Benjamin Henrichs spricht im exklusiven SPORT1-Interview über den erfolgreichen Saisonstart von RB Leipzig und seine Rolle als Teamhead in der neuen Icon League von Toni Kroos.
„Kroos hat richtig Bock auf die Sache“
Der Nationalspieler gibt Einblicke in die Herausforderungen und Erwartungen an seine neue Aufgabe, die besondere Dynamik der Icon League und erklärt, wie er es schafft, seine Karriere als Profifußballer mit den neuen Aufgaben zu vereinbaren. Außerdem verrät der 27-Jährige, was für ihn den besonderen Reiz des Projekts ausmacht und warum er fest an den Erfolg der neuen Liga glaubt.
SPORT1: Herr Henrichs, der Saisonstart war für Sie und RB Leipzig erfolgreich. Wie haben Sie den Bundesligaauftakt und die Vorbereitung erlebt?
Benjamin Henrichs: Es war ein guter und wichtiger Start. Spiele gegen Bochum sind immer intensiv. Gegen den VfL waren es zuletzt meist Arbeitssiege – diesmal auch. Die Temperaturen waren wahnsinnig. Ich glaube, ich habe in Deutschland noch nie bei einem solchen Wetter gespielt. (lacht) Es war einfach wichtig, dass wir die drei Punkte mitgenommen haben.
Henrichs über seine Doppelrolle als Spieler und Teamhead
SPORT1: Wie sehen die Ziele aus? Was ist für RB Leipzig drin? Mit Leverkusen, Stuttgart, Dortmund und Bayern hat RB ja starke Konkurrenz an der Spitze.
Henrichs: Es ist schwer einzuschätzen. Unser Vorteil ist, dass wir bis auf Dani Olmo den fast gleichen Kader haben. Mit Antonio Nusa haben wir aber jemanden dazubekommen, der uns sofort weiterbringt. Ich habe die letzten vier Jahre in Leipzig drei Titel [DFB-Pokal 2022 und 2023; DFL-Supercup 2023 – Anm. d. Red.] geholt. Es wäre schön, wenn diese Saison noch einer dazukommt.
SPORT1: Egal welcher?
Henrichs: Egal welcher! Aber wenn ich es mir wünschen könnte, dann natürlich die Champions League. (lacht)
SPORT1: Sie persönlich haben ein neues Projekt gestartet. Sie sind in der neuen Icon League Teamhead von „B2B United“. Wie kam es dazu?
Henrichs: Ich kenne Elias Nerlich, der neben Toni Kroos einer der Initiatoren der Liga ist, schon länger persönlich. Einige Kumpels von mir aus der Mittelrheinliga haben mich dann ständig gefragt, wie man bei der Icon League mitspielen kann. Die wollten da alle unbedingt mitmachen. Also habe ich mit Eli gesprochen und der meinte, dass er mich ohnehin kontaktieren wollte und ob ich nicht Lust hätte, ein Team zu übernehmen. Wir hatten dann ein gemeinsames Zoom-Meeting, wo man mir das ganze Projekt vorgestellt hat. Das hat mir gut gefallen und ich habe sehr gerne zugesagt.
SPORT1: Wie darf man sich Ihre Arbeit als Teamhead vorstellen? Wo liegen Ihre Aufgaben?
Henrichs: Ich bin mit meinem Teamhead-Kollegen Bilal Kamarieh in erster Linie für die Kaderzusammenstellung verantwortlich. Ich durfte drei Jungs von mir mit ins Team holen, die ich schon länger kenne. Mit einem habe ich sogar im Nachwuchsleistungszentrum zusammengespielt. Beim Draft Day kamen dann weitere Spieler dazu. Wir hatten ein bisschen das Pech, dass wir als letztes Team die Spieler auswählen durften, hatten dann aber großes Glück…
Social Media vs. Profi-Alltag
SPORT1: Wie sah das aus?
Henrichs: Toni Kroos wird am ersten Spieltag für unser Team mitspielen. Das wird für die Jungs sicher ein tolles Ereignis werden.
SPORT1: Werden Sie selbst denn an jedem Spieltag dabei sein?
Henrichs: Ich versuche, so oft wie möglich da zu sein. Aber ich habe natürlich meine eigenen Termine, Spiele und Trainingszeiten mit RB Leipzig. Deswegen habe ich nicht an jedem Spieltag Zeit. Bilal ist da ein bisschen flexibler und wird immer am Start sein.
SPORT1: Sie sprechen Bilal Kamarieh an. Er war selbst auf dem Weg, ein Star zu werden. Dann warf ihn früh ein Kreuzbandriss zurück. Heute ist er Content Creator. Wie blicken Sie auf seine Karriere?
