Pierre-Michel Lasogga ist zurück auf Schalke. Dort, wo er einst seine ersten fußballerischen Schritte machte. In der neuen Spielzeit läuft er für die zweite Mannschaft der Königsblauen auf.
Lasogga: „Natürlich habe ich gut gelebt“
Mit Hertha BSC schaffte der Stürmer in seiner ersten Profi-Saison 2010/2011 gleich den Bundesliga-Aufstieg und steuerte 13 Tore bei. Beim Hamburger SV wurde Lasogga sogar Nationalspieler. Von 2019 bis 2022 spielte er in Katar, danach war Lasogga ein Jahr vereinslos.
Im SPORT1-Interview spricht Lasogga über die bewusste Polarisierungen, seine persönliche Entwicklung, Fehler der Vergangenheit und den Abstieg seiner Ex-Klubs.
SPORT1: Herr Lasogga, wie kam es zum Wechsel zu Schalke?
Pierre-Michel Lasogga: Als mich die Anfrage von Schalke erreichte, habe ich mich mit Mathias Schober (Direktor Knappenschmiede und Entwicklung, Anm. d. Red.) zusammengesetzt und mit ihm über die Situation gesprochen. Ich kam gerade aus Katar zurück und war seit Monaten vereinslos. Der Moment, als Schalke anklopfte, hat einfach gepasst. Die Möglichkeit mit jungen und talentierten Jungs zusammenzuspielen und sie bei ihrer Entwicklung zu unterstützen, hat mich gereizt. Ich habe das Angebot sehr gerne angenommen und musste gar nicht lange überlegen.
SPORT1: Warum die zweite Mannschaft von Schalke?
Lasogga: Am Ende muss ich ehrlich zu mir sein. Es ist auch eine Frage der Möglichkeiten. Es gab sonst keine konkreten Interessenten. Vielleicht lag es daran, dass ich in Katar war und man mich dort nicht mehr so auf dem Schirm hatte. Vielleicht war der Name Lasogga auch abschreckend. Für Schalke zum Glück nicht, da wartet jetzt ein spannendes Projekt auf mich. Es ist für mich kein Rückschritt, nur weil ich jetzt in der Regionalliga kicke.
„Ich bin ein bisschen wie der erfahrene Papa für die Jungs“
SPORT1: Wie schlimm war die vereinslose Zeit für Sie?
Lasogga: Es war sehr schlimm. Ich habe viel für mich allein trainiert, weil ich jederzeit bereit sein wollte, falls sich ein Klub meldet. Doch es passierte lange nichts. Es war ein schwieriges Jahr, aber jetzt bin ich froh, dass ich nochmal die Möglichkeit erhalte, Fußball auf einem sehr guten Niveau mit Schalkes U23 zu spielen. Ich kann den Jungs meine jahrelange Erfahrung weitergeben.
SPORT1: Hoffen Sie insgeheim noch auf eine Chance in der ersten Mannschaft?
Lasogga: Das ist für mich gar kein Thema und war auch in den Gesprächen mit Mathias Schober nicht in meinem Kopf. Es wäre eine Belastung für mich, darüber nachzudenken. Ich will mich voll und ganz auf die neue Aufgabe hier auf Schalke in der Knappenschmiede konzentrieren. Das ist ein ganz neuer Ansatz für mich. Früher habe ich meist nur auf mich geschaut, jetzt will ich mich um die Teamkollegen kümmern. Ich bin ein bisschen wie der erfahrene Papa für die Jungs, bin nicht nur für mich verantwortlich. Ich muss genug Energie in die neue Aufgabe stecken, alles andere spielt keine Rolle für mich. Ich bin jetzt Spieler von Schalkes U23 und darüber freue ich mich sehr.
SPORT1: Ist es für Sie auch ein bisschen so, als würden Sie nach Hause kommen?
Lasogga: In gewisser Weise schon. Ich habe auf Schalke meine Kindheit verbracht und habe in der Jugend für die Königsblauen gespielt. Ich war lange weg, jetzt ist es total schön, wieder da zu sein und einige bekannte Gesichter zu sehen. Ich freue mich riesig, vor allem auch auf die Zusammenarbeit mit dem Trainerteam (unter anderem der frühere Schalker Tomasz Waldoch und Zweitliga-Rekordspieler Willi Landgraf, Anm. d. Red.). Das wird mega spannend. Ich will jeden Tag Vollgas geben.
SPORT1: Können Sie denn den Gang in die Regionalliga mit Ihrem Ego vereinbaren?
Lasogga: Auf jeden Fall. Klar ist aber auch: Es ist schon ein mutiger Schritt, mein Ego wird jetzt anders gepusht als früher. Natürlich könnte ich noch in höheren Ligen spielen, aber diesen Gedanken habe ich beiseitegeschoben. Ich wollte die Möglichkeit hier am Schopfe packen. Es ist natürlich nicht leicht zu verstehen, dass der Moment gekommen ist, an dem du nicht mehr so gefragt bist. Die ersten Wochen auf Schalke bestätigen mich darin, dass es die richtige Entscheidung ist. Es war eine reine Bauchentscheidung und es fühlt sich absolut richtig an.
