Gerhard Struber ist ein selbstbewusster Typ. Der 45-Jährige, der als Trainer gerade mit Red Bull New York die Playoffs erreicht hat, konnte es sich in der Vergangenheit auch mal leisten, Ralf Rangnick abzusagen. Dieser wollte Struber einst als Co-Trainer zu Manchester United holen.
„Naturgesetze bei Bayern knallhart“
Nach seiner aktiven Spielerkarriere studierte Struber zunächst BWL und arbeitete später in einer Führungsposition bei der Allianz. Wie wichtig Menschenführung im Trainer-Job tatsächlich ist und wie es der Österreicher selbst angeht, erzählt er im Interview mit SPORT1.
SPORT1: Herr Struber, erstmal Glückwunsch zum Erreichen der Playoffs.
Gerhard Struber: Danke, ich bin stolz auf meine Jungs. Vor allem auch, weil viele Experten nicht so recht an uns geglaubt haben aufgrund des großen Umbruchs und des jungen Kaders. Die Situation war herausfordernd, aber es ist uns gelungen, schnell die richtigen Resultate zu erzielen. Jetzt geht es darum, aus den letzten zwei Spielen den noch fehlenden Sieg zu holen, um in den Playoffs Heimrecht zu haben. Das wäre etwas ganz Besonderes für den Klub.
„Keine lustige Situation auf Trainermarkt“
SPORT1: Lassen Sie uns über die Trainerbranche sprechen. Außer bei Klopp, Streich und Guardiola ist die Halbwertszeit bei Trainern doch recht überschaubar. Wie sehr beunruhigt Sie das?
Struber: Es ist keine lustige Situation auf dem Trainermarkt. Die Schnelllebigkeit ist aber nun mal die aktuelle Realität - damit muss man in dem Job einfach leben. Das Problem ist ja immer: Es klaffen Anspruch und Wirklichkeit im Verein auseinander. Als Trainer steckst du mittendrin und musst schauen, dass du in kürzester Zeit Resultate einfährst. Wenn du das nicht machst, wird über dich sehr zeitnah diskutiert.
SPORT1: War das vor einigen Jahren anders?
Struber: Ich denke, durch Social Media und die generell veränderte Medienwelt ist noch mal eine neue Dynamik reingekommen. Ich würde mir natürlich wünschen, dass die Vereine da etwas stabiler sind und nicht Passagier von einer solchen Dynamik werden.
SPORT1: Aktuelles Beispiel: Ist das Krisen-Gerede beim FC Bayern nach vier sieglosen Bundesliga-Spielen nicht pervers?
Struber: Schon, zumal man den Supercup geholt hat und in der Champions League zweimal gegen große Gegner gewinnen konnte. Aber das liegt daran, dass die Ansprüche beim FC Bayern wahnsinnig hoch sind. Deshalb kommen die Schlagzeilen nicht wirklich überraschend. Das war bei diesem Verein immer so. Die sogenannten Naturgesetze, was Trainerdiskussionen angeht, sind gerade bei den Bayern knallhart.
Diesen Fehler sollte ein Trainer nicht machen
SPORT1: Ein großes Thema in der Bundesliga ist derzeit häufig das Spieler-Trainer-Verhältnis. Was tun Sie dafür, dass Sie täglich guten Gewissens in Ihre Kabine rein und raus gehen können?
Struber: Ich denke, bevor man über Taktik spricht, sollte man auf anderer Ebene eine Basis mit jedem Spieler haben. Die Jungs müssen spüren, dass der Trainer allein das Team und jeden Einzelnen entwickeln will. Durch Ehrlichkeit, hohe Integrität und einen vertrauensvollen Umgang miteinander. Mit das Wichtigste ist die Dynamik und die Energie in der Kabine. Man muss es schaffen, die persönlichen Karriere-Interessen der Spieler mit dem großen Team-Ziel zu verbinden. Und am Ende müssen die Jungs natürlich spüren, dass die richtigen Ergebnisse daraus resultieren.
SPORT1: Wo lauern Gefahren?
Struber: Spieler haben ein feines Gespür dafür, wenn der Trainer nicht das vorlebt, was wichtig ist. Das passiert, wenn man als Trainer sein persönliches Ego in den Vordergrund stellt. Wenn ein Trainer zu sehr bei sich selbst ist, dann birgt das eine Riesengefahr. Die Spieler müssen abgeholt werden - mit einer Fußball-Idee, mit der sich jeder identifizieren kann. Dabei dürfen die Spieler in der Vermittlung nicht überfordert werden. Du hast nicht nur Akademiker in der Kabine, sondern auch Jungs, die es ganz einfach und praktikabel brauchen.
SPORT1: Hatten Sie als Trainer schonmal das Gefühl, dass Sie die Kabine verlieren würden?
Struber: Das Gefühl hatte ich glücklicherweise noch nie - und ich hoffe, meine Spieler sagen nichts anderes (lacht). Ich probiere, extrem viel Energie reinzustecken, um das Vertrauen zur Mannschaft auf einem hohen Level zu halten. Zum Beispiel durch viele Gespräche. Gleichzeitig versuche ich, die Spielidee so klar zu vermitteln, dass es inhaltlich nicht viele offene Fragen gibt. Das hat mir bisher geholfen, um das Trainerteam und die Truppe nah und vertrauensvoll beieinander zu haben. Aber ich weiß, wie schwer das gerade bei ganz großen Vereinen ist, wo oft mehr Unruhe herrscht.
SPORT1: Wie begeistern Sie einen Spieler, der nicht in der ersten Elf ist?
