Seit dem Vorjahr verantwortet Hannes Wolf die neue „Trainingsphilosophie Deutschland“. Als DFB-Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung versucht er - zusammen mit Kollegen wie Hanno Balitsch, Hermann Gerland oder Lena Lotzen -, deutschlandweit die Eltern, Trainer und Kinder von den neuen Ideen für den Trainingsalltag zu überzeugen.
„Jürgen ist Wahnsinn, unglaublich“
Wie der Ex-Trainer vom VfB Stuttgart, Hamburger SV und Bayer Leverkusen das anstellt, was seine Arbeit mit Leadership zu tun hat, was er von Kollegen wie Jürgen Klopp und Peter Herrmann gelernt hat und wieso er aktuell nicht an einen Wechsel denkt - das erzählt der U-20-Nationaltrainer dem Business-Coach und Autor Mounir Zitouni in einer neuen Ausgabe des SPORT1-Podcasts Leadertalk.
Der DFB nennt die Offensive, mit der Neuerungen im Trainingsalltag von Kindern und Jugendlichen implementiert werden sollen, „Trainingsphilosophie Deutschland“. Mitverantwortlich: Hannes Wolf, der unentwegt durch die Republik tourt, um die Ideen vorzustellen.
„Wir haben das Konzept im Vorfeld mit unglaublich vielen Leuten besprochen und gechallenged. Daraus ist das Produkt Trainingsphilosophie Deutschland geworden. Wir haben das den A- bis C-Jugendtrainern der Nachwuchsleistungszentren vorgestellt. Alle waren da. Wir haben das vorgestellt und gefragt, wollt Ihr, dass wir das so machen? Wir haben 130-mal „ja“ gehört, keinmal „nein.“
Deswegen ist Wolf kein Alleinkämpfer
Aber Wolf ist kein Alleinkämpfer. Renommierte Namen haben zusammen mit ihm an dem Konzept gearbeitet. „Du brauchst diese verschiedenen Schultern. Ich habe ganz viel gemacht, aber ich habe selbst nicht ganz oben gespielt. Hanno Balitsch, Sandro Wagner, Lars und Sven Bender haben das. Wenn da auf einmal zehn Top-Leute sitzen, dann kriegen wir ein anderes Gehör, als wenn das einer sagt.“
Wolf besonders wichtig: die Entwicklung von individueller Qualität. „Wir schauen auf das einzelne Kind, auf den einzelnen Spieler, die einzelne Spielerin, nicht auf die ganze Gruppe.“ Dies bedeute, „dass die Kinder Freude, Intensität und Wiederholung erleben“. Ein Beispiel, wie Kinder besser werden können: „Wenn du viel Rondo spielst, sieben gegen vier ohne Tore, ja wie willst du dann Dribbler kreieren? Bei sieben gegen vier sind immer drei frei, also löse ich es am Ende immer über einen Pass.“
Ein anderes Thema ist die Spielzeit während der Woche. „Wie lange spielen die Kinder wirklich? Entscheidend war, dass wir die Zeit definieren, die wir meinen. Sonst ist die Antwort immer, ‚ja machen wir doch‘. Ein Schlüsselmoment war, dass die Menschen ihre Spielzeiten zählen. Das ist an ganz vielen Orten passiert. Das ist eine Führungsgeschichte.“
„Ausgeschlossen, dass ich zeitnah beim DFB rausspringe“
Es gab auch Gegenwind, der sich in Bezug auf das Training aber schnell wieder legte. Es fehlte teilweise an Klarheit. „Das war der Zeitraum, wo es Gegenwind gab. Steffen Baumgart kam dann zu mir und sagte, er möchte sich entschuldigen. Er wusste nicht, wie gut das ist.“ Die Ziele sind klar: „Perspektivisch ist die Vision, dass alle eine Klasse besser werden. Der Wunsch ist, dass wir mehr junge Top-Spieler in die Erste und Zweite Liga bekommen.“
Wolf hat sich langfristig an den DFB gebunden. „Das ist auch eine Familienentscheidung. Ich möchte aktuell nicht sechs Tage die Woche weg sein.“ Deshalb sagt Wolf: „Es ist ausgeschlossen, dass ich zeitnah beim DFB rausspringe.“ Dabei hatte Wolf gerade nach seinem Intermezzo in Leverkusen „Anfragen“, wie er sagt, „auch international“.
Klopp? „Er weiß alles über Fußball“
Seine ersten wichtigen Schritte als Trainer ging Wolf in Dortmund. „Ich durfte Klopp sechs Jahre über die Schulter schauen, ich durfte immer mit in der Kabine sein. Jürgen ist Wahnsinn, unglaublich. Er weiß alles über Fußball, ohne damit zu kokettieren. Er lässt es null raushängen, auch nicht die taktische Qualität, die er hat. Und diese Überzeugungskraft, die Menschen zu erreichen und zu bewegen, das fand ich sensationell“, schwärmt Wolf.
Auch mit dem aktuellen BVB-Coach Edin Terzic fühlt sich Wolf sehr verbunden. „Wir haben zusammen studiert. Ich habe ihn damals als Co-Trainer zum BVB geholt mit Sven Mislintat zusammen. Wir sind bis heute sehr eng befreundet. Ich bin sehr stolz darauf, was sie da machen.“
Auch ein anderer Trainer wird in den höchsten Tönen gelobt, nämlich Peter Hermann. „Er war mein Co-Trainer in Leverkusen und das hat mich noch mal wahnsinnig geprägt. In der Ansprache, in den Konstrukt hat er so eine Autorität gehabt. Das fand ich großartig.“
Mounir Zitouni (53) war von 2005 bis 2018 Redakteur beim kicker und arbeitet seitdem als Businesscoach, betreut Führungskräfte in puncto Leadership, Kommunikation und Persönlichkeitsentwicklung. Der ehemalige Profifußballer (OFC, SV Wehen, FSV Frankfurt, Esperance Tunis) hat zuletzt die Autobiographie von Dieter Müller verfasst und veröffentlicht regelmäßig eine Kolumne auf www.sport1.de.