„Es ist nichts Schlimmes, sich mit der Geschichte zu befassen. Man muss nur den Schritt gehen, es anzuerkennen.“ Mit diesen ruhigen Worten bringt Historiker Bastian Satthoff seine Sicht auf die in Deutschland immer noch oftmals fehlende Aufarbeitung von Verbrechen während der NS-Zeit auf den Punkt. Die Verknüpfungen von Sport und Nationalsozialismus werden an vielen Stellen historisch untersucht, im Fußball oftmals angestoßen von Fans.
Erinnerungsarbeit im Fußball
Satthoff arbeitet bei den Gedenkstätten Gestapokeller und Augustaschacht im Projekt „Orte des Jubels, Orte des Unrechts“. Im Fokus steht die Recherche von Fußball- und Sportplätzen in Deutschland und Österreich, die von den Nationalsozialist*innen umfunktioniert wurden zu Lagern für Zwangsarbeitende.
Der Krieg dünnt Israels Sport aus
Gefördert wird das Projekt von der Stiftung evz Erinnerung Verantwortung Zukunft, Ausgangspunkt war eine Zusammenarbeit mit dem Bündnis zur Erinnerungskultur rund um den VfL Osnabrück „Tradition lebt von Erinnerung“.
„Wir finden eigentlich in jeder deutschen Stadt Beispiele für Firmen, die Zwangsarbeitende genutzt haben“, erklärt Satthoff. „Das ist eher Normalfall als die Ausnahme.“ Diese Menschen kamen aus verschiedenen Ländern und sozialen Gruppen, teilweise aus besetzten Gebieten, unter ihnen wären Jüd*innen ebenso wie Angehörige der Sinti*zze und Rom*nja. Gerade aus Osteuropa war der Anteil der Frauen hoch, über 50 Prozent, viele von ihnen sehr jung.
Die Sport- und Fußballplätze boten sich unter anderem an, weil sie vielfach leer standen. Das betraf zunächst jene Orte, an denen Jüd*innen für kurze Zeit nach dem Ausschluss aus ihren Vereinen in neuen Vereinen gemeinsam trainiert hatten – bis ihnen auch das verboten wurde.
Und der Krieg mit seinem Ruf junger Männer an die Front dünnt nach und nach im Sport alle Teams aus, Sportplätze lagen brach. Im Schnellverfahren werden die oft günstig gelegenen Anlagen mit Baracken bebaut, in denen bald Zwangsarbeiter*innen untergebracht sind.
Aufarbeitung gab es schon einmal
Satthoff und sein Team machen mittlerweile die Erfahrung, dass die Geschichte vieler solcher Plätze in der Vergangenheit bereits einmal beschrieben wurde, beispielsweise von Vereinen oder in lokalen Chroniken. Ein beachtlicher Teil gehe anschließend ein zweites Mal verloren.
Mit dem Projekt sollen die Geschichten, die ja in erster Linie Geschichten von Menschen sind, und zwar solchen, denen unvorstellbares Leid angetan wurde, vor dem Vergessen und dem Wieder-Vergessen bewahrt werden. Dazu gehören auch Zeitzeug*innen-Gespräche.
Es habe ihr Projekt nicht gebraucht, um Erinnerungsarbeit im Fußball anzustoßen, betont der Historiker. Aber die Arbeit sei neben allem anderen auch ein Vernetzungsprozess, in den sie ein neues Unterthema einbringen. Dabei stoße das Team auch auf Dinge, die bereits erforscht sind und mit ihrem Thema ineinandergreifen. Wie das Leben des Niederländers Bram Appel, einem Fußballer, der als Zwangsarbeiter für die Hertha spielte.
Es gehe um Sichtbarmachung, betont Satthoff. Die Geschichten jener erzählen, die zu Opfern gemacht wurden, die Verantwortung jener betonen, die Täter waren. „Ich glaube, es gibt eine große gesellschaftliche Notwendigkeit, diese Themen nicht zu vergessen.“