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Frauen-Fußball: Vize-Europameisterin Kleinherne nimmt DFB in die Pflicht - "Müssen Strukturen schaffen"

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Frauen-Fußball: Vize-Europameisterin Kleinherne nimmt DFB in die Pflicht - "Müssen Strukturen schaffen"

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Vize-Europameisterin kritisiert DFB

Nationalspielerin Sophia Kleinherne wünscht sich eine attraktivere Frauenfußball-Bundesliga. Im SPORT1-Interview richtet sie klare Forderungen an den Verband.
Mit durchschnittlich 17,9 Millionen Fans verzeichnete die deutsche Frauen-Nationalmannschaft im EM-Finale gegen England bei der Live-Übertragung in der ARD einen Turnierrekord.
Nationalspielerin Sophia Kleinherne wünscht sich eine attraktivere Frauenfußball-Bundesliga. Im SPORT1-Interview richtet sie klare Forderungen an den Verband.

Am Freitag startet die Frauenfußball-Bundesliga mit dem Kracher Eintracht Frankfurt gegen den FC Bayern München in die neue Saison.

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Nationalspielerin Sophia Kleinherne ist seit 2017 für die Hessen unterwegs. Seit 2019 spielt die 23-Jährige auch für die deutsche Nationalmannschaft und feierte beim Turnier in England in diesem Sommer als Vize-Europameisterin den bislang größten Erfolg mit dem Bundesadler - und eine spektakuläre Atmosphäre genießen dürfen.

Im Gespräch mit SPORT1 vertritt sie nun eine klare Position. Die Fußballfeste, die es in England gab, dürfen keine Ausnahme bleiben. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Frauen-Bundesliga).

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SPORT1: Sophia Kleinherne, Sie haben bei der Europameisterschaft in England nicht nur mitgewirkt, sondern auch ihr erstes Länderspieltor erzielt. War dieses Turnier ein besonderes für Sie?

Sophia Kleinherne: „Die Europameisterschaft war ein spezielles Ereignis. Nachdem ich das ganze Turnier sacken gelassen und wirklich reflektiert habe, konnte ich ausschließlich positive Emotionen herausziehen. Die EM hat nicht nur in uns etwas ausgelöst, sondern in der ganzen deutschen Fußballwelt. Das waren Momente, die ich immer in mir tragen werde.“

Kleinherne: „Wir haben sehr viel für den Frauenfußball in Deutschland erreicht“

SPORT1: Am Ende reichte es in einem engen Duell gegen die Gastgeberinnen aus England nur zur Silber-Medaille. Was überwiegt inzwischen: Der Frust über die Niederlage oder die Freude darüber, was Sie als Mannschaft geleistet haben?

Kleinherne: „Wir sind alle Sportlerinnen genug und wollen ein Finale gewinnen. Die Niederlage gegen England hat uns deshalb auch extrem mitgenommen. Dennoch nehme ich rundum positive Emotionen aus diesem Turnier mit. Wir haben sehr viel für den Frauenfußball in Deutschland erreicht. Wenn es nun gelingt, den Schwung mitzunehmen und Nachhaltigkeit zu erzielen, dann kann das rückblickend mehr wert sein als ein Titel.“

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SPORT1: Auffällig war die Begeisterung rund um die Frauenfußball-Europameisterschaft. Allein in Deutschland warfen 17,9 Millionen Menschen zum Endspiel die TV-Geräte an. Haben Sie eine Idee, wie diese Euphorie auch in die Bundesliga transportiert werden kann?

Kleinherne: „Das ist natürlich unser Ziel. Die Situation bei der EM soll keine einmalige sein. Wir wollen solch eine großartige Stimmung mit vielen Fans jedes Wochenende in der Liga erleben. Dafür sind die Vereine gefragt, sie müssen gemeinsam mit dem DFB die Strukturen schaffen.

Davon sind wir derzeit aber leider noch weit entfernt. Es bringt uns nichts, wenn wir international Top-Bedingungen vorfinden und diese dann in den Klubs nicht haben. In den Vereinen wird der Grundstein dafür gelegt, dass eine Spielerin auch international erfolgreich sein kann.

Es kommt nicht von ungefähr, dass der größte Teil der Nationalmannschaft vom FC Bayern und VfL Wolfsburg abgestellt wird. Sie haben aktuell mit die besten Strukturen. Deshalb muss man dieser Ursache auf den Grund gehen, damit ein Equal Play möglich ist.“

DFB-Star: „Das wären nicht wir, wenn wir plötzlich Millionen mehr verdienen würden“

SPORT1: Sie sprechen Equal Play an. Das bedeutet, dass für Frauen im Sport Aufmerksamkeit für Themen geschaffen und fortan aktuelle Entwicklungen beleuchtet werden. Doch auch Equal Pay ist ein großes Thema, für das sich selbst Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) einsetzt. Wie stehen Sie zu dieser Debatte?

