Das Niveau ist wirklich gut“
Das Gute aber: Diese Zeiten sind vorbei, die Freude am Fußball ist längst zurückgekehrt - nicht zuletzt dank der Baller League. Auch wenn seine besondere Geschichte dafür sorgt, dass auch in der Hallenliga viele Augen auf ihn gerichtet sind. „Es Druck zu nennen, wäre vielleicht etwas übertrieben“, sagte der gebürtige Mannheimer. „Aber ich merke schon, dass ich mehr als andere im Rampenlicht stehe. Ich bin nicht umsonst der First Pick der Zimbos gewesen, die Jungs erwarten sehr viel von mir.“ Er gehe „total positiv“ an die Sache heran.
Tatsächlich merkt man ihm in fast jedem Satz an, wie sehr ihm die Bühne in der Kölner Motorworld gefällt. „Es ist alles ein bisschen professioneller geworden“, lobte Terrazzino, vieles gehe in die richtige Richtung. „Auch das Niveau ist hier richtig gut. Nur weil man mal Profifußballer war, darf man nicht glauben, dass man sich sofort von der Masse abheben kann. Man muss wirklich fit sein, um etwas Besonderes zeigen zu können.“ Eine spezielle Vorbereitung gab es allerdings nicht: „Hier sind eher kurze und schnelle Bewegungen gefragt. Die trainiere ich in Wuppertal fast täglich.“
Dass die Wuppertaler ihn nun in der Hallenliga starten lassen, freut Terrazzino natürlich sehr. „In der vergangenen Saison war ich oft als Zuschauer hier, weil der Verein es noch nicht so gerne gesehen hätte, wenn ich selbst gespielt hätte“, verriet er. Im Sommer kam es dann zu einem offenen Austausch zwischen beiden Seiten. „Ich habe deutlich gemacht, dass ich hier spielen möchte - und zum Glück mein Wunsch erfüllt.“ Mit Niklas Dams ist ein weiterer WSV-Spieler, sogar der Kapitän, in der Baller League aktiv.
„Die Liga ist nicht mehr primär wichtig“
„Niklas, der Verein und ich stehen in ständigem Kontakt“, erzählte er. Dass es ein bisschen Angst wegen möglicher Verletzungen gebe, sei „kein Wunder“. Für ihn habe das Tagesgeschäft beim ehemaligen Bundesligisten aber immer „absolute Priorität“, stellte Terrazzino klar und fügte hinzu: „Ich bin einer der Führungsspieler in Wuppertal und will mit dem Verein durch die schwierigen Zeiten gehen“.
Sich über die Baller League wieder für höherklassige Vereine zu empfehlen, hat er nicht im Sinn. „Das ist zweitrangig und auf keinen Fall meine Intention. Denn so ehrlich muss man sein: Als Kreativspieler mit 33 Jahren noch einmal höher angreifen, puh, ich weiß nicht, das ist in Deutschland ein schwieriger Markt“, schmunzelte er. Zwar habe es das eine oder andere Gespräch mit Drittligisten gegeben, aber „das Paket in Wuppertal mit der Baller League ist für mich das Beste. Mit meiner Vergangenheit, all den Wechseln und Umzügen“, so Terrazzino, „ist die Liga nicht mehr das Wichtigste“.
Lieber lässt er sich mit seiner Frau in Nordrhein-Westfalen nieder - und genießt die neu gewonnene Nähe zu Kumpel Groß. „Man kann sich vorstellen, wie sehr wir uns freuen. Ich wohne in Bochum, das ist 20 Minuten von Dortmund entfernt“, betonte Terrazzino. „Wir freuen uns unglaublich, dass wir jetzt wieder so nah beieinander wohnen.“ In den vergangenen Jahren hatten sich die beiden nur sporadisch gesehen. Was jetzt noch fehlt, ist großer sportlicher Erfolg.