Struber: Begeisterung ist hier der falsche Anspruch. Die Frage ist ‚Wie kann ich den Spieler in der Balance halten?‘ Wenn einer nicht in der ersten Elf ist, wird er grundsätzlich nicht begeistert sein. Das ist auch gut so. Was für einen Spieler dann oft wichtig ist: Dass man mit ihm darüber redet - und vor allem einen Weg aufzeigt, wie er zurück in die Mannschaft kommen kann.
SPORT1: Ist das Leben in der Kabine für einen Trainer fast genauso wichtig wie die Arbeit auf dem Trainingsplatz?
Struber: Wenn das Leben in der Kabine stimmt, ist die Arbeit auf dem Rasen besser. Es braucht die richtigen Gespräche, in der richtigen Art und Weise. Ich führe zum Beispiel keine Gespräche mit einem Spieler zwischen Tür und Angel. Wenn meine Jungs eine Perspektive für sich selbst und das Team haben, ist auch die Motivation entsprechend höher.
Darum nutzt sich Streich nicht ab
SPORT1: Hatten Sie mal Angst vor Abnutzung?
Struber: Da nenne ich gern das Beispiel Christian Streich in Freiburg, an dem sich wohl jeder Trainer orientieren kann. Auch ich bin ein Fan von ihm. Es ist einfach besonders, was er wie macht. Streich ist ein smarter, bescheidener Trainer. Ich denke, eine gewisse Bescheidenheit von einem Trainer kommt grundsätzlich bei Spielern gut an. Und er nutzt sich nicht ab, weil er keine großen Parolen raushaut und diese dann wiederholt. Manche Trainer stellen sich mit ihrem Vokabular so dar, als wenn sie die Erfinder des Fußballs wären. Ich glaube, das nimmt die Spieler nicht mit. Du brauchst einen professionellen Zugang zu dem Job, aber es muss auch menscheln. Ich finde es wichtig, zum Beispiel auch seine Co-Trainer so einzubauen, dass man sich mit der eigenen Stimme nicht zu sehr verbraucht. Generell ist die Einbindung des gesamten Staffs extrem wichtig. Und klar, man sollte auch selbst inspirierend bleiben.
SPORT1: Bei jungen Spielern ist das sicher schwieriger.
Struber: Absolut, teilweise hängen die Jungs sehr am iPhone oder sind überreflektiert mit ihren persönlichen Stories. Wenn du da dann nur trocken mit deiner Taktik-Tafel kommst, wirst du diese Generation nicht erreichen. Da musst du als Trainer kreativ sein - gerade auch, wie du Inhalte vermittelst.
SPORT1: An welchem Trainer orientieren Sie sich, zu wem schauen Sie gerne hin?
Struber: Jürgen Klopp. Er ist ein Menschenfänger, der es schafft, ganz schnell eine Beziehung zu anderen Menschen herzustellen. Wenn dir das als Trainer gelingt, kannst du auch deine Taktik viel wirksamer vermitteln. Authentische Menschenführung ist das A und O im Profifußball. Und natürlich muss die Spielidee zum Erfolg führen. Klopp hat immer den Zugang zu seinen Spielern gefunden und ist deshalb ein ganz Großer.
SPORT1: Wie ist Ihr aktueller Kontakt zu Ralf Rangnick, Ihrem früheren Mentor. Sie hätten bei Manchester United sein Co-Trainer sein sollen, sagten aber ab.
Struber: Wir haben uns zuletzt erst wieder getroffen und uns Red Bull Salzburg gegen Rapid Wien angeschaut. Dass Ralf jetzt Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft ist, passt sehr gut für ihn. Es ist immer spannend, mit Ralf über Fußball zu reden.
„Für mich ist die Bundesliga ein großer Magnet“
SPORT1: Gibt er Ihnen auch einen Rat für Ihren nächsten Karriereschritt?
Struber: Wir haben schon das eine oder andere Mal darüber gesprochen, was bei mir der nächste Schritt sein kann. Ich lege auf seine Meinung viel Wert.
SPORT1: Wie ist Ihr persönlicher Karriere-Plan? Haben Sie nicht allmählich konkreter den Wunsch in der Bundesliga als Trainer zu arbeiten? Erste Anfragen gab es ja schon.
Struber: Ich habe nicht den Stress, von jetzt auf gleich in die Bundesliga wechseln zu müssen und New York alsbald zu verlassen. Ich fühle mich hier sehr wohl, wir haben Erfolg und jetzt die Playoffs vor der Brust, wo wir richtig angreifen wollen. Ich habe noch bis Ende 2023 einen Vertrag – und damit auch eine Verantwortung dem Verein und dem Team gegenüber. Aber klar, wenn irgendwann das Richtige dabei ist und es für alle Seiten passt, werde ich den nächsten Schritt machen.
SPORT1: Favorisieren Sie denn die Bundesliga?
Struber: Für mich ist die Bundesliga ein großer Magnet. Dort gibt es viele Vereine, die sehr gut arbeiten und bei denen eine tolle Atmosphäre herrscht. Es reizt mich aber auch England mit der Premier League. Das ist auch eine Liga, die atmosphärisch auf einem unglaublich hohen Level ist. Da muss man als Trainer immer auf Anschlag arbeiten, und das ist genau das, was ich brauche.
SPORT1: Sie kommen aus der Red-Bull-Welt, daher liegt diese Frage nahe: Würden Sie sich auch RB Leipzig zutrauen?
Struber: Ich möchte das nicht auf einen speziellen Verein beziehen, aber ich bin ein absoluter Verfechter, was das proaktive Spiel angeht. Gleichzeitig muss man im heutigen Fußball in jeder Phase eines Spiels Antworten liefern können. Du kannst nicht nur gegen den Ball stark sein, sondern musst auch über einen kontrolliertes Positionsspiel erfolgreich sein können.