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Kleinherne: „Ich will das Equal Play nicht in den Vordergrund stellen. Unser Sport lebt von der Leidenschaft auf dem Feld. Das wären nicht wir, wenn wir plötzlich Millionen mehr verdienen würden. Uns als Mannschaft zeichnet es aus, dass wir den Sport leidenschaftlich ausleben. Wir haben Lob für unsere Ehrlichkeit und Authentizität erhalten. Geld spielt bei uns gar nicht so eine große Rolle.

Wichtiger sind die generellen Strukturen - auch wenn eine Erstligaspielerin von ihrem Job leben sollte. München und Wolfsburg dürfen in der Bundesliga nicht die Ausnahme sein. Wenn uns das nicht gelingt, dann bleibt die gesamte Entwicklung auf der Strecke. Entscheidend sind Top-Trainingsbedingungen, Regenerationsbedingungen und die Möglichkeit, sich bestmöglich entwickeln zu können.“

SPORT1: Können Sie konkretisieren, was Sie unter Ihrer Aussage, dass „Strukturen geschaffen werden müssen“ verstehen? (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Frauen-Bundesliga)

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Kleinherne: „Das Problem mit den fehlenden Strukturen betrifft die gesamte Bundesliga. Es gibt nur zwei bis drei Klubs, in denen die Strukturen generell passen. Das ist eine ausbaufähige Quote. Bei manchen Vereinen mangelt es schon an der Einheitlichkeit auf dem Platz, was Trainingskleidung angeht, andere arbeiten neben der sportlichen Belastung noch einige Wochenstunden, um über die Runden zu kommen.

Wie soll da ein fairer Wettbewerb stattfinden? Man muss im Frauenfußball auch den Menschen abseits des Platzes sehen und schützen und darauf achten, was er zusätzlich leisten muss. Das sind Dinge, die dürfen auf einem solchen Top-Niveau nicht passieren. Wir wollen uns mit den großen Nationen vergleichen. Fußballerisch haben wir das Potenzial dazu, aber strukturell gibt es noch Luft nach oben.“

SPORT1: Haben Sie ein Beispiel, welches Land als Vorbild dienen könnte?

Kleinherne: „Wenn ich das Prämiensystem in den USA sehe und welche Strukturen und medizinischen Bedingungen dort vorherrschen, dann ist das eine andere Welt. Deshalb sind uns diese Strukturen auch wichtiger als Geld. Wir werden nicht aufhören, für mehr Rechte zu kämpfen. Die EM-Einschaltquoten haben gezeigt, dass die Fans uns gerne zusehen.

Damit das so bleibt, müssen wir zu Uhrzeiten spielen, in denen die Fans ins Stadion gehen oder vor den Fernsehern sitzen können. Jetzt sind Verband, Vereine und TV-Anstalten gefragt. Wir geben unser Herz und unsere Leidenschaft auf dem Platz. Wir werden nicht aufhören, die Menschen zu begeistern. Aber das können wir nicht mehr allein stemmen, sondern nur alle gemeinsam.“

Kleinherne: „Wir werden mit den aktuellen Strukturen in unserer Entwicklung stagnieren“

SPORT1: Wie sehen Sie den Stand der Dinge bei Eintracht Frankfurt?

Kleineherne: „Ich erlebe hier zwei Seiten. Wir leben bei Eintracht Frankfurt von den Fans. Zum Eröffnungsspiel werden wir eine Rekord-Kulisse von tausenden Fans erleben, die uns anfeuern werden. Das ist überragend, da sind wir ein Vorbild für viele Vereine.

Aber auch wenn sich seit der Fusion (1. FFC Frankfurt und Eintracht Frankfurt fusionierten im Sommer 2020, Anm. d. Red.) vieles verbessert hat: Bei unseren Bedingungen wie dem Trainingsplatz unter der Woche haben wir noch Luft nach oben. Auch Frankfurt kann sich da noch gewisse Dinge von anderen Klubs abschauen und damit in der Folge bessere Spielerinnen von sich und dem Projekt überzeugen oder auch halten.

Ich glaube, dass wir mit den aktuellen Strukturen in unserer Entwicklung stagnieren werden. Es muss aber etwas passieren, wir wollen uns mit Top-Mannschaften vergleichen. Fußballerisch haben wir das Zeug dazu, doch die Strukturen müssen verbessert und angepasst werden. Das weiß auch der Vorstand und hat die Themen im Blick. Deshalb ist das auch kein Vorwurf, hier sind alle super bemüht.