„Ich wurde sicher nicht immer gemocht“
SPORT1: Was können Sie der jungen Mannschaft geben?
Lasogga: Ich war jahrelang in den beiden höchsten deutschen Ligen zu Hause und habe Profifußball in England gespielt. Ich habe viele Erfahrungen sammeln können und durfte mit klasse Fußballern zusammenspielen. Egal, ob das in Leverkusen, bei Hertha BSC oder beim HSV war. Ich habe überall etwas mitgenommen. Jetzt ist es an der Zeit, das an die Jungs auf Schalke weiterzugeben. Natürlich fällt es mir leichter, Stürmern etwas mitzugeben als Verteidigern. Aber es ist ein Lernprozess für mich. Ich will in diese neue Aufgabe reinwachsen.
SPORT1: Auf welche Gegner freuen Sie sich in der neuen Saison besonders?
Lasogga: Natürlich freue ich mich auf so traditionsreiche Duelle mit Alemannia Aachen oder Rot-Weiß Oberhausen. Ich werde dem einen oder anderen bestimmt über den Weg laufen, mit dem ich in der Vergangenheit mal zusammengespielt habe. Das werden interessante Spiele vor hoffentlich vielen Zuschauern. Wenn Schalke irgendwohin fährt und zu Gast ist, herrscht immer gute Stimmung.
SPORT1: Sie haben Hertha BSC einst in die Bundesliga geschossen und wurden beim HSV Nationalspieler. Dennoch wurden Sie nicht von jedem gemocht. Warum war das so?
Lasogga: Da müsste man die Leute fragen, die ein Problem mit mir hatten, beziehungsweise immer noch haben. Ich habe es irgendwann abgelegt, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, was andere über mich denken. Ich wurde sicher nicht immer gemocht. Das ist mir auch gar nicht wichtig. Es gab immer Leute, die fanden mich mega - und dann gab es auch Personen, die wenig mit mir anfangen konnten. Das habe ich inzwischen akzeptiert. Ich habe einfach mein Ding gemacht. Die Leute, die immer hinter mir standen und wussten, was ich kann, haben mich gepusht. Ich habe mich nie verstellt. Sportlich war ich immer ein klassischer Neuner. Viele hatten oft allein deshalb keinen Bock auf mich. Das ist schon okay. Diejenigen, mit denen ich mich intensiver unterhalten habe, waren meist angetan von mir.
„Der Schritt, nach Katar zu wechseln, war richtig“
SPORT1: Beim HSV haben Sie viel Geld verdient, in Katar auch. Da wurde im Internet geschrieben, dass Sie den Fußball nicht lieben, sondern nur das Geld. Was sagen Sie dazu?
Lasogga: Ich werde den Fußball immer lieben. Mir ging es nie nur ums Geld. Irgendwann war Fußball auch ein Job, nicht mehr nur ein Hobby, und ich musste mich entscheiden. Der Schritt, nach Katar zu wechseln, war richtig. Natürlich gab es auch finanzielle Gründe. Ich kann weiterhin Fußball spielen und muss mir über meine finanzielle Zukunft keine Gedanken machen. Das ist auch ein Privileg, das ich mir erarbeitet habe.
SPORT1: Welchen Fehler bereuen Sie?
Lasogga: Ich bereue gar nichts. Ich durfte viele Jahre auf Topniveau Fußball spielen, davon habe ich als Kind geträumt. Was sollte ich da bereuen? Jede meiner Entscheidungen und jeder Schritt hatten ihre Gründe.
SPORT1: Der HSV war für Sie ein Glücksfall, sagten Sie mal. Dieser Verein lag Ihnen besonders am Herzen. Warum war das so?
Lasogga: Ich habe mit dem HSV extreme Situationen durchlebt. Wir sind durch zwei Relegationen gegangen. Das schweißt einfach zusammen. Und da rede ich nicht nur von der Mannschaft zu der Zeit, sondern vom gesamten Klub. Diese Zeit hat keinen kalt gelassen, leider hat es den HSV 2018 erwischt. Aber wir haben damals gekämpft, um in der Bundesliga zu bleiben. Der HSV wird immer in meinem Herzen bleiben und die Momente mit den Rothosen sind fest in meinem Kopf. Aber auch die Zeit bei der Hertha hat sich bei mir eingebrannt. Die Vereine, für die ich spielte, habe ich gelebt. Für mich galt immer: Entweder Vollgas oder gar nichts!
SPORT1: Bei der Hertha waren Sie 18 Jahre jung. Sie sagten, es war eine geile Zeit. Was war so geil damals?