Henrichs: Ich glaube, dass er sich das auch anders vorgestellt hat. Aber es ist toll, dass er einen Plan B hatte. Ich kann mich noch erinnern, wie vor einigen Jahren von Bilal geschwärmt wurde. Er war einer der besten Spieler des Jahrgangs 1996. Gefühlt hat halb Fußball-Deutschland über ihn geredet. Er hat alles auf die Karte Fußball gesetzt, es hat nicht geklappt, aber er ist jetzt trotzdem erfolgreich mit dem, was er tut. Ich freue mich jedenfalls, dass er mein Teamhead-Kollege ist.
SPORT1: Wie tauschen Sie beide sich aus? Telefonieren Sie ständig wegen des Teams?
Henrichs: Wir haben unfassbar viele WhatsApp-Gruppen. (lacht) Mit ihm persönlich schreibe ich immer per WhatsApp. Gerade war er im Urlaub und trotzdem haben wir uns oft abgesprochen. Es bringt sehr viel Arbeit mit sich.
SPORT1: Bilal ist auf Social Media bekannt geworden. Sie selbst sind auch ein kleiner Content Creator. Sie sind auf Instagram, TikTok und YouTube aktiv. Wie wichtig ist Ihnen das?
Henrichs: Man darf das nicht überschätzen und übertreiben. Ich will in erster Linie den Leuten zeigen, dass sie am Wochenende den Henrichs sehen, der vor tausenden Menschen spielt. Es gibt da eben aber auch Benny, der ein Bruder, Sohn oder Freund ist. Den will ich den Fans näherbringen. Für die ist das vielleicht was ganzes Neues, wenn sie den Alltag eines Fußballprofis sehen. Aber ich muss das natürlich mit den anderen Aufgaben in meinem Beruf in Einklang bringen. Deswegen kann ich auch nicht so kontinuierlich posten.
Icon League: „Überraschend hohe Qualität“
SPORT1: Welche Reaktionen aus der RB-Kabine gibt es, dass sie jetzt Teamhead in der Icon League sind? Gibt es Kollegen, die ein bisschen neidisch sind?
Henrichs: Nein, das denke ich nicht. Aber viele interessieren sich dafür. Nicolas Seiwald will zum Beispiel als reiner Zuschauer zum ersten Spieltag kommen. Christoph Baumgartner hat mich auch schon gefragt, wie es läuft und wollte Details wissen. Aber eifersüchtig ist da keiner. (lacht)
SPORT1: Welchen Fußball erwarten Sie in der Icon League? Wie hoch wird die Qualität sein?
Henrichs: Ich muss sagen, dass ich bei Trainings teilweise sehr überrascht war. Die Qualität war richtig gut. Das Problem ist, dass wir nur unsere Jungs sehen und die anderen Teams nicht wirklich einschätzen können. Das macht es aber umso spannender. Es sind Ex-Profis und Spieler aus der dritten, vierten und fünften Liga dabei. Das Niveau wird also nicht schlecht sein. Es ist ein guter Mix, aber mit normalem Fußball kann man es natürlich nicht vergleichen – wir spielen schließlich in der Halle mit Bande und speziellen Regeln.
SPORT1: Sie sprechen diese speziellen Regeln kann. Können die ein gesamtes Spiel drehen oder wird sich immer die grundsätzlich bessere Mannschaft durchsetzen?
Henrichs: Natürlich kann das passieren. Die Regeln sind ja dafür gedacht, mehr Action und Überraschungen reinzubringen. Es wird in jedem Fall eine neue Erfahrung.
SPORT1: Fürchten Sie sich vor einer speziellen Regel?
Henrichs: Nein, das nicht. Aber ich finde es gut, dass die letzten beiden Spielminuten netto gespielt werden. Die Uhr wird gestoppt, niemand kann auf Zeit spielen oder den Ball mal etwas langsamer holen, wenn er über die Bande gesprungen ist. Es geht schließlich um viel und jeder will gewinnen.
Henrichs: „Kroos steht jetzt mit meinen Jungs auf dem Platz!“
SPORT1: Sie haben Toni Kroos angesprochen. Wie war Ihre Reaktion darauf, dass er Ihrem Team zugeteilt wurde?
Henrichs: Beim Draft konnte ich nicht dabei sein, aber ein Kollege hat für mich quasi live getickert. Als dann klar war, dass Toni für uns spielen würde, war ich echt happy. Er hat mit all den Superstars von Real Madrid zusammengespielt und jetzt steht er mit meinen Jungs auf dem Platz! Das ist für mich ein tolles Gefühl.
SPORT1: Was erwarten Sie denn von Toni Kroos an der Seite – wie Sie sagen – Ihrer Jungs?
Henrichs: Ich bin sehr gespannt. Ich glaube, dass er nicht wie in einer Freizeitliga spielen wird. Er kann nochmal beweisen, dass er der vielleicht beste Spieler Deutschlands war. Auf dem kleinen Feld mit all den vielen Aktionen wird das spannend. Ich spreche auf jeden Fall vorher nochmal mit ihm, dass ich einiges von ihm erwarte. Drei Tore oder so wären schon gut. (lacht)
SPORT1: Wie haben Sie ihn während der EM bei der Nationalmannschaft erlebt?
