Der Abstiegskampf der Saison 1998/99 gilt als der spannendste in 60 Bundesligajahren. Dabei schien er lange Zeit eine ziemlich unspektakuläre Angelegenheit zu werden. Borussia Mönchengladbach war schon nach dem 31. Spieltag nicht mehr zu retten, auch dem VfL Bochum und Eintracht Frankfurt stand das Wasser bis zum Hals.
Als ein Trio unsterblich wurde
Während die Bochumer am 33. Spieltag endgültig untergingen, sendete die Eintracht unverändert Lebenszeichen. Unter Trainer Jörg Berger, der erst sieben Spiele vor Schluss kam, setzte sie zur Aufholjagd an und nach drei Siegen in Folge hatten die Hessen vor dem letzten Spieltag im Heimspiel gegen Meister Kaiserslautern, der noch in die Champions League wollte, eine kleine Chance.
So kam es zum spannendsten Abstiegsdrama der Liga-Historie. Es spielte auf vier, später drei, Bühnen und war nichts für schwache Nerven. Die Konferenz-Schaltung des Rundfunks erlebte am 29. Mai 1999 ihre größte Sternstunde, zwischen 17.02 Uhr und 17.17 Uhr wechselte der dritte Absteiger, für den vier Klubs in Frage kamen, viermal.
Ein Trio wird unsterblich
Ein Reporter, ein Trainer und ein Stürmer wurden unsterblich an diesem Nachmittag.
Der Stürmer war Jan-Aage Fjörtoft, dem ausgerechnet in dieser hochdramatischen Situation ein Kunststück aufführte, das ihn in den Herzen der Frankfurter Fans unsterblich und zum Helden machte.
Einen solchen brauchte die Eintracht, die gegen Kaiserslautern mit 4:1 führte und Nürnberg in der Tordifferenz überholt hatte, als Günter Koch vom Bayerischen Rundfunk in der Radio-Schlusskonferenz sich um 17.12 Uhr aus Nürnberg meldete.
„Tor in Nürnberg. Tor, Tor, Tor in Nürnberg. Ich pack das nicht, ich halt das nicht mehr aus, ich will das nicht mehr sehen. Aber sie haben ein Tor gemacht. Ich weiß nicht wie, Kopfball von Nikl. Ich halt das nicht mehr aus. Nein, es tut mir Leid. 1:2. Es ist nicht zu fassen.“ In diesem Moment merken sie bei Eintracht Frankfurt: im Waldstadion wird zu früh gefeiert.
Der verletzte Spieler Thomas Epp rennt zwischen dem Bildschirm von „Premiere“ und dem Spielfeldrand hin und her und brüllt die Kollegen an: „Das reicht noch nicht.“
Der Norweger Jan-Aage Fjörtoft hört am besten hin, wie sich zeigen wird.
Zurück zur Konferenz, in der Dirk Schmidt vom Hessischen Rundfunk um 17.16 Uhr den letzten Angriff des Spiels schildert: „Die Eintracht weiß: Ein Tor könnte wieder Nürnberg in den Abgrund stoßen. Sie kommen jetzt wieder. Dann ist es Fjörtoft, der ist im Strafraum. Und dann Tooor, Tor für die Eintracht, 5:1. Herrje, welche Leistung. Und damit ist der 1. FC Nürnberg wieder in der zweiten Liga.“
„Ich habe den Übersteiger schon als Kind gemacht“
Er verschweigt im ersten Moment den legendären Übersteiger, mit dem Fjörtoft FCK-Keeper Andreas Reinke überlistet.
Der verzögerte Schuss mit links landet im Netz, das Waldstadion rastet aus. Ein Tor, das man in der Bundesliga nur selten sieht, im Leben des Jan-Age Fjörtoft ist es indes kein Novum. „Ich habe den Übersteiger schon als Kind gemacht“, erzählt Fjöroft im SPORT1-Interview über seinen Greatest Moment, den zu zeichnen er noch etwas schwieriger umzusetzen fand „als auf dem Spielfeld.“
Es handelt sich dabei um einen riskanten Täuschungsversuch des Torwarts, weil der Ball nicht mit dem Fuß geschossen wird, mit dem der Spieler ihn führt. Den Wechsel nimmt man beispielsweise vor, wie Fjörtoft ausführt, „um den Winkel zu verbessern“. Schließlich sei es gar nicht so einfach wie manche denken, wenn man als Stürmer alleine auf den Torwart zulaufe.
„Ich melde mich vom Abgrund“
Schon in einem Länderspiel war ihm 1993 gegen Polen ein Tor auf diese Weise gelungen, es brachte Norwegen die WM-Teilnahme. Das wollte ihm sein Trainer Jörg Berger erst glauben, als ihm Fjörtoft Wochen später ein Foto davon präsentierte.
„Zwei meiner wichtigsten Tore habe ich auf diese Weise erzielt“, betont der durch seine TV-Präsenz als Experte heute noch bekannte und wegen seiner Sprüche beliebte Norweger.
Einen gab er schon direkt nach dem Spiel zum Besten: „Wir spielen weiter in der besten Liga der Welt. Wir haben Traumtore geschossen. Das haben wir einem alten Fuchs wie Herrn Berger zu verdanken. Wahnsinn…Jörg Berger hätte sogar die Titanic gerettet.“
Aber ohne ihn wäre es auch nicht gegangen. 14 Tore hat er für die Eintracht in der Bundesliga geschossen, nur das eine wird in Erinnerung bleiben. In seiner sowieso, denn „auf Vereinsebene war das mein greatest moment“. Wegen dem Günter Koch vom BR an jenem 29. Mai 1999 in Nürnberg einen nicht minder legendären Rundfunkmoment kreierte: „Ich melde mich vom Abgrund.“
My Greatest Moments:
- Huub Stevens und die Eurofighter
- Andreas Brehme und sein Elfmeter von Rom
- Stefan Effenberg und seine Fingergeste im CL-Finale
- Mario Basler und seine direkt verwandelte Ecke
- Didi Hamann und sein sensationeller CL-Sieg mit Liverpool
- Guido Buchwald und sein Siegtor zum Meistertitel
- Toni Schumacher und das Kölner Double
- Als Stefan Effenberg zum Tiger wurde
- Jan Age Fjörtoft und der Übersteiger seines Lebens
- Ulf Kirsten und sein Hattrick gegen die Bayern
- Olaf Thons Hattrick zum 6:6 gegen Bayern