Lasogga: Ich war 18 und in Berlin der Shootingstar. Was soll ich da noch hinzufügen? (lacht) Mein Trainer bei der Hertha war Markus Babbel und er hat etwas in mir gesehen. Er hat mir voll und ganz vertraut und ich habe es mit Leistung zurückgezahlt. Die Berliner Zeit war sensationell. Ich durfte mit Ramos, Raffael oder Ebert zusammenspielen. Und ich habe keine Nebenrolle gespielt, sondern war Stammkraft. Das in jungen Jahren erleben zu dürfen, war einfach geil. Davon träumen viele Talente heute.
„Ich habe gerne polarisiert“
SPORT1: Wie schlimm ist es für Sie, Ihre drei Ex-Klubs Hertha, Schalke und den HSV in der kommenden Saison in der 2. Liga sehen zu müssen?
Lasogga: Ich freue mich, weil ich viele tolle Spiele in der Veltins-Arena sehen kann oder vielleicht auch mal nach Hamburg fahren kann. Spaß beiseite: Natürlich ist es traurig und tut weh. Das sind drei Klubs, die in der Bundesliga und möglicherweise auch im europäischen Fußball vertreten sein sollten. Doch leider ist die Realität die 2. Liga. Das ist hart. Ich hoffe, dass alle drei aufsteigen werden.
SPORT1: Sie haben immer stark polarisiert. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Lasogga: Man polarisiert oft, weil Fans oder Mitmenschen im Alltag einen pushen oder in eine besondere Richtung drängen wollen. Dadurch entsteht vielleicht so ein polarisierendes Gefühl. Ich habe gerne polarisiert. Ich habe in Interviews oft einfach nur meine Meinung gesagt, die nicht jeder hören wollte.
SPORT1: Viele Jungstars schlagen beim ersten Erfolg auch schnell über die Stränge. Bei Ihnen hatte man das Gefühl, dass Sie nicht unbedingt in den Schlagzeilen stehen wollten. Wie geschickt wollten Sie das bewusst umgehen?
Lasogga: Ich habe das Klischee des Profis nicht so ausgelassen gelebt. Natürlich habe ich gut gelebt und mein Geld ausgegeben. Aber ich war nie ein Angeber. Ich habe nicht aus dem Grund schöne Autos gefahren, damit der Typ an der Ampel denkt: „Krass, was für eine fette Karre!“ Ich habe tolle Autos immer gemocht, aber ich habe damit nie die Bestätigung gesucht. Wenn ich Bock auf ein Auto hatte, habe ich es mir gekauft. Das war immer meine Art - und die schätzen viele.
„Instagram gehört inzwischen zum Fußball dazu“
SPORT1: Oft sieht man Spieler bei Instagram posen, die für den neuen Klub noch keine Minute auf dem Platz gestanden haben. Ihr letzter Post bei Instagram war am 23. Februar.
Lasogga: Instagram gehört inzwischen zum Fußball dazu. Ich glaube auch, dass es durchaus Vereine gibt, die Spieler nach ihrer Followeranzahl verpflichten, um die Reichweite, die Trikotverkäufe und das Marketing voranzutreiben. Es ist schon eine interessante Entwicklung, aber ich muss nicht jeden Tag etwas posten. Das Feuer, täglich dranzubleiben, wurde bei mir nicht entfacht. Aber ich weiß, dass Social Media wichtig geworden ist.
SPORT1: Sie waren immer der klassische Neuner, den es aktuell immer seltener gibt. Wie denken Sie darüber?
Lasogga: Der Fußball hat sich verändert. Alles ist athletischer und schneller geworden. Da fällt der Neuner schon einmal durchs Raster, weil er nicht, übertrieben gesagt, hunderte an Kilometern läuft. Wir haben in Deutschland jahrelang versucht, auf andere Stürmer-Typen zu setzen. Andere Offensivspieler haben sich in den Vordergrund gespielt.
SPORT1: Welcher Stürmer könnte das Problem lösen?
Lasogga: Ich denke, dass Niclas Füllkrug das Problem lösen könnte. Er ist das Puzzleteil, das Deutschland lange gefehlt hat. Ein klassischer Stürmer profitiert von seinen Mitspielern. Nur einen Neuner vorne in die Box zu stellen, löst aber nicht das Problem. Wichtig sind auch die Spieler, die ihn bedienen. Da ist Deutschland meiner Meinung nach gerade noch in der Findungsphase.
SPORT1: Was machen Sie nach der Karriere? Trainer, Sportdirektor - oder eröffnen Sie eine Bar in Hamburg oder Berlin?
Lasogga: Gute Idee. (lacht) Das ist ja auch das Thema, das meinen Weg auf Schalke so spannend macht. Ich werde hier in andere Bereiche schauen. Den Trainerjob kann ich mir gut vorstellen. Ich muss erstmal meine Erfahrungen sammeln, werde dem Fußball aber definitiv in irgendeiner Art und Weise treu bleiben.