Jung, erfolgreich – aber beim DFB ohne Perspektive.
Talente laufen DFB davon
Es sind mittlerweile nicht mehr nur Einzelfälle von Talenten, die in deutschen Nationalmannschaften keine Einsatzchance bekommen.
Jüngstes Beispiel: Can Uzun, der in dieser Saison für die A-Jugend des 1. FC Nürnberg in 17 Pflichtspielen schon 20 Tore erzielt hat.
Der in Regensburg als Sohn türkischer Eltern geborene Uzun könnte ohne Weiteres für Deutschland spielen, hat aber bislang noch keinen Anruf vom DFB erhalten. Stattdessen läuft der Stürmer für die türkische U19 auf.
Beispiele wie ihn gibt es viele. SPORT1 zählt weitere Talente auf, um die sich der DFB noch gar nicht oder nicht genügend gekümmert hat.
Paul Wanner (17 Jahre, FC Bayern)
Der gebürtige Österreicher hat einen deutschen Vater und ist deshalb auch schon für die verschiedenen U-Nationalmannschaften des DFB aufgelaufen.
Das heißt aber noch nicht, dass Wanner auch weiterhin für Deutschland spielen wird.
Denn erstens können Spieler mit mehreren Staatsbürgerschaften im Juniorenbereich noch relativ problemlos den Verband wechseln, und zweitens bemüht sich auch das Geburtsland des Bayern-Talents um die Dienste des 17-Jährigen.
Nationaltrainer Ralf Rangnick hatte Wanner schon im Winter zu einem Trainingslager der A-Nationalmannschaft eingeladen – und damit den DFB unter Druck gesetzt.
Joti Chatzialexiou, sportlicher Leiter der deutschen Nationalmannschaften, zeigte sich davon alles andere als begeistert. „Grundsätzlich bin ich kein Freund von Verbands-Hopping. Für eine Nationalmannschaft zu spielen, bedeutet, sich mit dem Land und dem Verband zu identifizieren. Das fordern wir von jedem Spieler ein“, sagte er der Mediengruppe Münchner Merkur/tz.
Sollte Wanner nun auch die ersten Länderspiele für Österreich absolvieren, wäre er für den DFB endgültig verloren.
Kenan Yildiz (17, Juventus Turin)
Die Bayern haben den 17 Jahre alten offensiven Mittelfeldspieler bereits an Juventus Turin verloren, weil sie erstens seine finanziellen Forderungen nicht erfüllen wollten und ihm zweitens keine Perspektive für das Profi-Team aufzeigen konnten.
Ähnliches droht nun dem DFB. Denn der Deutsch-Türke, der 2022 vom Guardian zu den besten 60 Spielern des Jahrgangs 2005 gewählt wurde, hat schon seinen ersten Einsatz für die türkische U21 absolviert.
Auch hier droht Deutschland in die Röhre zu schauen: Schnappt ausgerechnet der Deutsche Stefan Kuntz als Nationaltrainer der Türkei seinem Heimatland Yildiz weg?
Malik Tillman (20, FC Bayern/Glasgow Rangers)
Beim gebürtigen Nürnberger ist das Thema schon durch. Der 20-Jährige, der vom FC Bayern aktuell an die Glasgow Rangers verliehen ist, hat bereits vier Länderspiele für die USA bestritten.
Dabei durchlief er bis zur U21 noch die deutschen Junioren-Auswahlmannschaften.
„Maliks Entscheidung bedauern wir, und sie hat uns sehr überrascht“, sagte Deutschlands U21-Trainer Antonio Di Salvo im Mail letzten Jahres dem kicker. „Wir haben ihn in der U21 als jüngeren Spieler gefördert, ihm viel Vertrauen entgegengebracht und Spielpraxis gegeben. Dazu waren wir in intensivem Austausch, was seine Perspektiven bis hin zur A-Nationalmannschaft angeht.“
Offensichtlich aber haben dem offensiven Mittelfeldspieler diese Perspektiven nicht ausgereicht.
Lazar Samardzic (21, Udinese Calcio)
Auch den Kampf um den 2002 in Berlin geborenen Mittelfeldspieler hat der DFB seit wenigen Tagen verloren.
Samardzic, dessen Familie aus Serbien kommt, konnte sich bei RB Leipzig nicht durchsetzen und wechselte 2021 zu Udinese Calcio in die Serie A.
Dort spielen auch die Serben Dusan Vlahovic und Filip Kostic (beide Juventus). Ob sie ihn letztendlich von ihrer Nationalmannschaft überzeugt haben, ist nicht bekannt.
Fest steht aber, dass er dem DFB den Rücken kehrt, nachdem er im vergangenen November beim 4:2-Sieg der deutschen U21 gegen Italien noch ein Tor erzielt hat.
Josip Stanisic (22, FC Bayern)
Der gebürtige Münchner läuft ebenfalls für das Land seiner Vorfahren auf – in seinem Fall ist es die kroatische Auswahl.
Dabei bestritt auch er auch seine ersten Länderspiele für Deutschland – in der U19-Auswahl.
Die Entscheidung hatte damals für böses Blut in Kroatien gesorgt. War man beim dortigen Verband doch der Meinung, der Rechtsverteidiger des FC Bayern sei von seinem Berater Dieter Hoeneß in seiner Entscheidung beeinflusst worden.
Als der heute 22-Jährige dann durch starke Leistungen bei den Bayern-Profis wieder ins Blickfeld der kroatischen Auswahltrainer geriet, gab er dem Werben nach und spielte zunächst für die U21.
Mittlerweile hat er schon acht A-Länderspiele auf dem Buckel und gewann mit Kroatien bei der WM in Katar sogar die Bronzemedaille.
Dabei absolvierte Stanisic im Spiel um Platz 3 gegen Marokko über 90 Minuten sogar das erste WM-Spiel seiner Karriere. Bis dato stehen für ihn acht Länderspiele zu Buche.
Raul König (17, Borussia Dortmund)
Bei 17 Jahre alten BVB-Stürmer besteht zumindest noch die theoretische Hoffnung, dass er den Weg (zurück) zum DFB findet.
Der Youngster von Borussia Dortmund hat insgesamt sieben Länderspiele für die deutsche U16- und U17-Auswahl bestritten, ehe der BVB im Februar auf seiner Homepage den „überraschenden Wechsel der Nationalmannschaften“ bekanntgab.
Statt für Deutschland trat der Offensivspieler schon in vier Partien für Spanien an – und traf beim Algarve-Cup der U17-Nationalteams Mitte Februar gleich im zweiten Spiel auf Deutschland. Das Spiel endete 1:1.
Das Turnier gewannen am Ende die Spanier, König steuerte dazu immerhin einen Assist bei. Deutschland dagegen wurde Letzter und scheint auch bei ihm schlechte Karten zu haben.