Henrichs: Er hat ein wahnsinniges Standing. Es war auch etwas Besonderes für mich, mit ihm zusammenspielen zu dürfen. Da kam richtig der kleine Junge in mir heraus. Er ist ein Typ, mit dem man sich auch gut unterhalten kann. Er lässt nicht den Superstar heraushängen und ist ein sehr, sehr guter Typ. Wir haben während der EM auch schon über ein bisschen über die Icon League gesprochen.
SPORT1: Um was ging es da?
Henrichs: Robert Andrich, Antonio Rüdiger, Toni und ich haben uns immer wieder ausgetauscht. Jeder wollte wissen, wie es beim anderen gerade in Sachen Icon League läuft und wie es bei den einzelnen Teams aufgebaut ist. Eine besondere Verbindung habe ich zu Jordan Torunarigha und Sidney Friede. Jordan kenne ich, seit ich acht Jahre alt bin. Ich habe mit ihm in der Jugend-Nationalmannschaft zusammengespielt und jetzt spielen unsere Teams in der Icon League gegeneinander.
SPORT1: Warum glauben Sie, braucht Deutschland die Icon League? Es gibt doch bereits einen sehr attraktiven klassischen Fußball?
Henrichs: Es wird viel mehr Action vorhanden sein und es werden viele Tore fallen. Da kommen so richtige Straßenfußballer zusammen, die für Überraschungen sorgen werden. Es wird eine große Sache werden, da glaube ich fest daran. Dass der erste Spieltag in der Lanxess Arena ausverkauft ist, zeigt, wie groß die Vorfreude der Fans schon ist. Jetzt liegt es an uns, entsprechend abzuliefern.
Kreisliga-Stürmer? „Ich war geschockt, wie gut der ist“
SPORT1: Was bedeutet das Projekt Ihnen persönlich? Wird Sie das langfristig beschäftigen?
Henrichs: Ich warte mal diese Saison ab. Es ist wirklich sehr viel Arbeit, das habe ich vielleicht ein Stück weit unterschätzt. Aber dank meines Teams habe ich das gut hingekriegt. Ich hoffe, dass unsere Mannschaft erfolgreich ist, denn wir wollen nicht einfach nur mitspielen, sondern auch gewinnen. Wir trainieren regelmäßig – obwohl die Spieler aus allen Ecken Deutschlands kommen. Und mir ist wichtig, die Jungs zu einem Spiel von mir einzuladen. Sie besuchen mich, wenn wir mit RB in Leverkusen spielen.
SPORT1: Ist es denn möglich, dass ein Spieler aus der Liga den Sprung in den Profifußball schafft? Haben Sie einen Geheimtipp für uns?
Henrichs: Ganz ehrlich? Unser Stürmer Pascal Brossmann spielt aktuell in der Kreisliga A Berlin für Delay Sports. Ich war geschockt, wie gut der ist. Ich habe ihn bisher zwar nur in der Halle spielen gesehen, aber da war er richtig stark. Auf den bin ich sehr gespannt.
SPORT1: Was können Sie als gestandener Profi den jungen Spielern mitgeben?
Henrichs: Ich gehe davon aus, dass sie sehr nervös sein werden. Bis auf die Ex-Bundesligaspieler hat keiner von ihnen vor so großem Publikum gespielt. Sie sollen sich daher konzentrieren und nicht irgendwelche verrückten Dinge probieren. Da muss ich Ihnen am ersten Spieltag vielleicht ein bisschen die Angst nehmen.
Kroos? „Jetzt spielt er plötzlich mit ihm“
SPORT1: Und die Spieler stehen mit Toni Kroos auf dem Feld. Da werden sicher die Knie weich…
Henrichs: Genau, das denke ich auch. Einer meiner Freunde wollte während der EM ein Foto mit Toni, hat sich aber nicht getraut, zu fragen. Jetzt spielt er plötzlich mit ihm. So schnell kann es also gehen. Wenn wir bei Social Media etwas zu Toni posten, kommentiert er das oft. Das gibt den Jungs das gute Gefühl, dass er richtig Bock auf die Sache hat. Das macht es ihnen leicht, die Nervosität abzulegen.
SPORT1: Für Sie als Profi geht es immer ums Gewinnen, alle sind ehrgeizig. Könnte es auf dem Feld auch giftig werden?
Henrichs: Ich denke schon. Gerade wenn es Richtung Finalturnier geht, könnte es hitzig werden. Es geht nicht darum, dass man einfach nur locker kickt, sondern wirklich um Wettbewerb. Gerade in der Halle ist die Atmosphäre natürlich auch eine besondere. Das kenne ich noch von den Jugendturnieren.
SPORT1: Und wer gewinnt die Icon League?
Henrichs: Ich bin gespannt auf den FC Berlin City von Antonio Rüdiger und Luciano. Eli Nerlich hat ein Ranking gemacht und prognostiziert, dass die gewinnen. Mal schauen, ob er Recht behält.