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"Ich hätte bei Bayern mehr Geduld haben müssen"

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"Ich hätte bei Bayern mehr Geduld haben müssen"

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„Van Gaal wusste nicht, wer ich war“

Am Samstagabend kommt es zum Zweitliga-Kracher zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Hertha BSC. Im Interview mit SPORT1 spricht Alexander Baumjohann über seine Ex-Klubs. Zudem äußert sich der 37-Jährige zu seiner Zeit beim FC Bayern unter Louis van Gaal und seinen großen Zielen als Sportdirektor.
Der Hertha-Capo hat nach dem 2:0-Sieg vergangenen Samstag gegen den SSV Jahn Regensburg den Spielern eine klare Ansage bezüglich Transfers gemacht.
Reinhard Franke
Reinhard Franke
Am Samstagabend kommt es zum Zweitliga-Kracher zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Hertha BSC. Im Interview mit SPORT1 spricht Alexander Baumjohann über seine Ex-Klubs. Zudem äußert sich der 37-Jährige zu seiner Zeit beim FC Bayern unter Louis van Gaal und seinen großen Zielen als Sportdirektor.

Alexander Baumjohann hat eine bewegte Karriere hinter sich. Er spielte unter anderem für Schalke 04, Borussia Mönchengladbach, den FC Bayern, den 1. FC Kaiserslautern und Hertha BSC. Seine aktive Laufbahn beendete er im Mai 2023 beim australischen Klub Sydney FC, wo er jetzt als Sportdirektor arbeitet.

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Vor dem Topspiel der Zweiten Liga am Samstagabend zwischen dem FCK und den Berlinern (ab 19.30 Uhr LIVE im TV auf SPORT1) spricht der 37-Jährige im Interview bei SPORT1 über das Duell seiner Ex-Klubs, den FC Bayern, Louis van Gaal - und schwärmt von Max Eberl, der in Gladbach Baumjohanns Sportchef war.

SPORT1: Herr Baumjohann, Sie sind erst 37 und seit über einem Jahr Sportdirektor beim Sydney FC. Wie haben Sie sich in diesem Job bisher zurechtgefunden?

Alexander Baumjohann: Für mich war immer klar, wenn ich dem Fußball nach meiner aktiven Karriere treu bleibe, dann im Management und nicht als Trainer. Ich habe mich schon während meiner aktiven Zeit mit einem Studium in „International Sports Management“ vorbereitet und nach der Karriere bei der UEFA auch mein „Cerfificate in Football Management“ gemacht. Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich dann im neuen Job angefangen. Die Position des Sportdirektors gab es im Verein vorher noch nicht und wurde für mich neu kreiert. Ich wurde sozusagen ins kalte Wasser geschmissen. Mir wurde alles auf den Schreibtisch gelegt und ich habe ohne große Hilfe losgelegt.

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„Einfach nur großartig, was Max Eberl aufgebaut hat“

SPORT1: Was machen Sie alles?

Baumjohann: Bei uns ist alles viel kleiner als in anderen Klubs im Weltfussball. Ich mache alles alleine: Vertragsverhandlungen, Verträge schreiben, Scouting, Datenanalyse, Budgeting und vieles mehr. Es ist sehr intensiv, aber für mich ein super Lernprozess, weil ich Einblicke in jede Abteilung bekomme. Ich hätte mir keine bessere erste Station vorstellen können und lerne jeden Tag dazu.

SPORT1: Trainer wie Jupp Heynckes und Ralf Rangnick haben Sie geprägt, Manager wie Rudi Assauer, Horst Heldt und Max Eberl ebenso. Haben Sie ein Vorbild als Sportdirektor?

Baumjohann: Wenn man sich daran erinnert, was Max (Eberl, d. R.) in Mönchengladbach aufgebaut hat, dann ist das einfach nur großartig. Er fing als Sportdirektor an, als ich bei Borussia gespielt habe. Max hat einen so großen Anteil am jahrelangen Erfolg des Vereins. Er hat Lucien Favre verpflichtet und dafür gesorgt, dass Borussia über viele Jahre international dabei war. Er ist ein großer Manager, deshalb ist Max jetzt auch beim FC Bayern. Ich halte sehr viel von ihm. Genauso wie von Rudi Assauer, der leider vor fünf Jahren von uns gegangen ist. Er war damals auf Schalke mein erster Sportdirektor, als ich mit 16 meinen ersten Profivertrag bei den Königsblauen unterschrieben habe. Assauer ist wirklich eine Legende auf Schalke. Der Klub hätte sich niemals so entwickelt ohne ihn. Für mich ist er das Maß aller Dinge bei den Sportdirektoren. Ich habe so viel von Assauer gelernt, was ich jetzt versuche ähnlich umzusetzen.

