Teilhabe. Das Wort fällt häufig im Gespräch mit Oliver Dudek. Denn eben diese Teilhabe ist es, die in seinem Arbeitsalltag eine besondere Rolle spielt. Seit einem Jahr ist er bei „KickIn!“, der Beratungsstelle Inklusion im Fußball tätig. Deren Definition von Inklusion ist ganzheitlich:
„FlipKick“ will Barrieren abbauen
Am Ende geht es darum, allen Menschen die Teilhabe am Stadionerlebnis zu ermöglichen. Das passiert einerseits fortwährend, andererseits durch Projekte.
Projekte als Wegbereiter der Inklusion
Ein Weg, um für besondere Aufmerksamkeit zu sorgen, ist, diese mit sportlichen Großereignissen zu verknüpfen. Wobei das jeweilige Großereignis nur einen ersten Aufschlag verstärken soll, während die Projekte möglichst weit darüber hinaus ihre Wirkung entfalten.
Zur EM 2024 hat KickIn! gemeinsam mit dem Dachverband Deutscher Deaf-Fanclubs (DDDF) den Abbau von Barrieren für Gehörlose und hörbehinderte Fans in den Fokus gerückt. Allein in Deutschland sind rund 7,3 Millionen Menschen hochgradig schwerhörig, weitere knapp 85.000 gehörlos. Das bedeutet etwa 46.000 Fußballfans, ein mittelgroßes Stadion voll.
Noch viel zu tun
Tatsächlich gibt es an verschiedenen Fußballstandorten Ansätze, Barrieren abzubauen, sei es durch Videos mit Spieler*innen-Namen in Deutscher Gebärdensprache (DGS), Gehörlosen- und Gebärdensprachnutzblöcke oder Angebote zur Essenbestellung. Insgesamt sei das aber noch Stückwerk. Dabei ist Inklusion kein freundliches Angebot, sondern Notwendigkeit.
Wer tiefer in das Thema einsteigt, stellt fest: Es fehlt an Grundsätzlichem. Oder wer hat bei der Mitgliederversammlung des eigenen Vereins schon mal Gebärdensprachdolmetschende erlebt? Wo wird die Aufstellung auf den großen Leinwänden zugleich gebärdet? Und wie ist es um Lieder bestellt, die im Block angestimmt werden? Nachholbedarf wohin man sieht.
„FlipKick“: Ein Projekt für mehr Verständnis
Mit „FlipKick“ sollen Barrieren und gleichzeitig Berührungsängste abgebaut werden. An neun Standorten sind Videos produziert worden, in denen Kinder mit und ohne Hörbehinderungen gemeinsam Gebärden für Fußballbegriffe vorstellen. Diese geben online dauerhaft Einblicke in die Kommunikation mit DGS – übrigens seit 2002 anerkannt als eigenständige Sprache.
Dudek selbst, der früh ein Interesse für die Schnittmenge von Fußballbegeisterung und einer Verbesserung gesellschaftlicher Zustände entwickelte, hat in der Projektphase viel gelernt. Ihm sei, gesteht er, nicht klar gewesen, wie viele regionale Unterschiede es in der DGS gebe.
Zudem konnten die Kids an allen Standorten einen eigenen Begriff einbringen. So entstanden Gebärden für Nürnbergs „3 im Weggla“, Bielefelds Fabian Klos oder Hannovers „Alte Liebe“.
Inklusion beginnt mit Grundwissen
Wer in den Urlaub fährt, erkundigt sich vorab oft nach den Wörtern für „Danke“, „Bitte“ oder „Hallo“, beschreibt Dudek. Warum aber fällt es Hörenden offenbar schwer, ein Grundwissen an Gebärden zu lernen, um kommunizieren zu können? Die Kinder in den Videos machen vor, wie einfach das bei entsprechendem Interesse gehen kann.
Daneben ist ein Daumenkino mit Fußballbegriffen entstanden. Denn Inklusion meint nicht nur, Menschen mit Hörbehinderung die Zugänge zu ermöglichen, die für Hörende selbstverständlich sind, sondern auch, dass die sich umgekehrt selbst befähigen, in der DGS ein paar Basics kommunizieren zu können.