Dennoch gibt es Kleinigkeiten, die wir optimieren müssen, damit wir auch international eine wichtigere Rolle einnehmen können. Diesmal sind wir leider in der ersten Runde der Champions League gescheitert. Wir dürfen uns nicht mit dem zufriedengeben, was wir haben oder erreicht haben. Sonst bleiben wir als Gesamtverein in der Entwicklung stehen. Stagnation ist immer ein Rückschritt.“

  • „Die Bayern-Woche“, der SPORT1 Podcast zum FCB: Alle Infos rund um den FC Bayern München – immer freitags bei SPORT1, auf meinsportpodcast.de, bei Spotify, Apple Podcasts und überall, wo es Podcasts gibt

Frankfurterin will sich „mit Bayern und Wolfsburg messen können“

SPORT1: Kommunikativ ist der Verein aber sehr stark bemüht. Die Verantwortlichen schauen bei Spielen vorbei, die Wichtigkeit der Frauenfußball-Mannschaft wird oft betont. Spüren Sie einen besonderen Geist in der Zusammenarbeit?

Kleinherne: „Eintracht Frankfurt ist eine Einheit. Wir merken auch jeder Situation, dass wir als ein Verein gesehen werden. Es gibt mit Ausnahme der Strukturen keine Abgrenzung oder Unterscheidung zwischen Männern und Frauen. Die Verantwortlichen achten darauf, dass wir als großes Ganzes gesehen werden, wir stehen nicht im Schatten der Männer.

Bei den Europa-League-Reisen, die wir zum Viertelfinale nach Barcelona oder zum Endspiel nach Sevilla mitgemacht haben, merkte man in jeder Sekunde, dass Eintracht Frankfurt zusammensteht. Es war ein unglaubliches Ereignis, dass die Männer den Pokal gewonnen und sich beide Teams für die Champions League qualifiziert haben.

Das sind Erfolge, an denen wir uns alle hochziehen können. Die Spieler und der Vorstand kommen auch bei unseren Spielen vorbei, sie haben Ansprachen in unserer Kabine gehalten. Das sind Zeichen der Wertschätzung und das haben wir anderen Vereinen deutlich voraus.“ (DATEN: Die Tabelle der Frauen-Bundesliga)

SPORT1: Am Freitag starten Sie mit Eintracht Frankfurt in die neue Saison gegen den FC Bayern. In den vergangenen sechs Jahren wurde der VfL Wolfsburg fünfmal Meister. Was ist in dieser Saison möglich für Ihre Mannschaft?

Kleinherne: „Der FC Bayern und Wolfsburg haben ihren Kader verändert, noch einmal verstärkt. Ich freue mich aber auf den Vergleich gegen die Münchnerinnen am ersten Spieltag. Wir haben in der vergangenen Saison gezeigt, dass wir beide Mannschaften ärgern können.

Daher ist es auch unser Anspruch, dass wir uns mit Bayern und Wolfsburg messen können. Wir haben das Potenzial im Kader und Trainerteam. Die erste Partie im Deutsche Bank Park vor dieser tollen Kulisse mit unseren Fans im Rücken wird uns beflügeln.“

Eintrachts Ziel ist das internationale Geschäft

SPORT1: Welche Rolle können Sie in dieser Saison einnehmen?

Kleinherne: „Es ist mein sechstes Jahr in Frankfurt. Ich habe Höhen und Tiefen miterlebt, egal ob es positive oder negative Emotionen waren. Daraus kann ich viel mitnehmen. Mein persönlicher Anspruch liegt darin, als Führungsspielerin voranzugehen. Ich möchte immer ein offenes Ohr haben und als eine Art Bindeglied die jungen Spielerinnen an die Bundesliga heranführen.“

SPORT1: Wie würden Sie sich als Spielerin auf dem Feld beschreiben?

Kleinherne: „Ich bin eine schnelle und zweikampfstarke Spielerin und habe den Vorteil, dass ich als Innen- und Außenverteidigerin gesehen werde. Ich bin flexibel einsetzbar, liebe das offensive Spiel und will Verantwortung übernehmen. Auf dem Feld haue ich gerne dazwischen und bin präsent.“

SPORT1: Kann die Eintracht in diesem Jahr ein ernsthaftes Wörtchen im Titelrennen mitreden?

Kleinherne: „Wenn man in die Mannschaft reinhört, dann ist mindestens Platz drei das Ziel. Dafür werden wir als Team kein Stück weniger investieren. Wir wollen wieder international mitspielen und uns dort erfolgreicher und besser präsentieren.

Das frühe Aus gegen Ajax Amsterdam hat uns mitgenommen. Das haben wir nicht verdient, so wie das gelaufen ist. Deshalb weiß ich genau, dass wir noch mehr investieren werden, damit wir zukünftig auf internationaler Ebene noch reifer auftreten können.“