SPORT1: Was zum Beispiel?

Baumjohann: Ehrlichkeit und Offenheit. Assauer war immer geradeaus zu dir. Auch, wenn es unangenehme Gespräche waren. Assauer war immer ehrlich zu einem. Seine Autorität und Ausstrahlung waren unglaublich. Jeder hatte Respekt vor ihm. Er war Mister Schalke.

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SPORT1: Sie sagten mal: „Es wird nicht mehr lange dauern, dann ist Fußball in Australien die Sportart Nummer 1.“ Wie lange dauert es noch?

Baumjohann: Solche Spieler wie Douglas (Ex-Bayern-Spieler Douglas Costa wechselte gerade zu Sydney FC, d. R.) werden das nochmal beschleunigen. Wir haben im Verein die Philosophie, junge Spieler zu entwickeln und sie dann zu verkaufen. Die Klubs schreiben alle rote Zahlen, auch wir, obwohl wir der größte und erfolgreichste Verein in Australien sind. Wir müssen junge Spieler entwickeln und sie dann bestmöglich verkaufen. Wir haben zuletzt mit Jake Girdwood-Reich in die MLS verkauft. Das war unser Rekordtransfer. Es ist wichtig, die richtige Balance zwischen jungen und erfahrenen Spielern zu finden. Wenn das gelingt, wird das Spiel auch attraktiver. So können wir mehr Fans ins Stadion locken.

„Hertha BSC ist die Nummer 1 in Berlin“

SPORT1: Am Samstag spielt der 1. FC Kaiserslautern gegen Hertha. Wie schauen Sie auf das Duell Ihrer beiden Ex-Vereine?

Baumjohann: Ich schaue mir generell an, was meine früheren Klubs so machen. Der Start des FCK war sehr ordentlich, trotz der Unruhe um ihren Topstürmer Ragnar Ache. Hertha dagegen ist nicht so gestartet, wie man sich das vorgestellt hat. Im Heimspiel gegen Jahn Regensburg haben sie erst spät die Tore gemacht. Ich drücke dem FCK und auch der Hertha beide Daumen. Ich bin sehr gespannt, wie das Spiel ausgehen wird.

SPORT1: Glauben Sie, dass mit FCK-Trainer Markus Anfang etwas Großes entstehen kann. Die Pfalz träumt wieder mal vom Aufstieg. Wie sehen Sie es?

Baumjohann: Natürlich muss der FCK wieder in die Bundesliga, aber so denkt man auch über fünf, sechs andere Vereine in der Liga. Ganz vorne Schalke und der HSV. Ich hatte eine sehr gute Zeit in Kaiserslautern, wenn es auch nur eine Saison war. Die Fans und dieses Stadion sind unglaublich. Es ist eines der coolsten Stadien in Deutschland. Ich wünsche dem FCK den Aufstieg, aber genauso wünsche ich es Schalke und Hertha. Man darf aber nicht vergessen, dass Lautern vor einigen Jahren fast in die Regionalliga abgestiegen wäre. Man muss beim FCK vorsichtig sein und Schritt für Schritt denken. Man ist jetzt gut in die Saison gekommen und ich hoffe, dass sich das fortsetzt.

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SPORT1: Redet man in Lautern zu viel von alten Zeiten und vernebelt das Traditionsverein-Gerede den Blick für die Realität?

Baumjohann: Auch das gilt vor allem für Schalke, den HSV und die Hertha. Man sollte generell mehr im Hier und Jetzt leben. Der FCK ist besser als die vergangene Saison. Wenn man sich peu à peu nach oben arbeitet, bleibt es nicht aus, dass man irgendwann wieder aufsteigt.

SPORT1: Bei der Hertha war es ähnlich, da redeten alle jahrelang nur vom Big City Club. Hing das dem Klub wie ein Klotz am Bein?

