Die gesamte Fußballwelt stand vor drei Jahren still.
Als die Fußball-Welt still stand
In der 43. Minute im EM-Vorrunden-Spiel Dänemark gegen Finnland erlitt der Däne Christian Eriksen am 12. Juni 2021 einen Herzstillstand, brach zusammen und musste auf dem Spielfeld reanimiert werden.
Die Bilder, wie sich die dänische Mannschaft angeführt von Kapitän Simon Kjaer um den auf dem Bogen liegenden Eriksen versammelte und sich schützend vor ihn stellte, gingen um die Welt und weckten böse Erinnerungen an die tödlichen Tragödien um Marc-Vivien Foé und Miklos Feher.
Die Fans im Kopenhagener Stadion Telia Parken sowie alle Zuschauer an den TV-Bildschirmen schauten bangend zu und hofften, dass es dem damals 29 Jahre alten Eriksen nicht genauso ergehen würde.
Defibrillator zwang Eriksen zu Wechsel
„Ich fühlte mich gut. Es deutete nichts darauf hin, dass es mir schlecht ginge. Alles war normal“, blickte Eriksen Anfang des Monats im Podcast „Sommeren 21″ des dänischen Rundfunks DR auf die verhängnisvollen Momente zurück.
Der Ball sei gegen sein Knie geprallt, dann habe er „so etwas wie einen Krampf in der Wade“ gespürt. „Dann war ich weg.“ Einer von Eriksens Teamkollegen, der sofort zur Stelle war, war der heutige Wolfsburger Joakim Maehle: „Ich habe gesehen, wie er auf der Seite lag, seine Augen waren komplett verdreht.“
Der Teamarzt habe dann mitgeteilt: „'Er hat keinen Puls.‘ Und ich dachte: Das kann richtig schlimm ausgehen.“ Eriksens Erinnerungen sind wage: „Ich habe auf dem Rücken gelegen und gemerkt, dass auf mir herumgedrückt wird. Ich hörte leise, entfernte Stimmen, die Ärzte haben gesprochen.“
Das Drama nahm ein gutes Ende für Eriksen: Er kam mit dem Leben davon. Eriksen wurde nach der Wiederbelebung ins Krankenhaus gebracht. Bereits kurze Zeit später wurde die gute Nachricht übermittelt, dass er stabil sei. „Einer unserer Ärzte wurde gefragt, wie lang ich weg gewesen sei. Etwa drei oder vier Minuten lautete die Antwort“, schilderte Eriksen. „Ich wusste nicht, dass ich schon im Himmel war.“
Nach vielen ärztlichen Untersuchungen wurde dem heute 31-Jährigen ein Defibrillator eingesetzt. Der Eingriff hatte zur Folge, dass Eriksen sich als Fußballer neu orientieren musste.
Aufgrund des Defibrillators durfte er gemäß dem Regelwerk des italienischen Verbandes nicht mehr in seiner vorherigen Wahlheimat spielen, der Vertrag bei seinem damaligen Arbeitgeber Inter Mailand wurde im Dezember 2021 aufgelöst.
Hollywoodreifes Comeback gegen die Niederlande
Ein Karriere-Ende kam für den Mittelfeldspieler allerdings nicht infrage: In der Winterpause unterschrieb er einen Kontrakt beim FC Brentford in der englischen Premier League - wo er schon zwischen 2013 und 2020 für Tottenham Hotspur aktiv war.
Eriksen avancierte in Brentford zum Stammspieler und wurde wieder für die Nationalmannschaft nominiert - wo er gegen die Niederlande ein hollywoodreifes Comeback feierte.
Bei seiner Einwechslung erhoben sich sowohl die dänischen als auch niederländischen Zuschauer in der Johan-Cruyff-Arena und bejubelten die Rückkehr des Mittelfeldspielers. Wäre der Gänsehautmoment an seiner alten Wirkungsstätte in Amsterdam nicht genug gewesen, krönte Eriksen seinen Einsatz mit einem Traumtor. Nahezu die komplette Mannschaft kam angelaufen und herzte ihren Spielmacher.
Karriere bei Manchester United läuft gut
Im Sommer 2022 machte Eriksen den nächsten Schritt: Er ging zu Manchester United, wo er das Vertrauen von Trainer Erik ten Hag bekam - der den früheren Jugendspieler von Ajax Amsterdam aus den gemeinsamen Zeiten in den Niederlanden gut kannte.
Auch bei United avancierte Eriksen schnell zum Stammspieler und überzeugte Skeptiker wie Rio Ferdinand, die anfangs an Eriksens Leistungsvermögen zweifelten: In seinem zweiten Jahr, auch ausgebremst durch eine Knieverletzung, wurden die Einsatzzeiten weniger. Wettbewerbsübergreifend 28 Einsätze und knapp 1500 Minuten sind dennoch weit mehr, als sich Eriksen vor rund drei Jahren ausgemalt hätte.
„Für mich war es viel wichtiger, einfach zurückzukommen und ein Mensch zu sein, als zurückzukommen und irgendetwas anderes zu tun“, erklärte er in einem Interview mit dem Telegraph: „Für mich war das erste Ziel, zurückzukommen und ein Vollzeit-Vater und ein Vollzeit-Freund zu sein. Das ist für mich das Wichtigste.“ Eriksen hat zwei Kinder mit seiner Partnerin Sabrina Kvist.
Eriksens Sicht auf den Sport hat sich verändert
Was Eriksen gelernt hat? „Die Zeit zu genießen, in der man hier ist, und alles zu genießen, was kommt“, sagt er. Seine Karriere sehe er inzwischen mit neuer Gelassenheit.
Es gehe darum, „Fußball zu spielen, wenn es Spaß macht. Und wenn es keinen Spaß macht, sollte man etwas anderes machen.“
Eine WM hat Eriksen seit dem Schock von Kopenhagen bereits gespielt, bei der EM in Deutschland schließt sich der Kreis. „Alles, was weiter geht als ein Spiel, wird für mich besser sein als beim letzten Mal“, sagte er vor der Begegnung gegen Slowenien in Stuttgart (18.00 Uhr im LIVETICKER) scherzend. „Es ist jetzt drei Jahre her, und es ist nicht vergessen, was passiert ist. Aber es ist nichts, was mich zurückhält. Ich freue mich einfach darauf, zu spielen.“
Ob Eriksen bei den Dänen in der Startelf steht, ist offen. Doch darauf kommt es längst nicht mehr an.