Xabi Alonso wunderte sich schon bei Leverkusens Generalprobe gegen Real Betis (1:1) am vergangenen Wochenende. In der BayArena war die Stimmung längst nicht so gut, wie es der Spanier mittlerweile gewohnt ist. Erst beim traditionellen Fan-Treffen am Dienstag klärten ihn die Anhänger auf, was der Grund dafür war.
Mehr Ärger als Vorfreude
Die Saisoneröffnung sei eher ein Event für Familien, hieß es da, so kam die gewohnte Atmosphäre nicht auf. Doch auch beim zweiten Heimspiel nach dem Double-Gewinn müssen die Rheinländer wie ihr Gegner VfB Stuttgart auf lautstarken Support verzichten. Die aktiven Fanszenen beider Klubs wollen den Supercup (Samstag ab 20 Uhr im LIVETICKER) boykottieren und nicht dabei sein. Erneut ist die Deutsche Fußball Liga (DFL) Zielscheibe ihres Frusts.
Seit Jahren ist die Beziehung zwischen den treuesten Anhängern und dem Veranstalter eine ziemlich schwierige. Auch in diesem Fall. Der Supercup sei aus Sicht der aktiven Fanszenen nur eine belanglose Kommerzveranstaltung - einen sportlichen Ansporn sehen sie nicht. Sowohl in Leverkusen als auch in Stuttgart ist der Ärger folglich groß. Beide Gruppen verschafften sich mit deutlichen Statements Luft und erläuterten ihren Verzicht.
Fan-Wut: „Kirmespokal statt Pokalwochenende“
„Der DFL-Supercup hat aus unserer Sicht keinerlei sportlichen Reiz als Wettbewerb und dementsprechend für uns keine Relevanz, die ein organisiertes Auftreten rechtfertigen würde“, teilten die Stuttgarter Ultra-Gruppen um das Commando Cannstatt mit. Erschwerend komme hinzu, dass durch die Ansetzung des Supercups eine weitere englische Woche im ohnehin schon eng getakteten Kalender entstehe, weil die Erstrundenpartie des DFB-Pokals für beide Mannschaften verschoben werden muss.
Für den VfB geht es nun am 27. August zur ersten Pokal-Runde nach Münster, die Werkself gastiert einen Tag später in Jena - so müssten sich die Ultras für die weite Reise unter der Woche extra Urlaub nehmen. Ein Unding, wie auch aus Leverkusen zu hören ist. „Der Sinn des Supercups erschließt sich vielen Fans sowieso nicht und ist kein Titel, der jemals irgendwo auf die Visitenkarte kommen würde. Der Double-Sieger gegen den Vizemeister um einen Pokal. Das könnte auch einfach irgendwann stattfinden“, ließen die eingefleischten Bayer-Anhänger explizit verlauten.
„Kirmespokal statt Pokalwochenende - nicht mit uns“, heißt das Motto des Dachverbands Nordkurve12 Leverkusen. „Die erste Pokalrunde ist immer etwas Besonderes für jeden Fan. Auch Jena wäre dies gewesen. Mit der Terminierung auf das Pokal-Wochenende nimmt man den Fans von gleich vier Pokal-Teilnehmern nicht nur den traditionellen Saisonauftakt, man verpasst uns auch ein weiteres Pflichtspiel unter der Woche obendrauf.“ Demnach wolle die organisierte Fanszene mit dem Boykott des Supercups ein Zeichen gegen die „Zerstückelung des DFB-Pokals“ setzen.
VfB-Coach Sebastian Hoeneß sagte am Donnerstag, er habe für den angekündigten Boykott der Ultras „Verständnis“. Das Spiel nehme der 42-Jährige trotzdem „sehr ernst.“ Er meinte: „Das ist kein Testspiel, es ist ein offizielles Pflichtspiel. Darüber hinaus werden ein offizieller Pokal und ein offizieller Titel vergeben. Es ist zugleich das letzte Spiel vor dem Bundesligastart, der natürlich eine höhere Wertigkeit hat, das wissen wir einzuordnen. Wir spielen aber dennoch einen Titel aus und nehmen das sehr ernst.“
Auch Stuttgarts Boss wütete wegen Supercup
Was die sportlichen Themen im Vorfeld aber zusätzlich trübt: Nicht nur wegen des Fernbleibens der Ultras gab es bereits eine Menge Frust - auf Seiten des schwäbischen Vizemeisters stieß einigen auch die Wahl des Austragungsorts durchaus sauer auf. Stuttgarts Boss Alexander Wehrle kritisierte das DFL-Präsidium gar scharf, weil das Spiel in der Arena des Double-Siegers statt im EM-Stadion des VfB ausgetragen wird.
„Die Entscheidung des DFL-Präsidiums, den Supercup nicht in einem der modernsten Stadien Deutschlands mit dem im Vergleich doppelten Fassungsvermögen von 60.000 Plätzen auszutragen und diesen Wettbewerb dadurch mehr Fußballfans zugänglich zu machen, ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar“, brachte Wehrle seine Empörung auf der Homepage des Klubs an die Öffentlichkeit: „Stuttgart und der VfB hätten diese Wertschätzung verdient gehabt.“
Etwas aufheitern dürften Wehrle zumindest die mit dem Supercup verbundenen Mehreinnahmen. Der Sieger kassierte im vorherigen Jahr 3,5 Millionen Euro, das unterlegene Team nahm immerhin noch 2,5 Millionen Euro mit. Hinzu kommt die Aussicht, nach langen 17 Jahren wieder einen Pokal in den Himmel recken zu können - ganz egal, welchen Stellenwert dieser letztlich hat.
Für den VfB wäre es der erste Titel seit 2007, als der Klub letztmals Meister wurde. 1992 gewann Stuttgart den Supercup gegen Hannover 96 mit 3:1.