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Baumjohann: Nein, das denke ich nicht. Hertha BSC ist die Nummer 1 in Berlin, auch wenn Union in der Ersten Liga spielt. Wenn die Alte Dame irgendwann die Kurve bekommt, dann kann sich die Hertha zu einem Topklub in Deutschland entwickeln. In den vergangenen Jahren hat man nicht wirklich glücklich ausgesehen, gerade, was Transfers anging. Da wurden viele falsche Entscheidungen getroffen. Viele mögen das Olympiastadion nicht, aber es hat etwas Besonderes. Hertha BSC gehört in die Bundesliga.

„Van Gaal wusste einfach nicht, wer ich war“

SPORT1: Wo war Ihre schönste Zeit in Deutschland?

Baumjohann: Ich hatte überall gute Zeiten. Meine Karriere verlief wie eine Achterbahn. Es gab bei mir überall Höhen und Tiefen. Es gibt wenige Spieler außer Ronaldo oder Messi, wo es immer nur optimal läuft. Mit Gladbach haben wir den Abstieg verhindert. Auf Schalke wurde ich Pokalsieger und wir haben im Champions-League-Halbfinale gespielt. Selbst meine Zeit bei Bayern war für mich sehr lehrreich. Ich würde nicht sagen, dass irgendwo meine schönste Zeit war.

SPORT1: Hätten Sie sich die Bayern Zeit sparen können?

Baumjohann: Nein. Ich bereue, dass ich nicht länger bei Bayern geblieben bin. Aber ich war jung und wollte unbedingt spielen. Nach nicht mal sechs Monaten hatte ich den Entschluss gefasst, den Verein wieder zu verlassen. Jupp Heynckes, mein großer Mentor, wurde wenige Monate nach meinem Abschied bei Bayern dort Trainer. Es lief sehr unglücklich für mich. Ich hätte bei Bayern mehr Geduld haben müssen. Es war nicht falsch, nach München zu wechseln, es war falsch, zu schnell wieder zu gehen.

SPORT1: War es unter Louis van Gaal wirklich so schlimm? Er hat sie kaum beachtet.

Baumjohann: Was heißt kaum beachtet? Van Gaal wusste einfach nicht, wer ich war. Er kannte mich nicht. Als ich bei Bayern unterschrieben habe, war Jürgen Klinsmann noch Trainer. Der Plan war ganz anders. Es wurden auch noch Spieler für meine Position verpflichtet. Ich hätte mir bei Bayern mehr Unterstützung und Rückendeckung gewünscht.

SPORT1: Bei Schalke haben Sie unter Felix Magath gespielt. Er setzte auf Sie. War es unter ihm so hart, wie oft gesagt wird?

Baumjohann: Auch bei Magath gab es Höhen und Tiefen. Und damit meine ich nicht die Läufe über die Hügel. (lacht) Ich habe ein reines Gewissen, was meine Karriere angeht. Egal, was mit Trainern passierte, die nicht gut klargekommen sind mit mir. Oder ich mit ihnen. Van Gaal hat mir jetzt wieder über einen Niederländer bei uns im Vorstand Grüße ausgerichtet, darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich bin auf jeden Fall nicht nachtragend und freue mich immer von Trainern, Sportdirektoren und Spielern zu hören, mit denen ich zusammenarbeiten durfte.

SPORT1: Sie sagten mal in einem Interview „Schalke macht mir Angst“. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?

Baumjohann: Schalke ist und bleibt für mich etwas ganz Besonderes. Ich habe dort über zehn Jahre gespielt und schaue viel dorthin. Mit Matthias Tillmann haben sie einen sehr guten Vorstandsvorsitzenden, der den Klub auch liebt und alles Mögliche versucht, im Sinne des Vereins zu handeln. Momentan ist Schalke aber im Komplettumbruch und muss abwarten, in welche Richtung sich das entwickelt.

„Irgendwann werde ich bei einem Topverein arbeiten“

SPORT1: Wäre es ein Traum, als Sportdirektor nach Deutschland zurückzukehren?

