Liebe Fußball-Freunde,
Eberls schwierigste Aufgabe
die EM in Deutschland ist vorbei und in weniger als sechs Wochen beginnt schon die neue Bundesliga-Saison. Nach einer titellosen enttäuschenden Vorsaison war klar, dass der FC Bayern auf dem Transfermarkt aktiv werden und sich nach neuen Verstärkungen umschauen würde, um wieder in die Erfolgsspur zu finden.
23,5 Millionen Euro für Hiroki Ito, 51 Millionen Euro für Joao Palhinha und 53 Millionen Euro für Michael Olise sind die ersten Investitionen der Bayern-Verantwortlichen, die offenbar schon früh in der Transferperiode einen Haken hinter ihre Neuverpflichtungen machen wollen.
Olise ist ein absolutes Mega-Talent
Die Transfers gefallen mir durchaus gut. Wunschspieler Palhinha ist mit einjähriger Verspätung nun doch beim FC Bayern gelandet - und mit Olise wird die Offensive verstärkt. Gerade den Wechsel des 22-Jährigen nach München finde ich äußerst spannend, Olise ist ein absolutes Mega-Talent.
Dass der Franzose in der zurückliegenden Premier-League-Saison jedoch ganze 18 Spiele verletzungsbedingt verpasste, birgt ein gewisses Risiko. Denn nicht zu vergessen: Auch andere Offensivspieler wie Kingsley Coman, Serge Gnabry oder auch Leroy Sané sind verletzungsanfällig.
Hinzu kommt: Olise kommt spät zurück, spielt Olympia, was eine Mehrbelastung ist. Erst Anfang August ist mit ihm zu rechnen, wenige Tage später steht für die Bayern in Ulm das erste Pflichtspiel der Saison auf dem Programm. So wird es sicher etwas dauern, bis sich Olise voll integriert werden kann. Seine Qualitäten täuschen aber nicht darüber hinweg, dass er ein Unterschiedsspieler für Vincent Kompany werden kann.
Bayern hat ein Überangebot
Knapp 130 Millionen Euro Ablöse hat Bayern also für drei Neuzugänge ausgegeben. Logisch, dass nun auch Spieler den Verein verlassen müssen, um sich die neuen Stars finanzieren zu können. Vor allem auf den offensiven Flügeln hat der deutsche Rekordmeister ein Überangebot. Was passiert mit einem Gnabry, einem Coman oder auch einem Sané?
Mathys Tel und Bryan Zaragoza sind zwei weitere talentierte Spieler, die auf den Außen zum Einsatz kommen können. Was müssen diese Spieler denken, wenn neben der ohnehin namhaften Konkurrenz noch ein Olise verpflichtet wird?
Feststeht: Für Sportvorstand Max Eberl und Sportdirektor Christoph Freund wird es eine schwierige Aufgabe, die Balance zu finden. Wie viele Spieler will der Klub abgeben, wie viele muss er abgeben? Hat der FC Bayern zu viele Spieler im Kader, ist Unruhe vorprogrammiert.
Gnabry-Verbleib?
Auch die Zukunft von Joshua Kimmich und Matthijs de Ligt ist ungewiss, der Niederländer wird mit einem Wechsel zu Manchester United in Verbindung gebracht. Die vergangene Saison lief nicht wie erhofft, der Innenverteidiger hat nie voll und ganz das Vertrauen von Thomas Tuchel zu spüren bekommen.
Jede Woche bot Tuchel eine neue Innenverteidigung-Paarung auf, keiner der Abwehrsäulen um de Ligt, Dayot Upamecano und Min-Jae Kim konnte sich gesetzt fühlen. Solche Spieler brauchen das Vertrauen, um Top-Leistungen abzurufen. Upamecano hat für Frankreich bei der EM hervorragend gespielt, weil er das Vertrauen von Didier Deschamps bekam. Damit hat sich der FC Bayern keinen Gefallen getan.
Eine weitere Problematik für die Bayern-Bosse: Wollen die Spieler überhaupt gehen oder doch ihre Karriere in München fortsetzen? Gnabry streicht kolportierte 19 Millionen Euro im Jahr ein, in seinem Interesse steht mit Sicherheit ein Verbleib.
Wenn er zu 100 Prozent fit ist, kann er ein Unterschiedsspieler sein, obwohl er seinem Klub zuletzt nicht viel zurückzahlen konnte. Es wird Eberls schwierigste Aufgabe, Spieler wie ihn von der Gehaltsliste runterzubekommen.
Nagelsmann änderte Wirtz-Pläne
Auch wegen seiner vielen Verletzungen spielte Gnabry bei den EM-Planungen von Bundestrainer Julian Nagelsmann keine Rolle. Der Ex-Bayern-Trainer setzte stattdessen auf Teamkollege Jamal Musiala und Leverkusens Florian Wirtz, die im Turnier seine Nummer-eins-Optionen in der Offensive werden sollten.
Spielten die beiden Jungstars in der Gruppenphase noch Seite an Seite, ließ Nagelsmann Wirtz gegen Dänemark und Spanien aber zunächst auf der Bank.
So brach Nagelsmann mit dem Vertrauen in Wirtz - und Vertrauen ist sehr wichtig. Das darf dann eigentlich nicht sein.
Bis bald
Euer Stefan Effenberg
Stefan Effenberg hat 2001 mit dem FC Bayern die Champions League gewonnen. Mit den Bayern und Borussia Mönchengladbach wurde er zudem mehrmals Deutscher Meister und Pokalsieger. Seit Sommer 2018 gehört der 55-Jährige zum festen Experten-Team des STAHLWERK Doppelpass auf SPORT1.