Baumjohann: Ja. Irgendwann werde ich bei einem Topverein arbeiten. Es muss aber nicht unbedingt in Deutschland sein. Wann das sein wird, steht noch in den Sternen. Ich mache mir da keinen Druck. Natürlich wäre es etwas besonders, Sportdirektor auf Schalke zu sein. Aber auch bei Borussia Mönchengladbach oder der Hertha. Zu diesen Klubs habe ich nun mal eine enge Verbindung. Ich hatte zuletzt schon immer mal wieder Anfragen von Vereinen aus der ganzen Welt, aber ähnlich wie als Spieler, ist es als Sportdirektor wahrscheinlich noch wichtiger, die richtige Entscheidung zu treffen. In der Zukunft werde ich auf jeden Fall auf höchstem Niveau arbeiten, es ist nur eine Frage der Zeit.

SPORT1: Sie sind ein großer Fan von Max Eberl. Kann er den FC Bayern dauerhaft wieder zur Nummer 1 machen?

Baumjohann: Ich denke, Bayern hat eine gute Chance, dieses Jahr wieder Meister zu werden. Für Max ist es gerade auch ein Lernprozess. Wenn du bei Bayern arbeitest, dann weißt du, dass du nie Ruhe hast. Ähnlich wie auf Schalke. Ich bin fest davon überzeugt, dass Max den FC Bayern wieder ganz nach oben führen wird. Seine Situation ist ein bisschen ähnlich wie bei mir. Als ich letztes Jahr im Mai bei Sydney FC anfing, konnte ich auch noch nicht so viel im Kader ändern und der Mannschaft meinen Stempel aufdrücken. Jetzt sieht das anders aus. Max ist auch erst einige Monate da und da dauert es, bis du der Mannschaft ein Gesicht geben kannst. Bayern wird schon bald wieder das Maß aller Dinge sein.

SPORT1: Wäre Leon Goretzka einer für Sie? Bei Bayern hat er wohl keine Zukunft mehr.

Baumjohann: Natürlich. Wir haben aber leider keinen Ausländerplatz mehr frei. (lacht)

SPORT1: Erst sollte Julian Nagelsmann Bayern-Trainer werden, dann Ralf Rangnick und am Ende wurde es „nur“ Vincent Kompany. Wie sehen Sie es?

Baumjohann: Ich bin immer für junge, ambitionierte Trainer, Spieler und Manager. Man sieht es an Marcel Schäfer bei RB Leipzig, Clemens Fritz bei Werder Bremen oder Simon Rolfes bei Bayer Leverkusen. Alles junge, gute Typen. Diese Entwicklung finde ich gut. So ist es auch im Trainerbereich, wie man Fabian Hürzeler sieht, der jetzt bei Brighton & Hove Albion Trainer ist. Er ist der jüngste Coach in der Premier League Geschichte. Und Kompany hat bei Burnley super Arbeit abgeliefert, hat mit über 100 Punkten einen Rekord in der Championship gebrochen. Als Spieler mochte ich ihn immer. Er war unter Guardiola Kapitän bei ManCity, deshalb glaube ich, dass es eine gute Entscheidung ist, ihn zum Bayern-Trainer zu machen. Aber: Man muss Kompany Zeit geben.

SPORT1: Jonathan Tah muss bei Bayer Leverkusen bleiben. Finden Sie das gut?

Baumjohann: Wenn der Preis nicht stimmt, warum sollte man den Spieler dann abgeben? Simon Rolfes hat das gut gemacht. Die Leverkusener haben es in der Hand, und ich finde es gut, dass sie nicht nachgegeben haben. Wenn man überzeugt ist, dass ein Spieler sportlich so wertvoll ist, dass er dir hilft, in der Champions League weit zu kommen und dadurch als Verein natürlich auch viel Geld zu verdienen, dann ist es manchmal klüger, den Spieler zu halten, selbst wenn das bedeutet, dass man ihn nach der Saison möglicherweise ablösefrei verliert.

SPORT1: Was würden Sie heute dem jungen Baumjohann raten?

Baumjohann: Ich würde ihm raten, es jeden Tag zu genießen auf dem Platz zu stehen, hart zu arbeiten und geduldig zu sein. Die Karriere geht so schnell vorbei. Es gibt keinen besseren Job als Fußballprofi.

SPORT1: Was tippen Sie für Samstag?

Baumjohann: 2:2.