Seine Tränen gingen um die Welt.
Der letzte Anlauf eines Ex-Weltstars
Es ist der 4. Juli 2014. Kolumbien hat gerade im Viertelfinale der WM mit 1:2 gegen Gastgeber Brasilien verloren. Am Boden, im roten Trikot mit der Nummer 10, kniet James Rodríguez und weint bitterlich. Die Brasilianer David Luiz und Dani Alves kommen zu ihm und versuchen ihn zu trösten.
David Luiz zeigt sogar demonstrativ auf den Kontrahenten und fordert das brasilianische Heim-Publikum auf, James zu feiern. Viele tun es und klatschen Beifall für den Shootingstar der WM. James wird gefeiert.
Die WM in Brasilien war seine Bühne. Der junge Kolumbianer gewann den Goldenen Schuh mit fünf Toren, begeisterte mit seiner spektakulären Spielweise, wie im Achtelfinale gegen Uruguay, als James aus 30 Metern sehenswert per Volley traf. Ein Weltstar war geboren.
Von diesem Weltruhm sind acht Jahre später nur noch seine 49,6 Millionen Follower auf Instagram übrig. Mit gerade einmal 31 Jahren spielt er nun in Griechenland, nachdem er am Deadline Day aus Katar gekommen war. Doch wie konnte es zu diesem Absturz kommen?
James stürzt nach vielversprechendem Start ab
Nach der WM 2014 ging der steile Aufstieg von James ungebremst weiter. Real Madrid sicherte sich die Dienste des Kolumbianers für 75 Millionen Euro. Die Königlichen und der 23 Jahre junge Weltstar: Das klang nach einer perfekten Verbindung.
Und zunächst ging der Plan auf. James glänzte unter Trainer Carlo Ancelotti mit wettbewerbsübergreifend überragenden 35 Scorer-Punkten. Nur mit großen Titeln wollte es nicht funktionieren und so musste James‘ großer Förderer Ancelotti gehen.
Es begann ein schleichender Abstieg. Bei Real rutschte er unter Rafael Benítez und Zinédine Zidane in der Hierarchie deutlich nach unten. Beide Coaches setzten auf ein 4-3-3 ohne Zehner. Mit seiner neuen Rolle als einer von vielen kam James nicht zurecht.
Er galt als Spieler, der eine gewisse Sonderbehandlung braucht. Auf dem Trainingsplatz wurde ihm bisweilen Leidensbereitschaft vorgeworfen, abseits des Platzes, so wurde berichtet, genoss er das Madrider Nachtleben.
Auch Zeit in München endet unglücklich
James wollte raus aus Madrid und neu anfangen. Zu seinem Glück hatte sein einstiger Förderer Ancelotti gerade beim FC Bayern angeheuert. Und so wechselte der Spielmacher für zwei Jahre auf Leihbasis zum deutschen Rekordmeister.
Der damals 26-Jährige begann in München vielversprechend und brachte es in der ersten Saison auf 22 Scorerpunkte. James war aber auch in München nur einer von vielen. Er konnte sich nie als unangefochtener Stammspieler etablieren. Nach nur 13 Scorerpunkten im zweiten Jahr entschied sich Bayern gegen eine feste Verpflichtung.
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Der Kolumbianer war in München aber auch nie richtig glücklich. „Es gab Tage, an denen ich um 9 Uhr mit dem Auto in einer Eiseskälte zum Training gefahren bin. Da habe ich mich gefragt: ‚Was mache ich eigentlich hier?‘“, verriet er im Interview mit Comutricolor.
Zurück in Madrid, verschlechterte sich die Situation von James noch mehr. Hatte er in München zumindest ab und an gespielt, war er bei Real nahezu außen vor, wirkte wie ein Fremdkörper.
Erneuter Neustart unter Ancelotti
Und so musste 2020 wieder sein Förderer Ancelotti herhalten. Dieser trainierte mittlerweile den englischen Mittelklasse-Klub FC Everton.
In England lief es für den zuneigungsbedürftigen James erstmal super. Gemeinsam mit Richarlison und Dominic Calvert-Lewin zauberte er in den ersten Spielen auf der Insel. Die Toffees grüßten kurzzeitig sogar von der Tabellenspitze. James war in seinen ersten fünf Spielen an fünf Toren beteiligt.
Doch dann wiederholte sich seine (Leiden-)Geschichte der vergangenen Jahre. Er bekam kleine körperliche Probleme, hatte Fitness-Defizite, war kein unangefochtener Stammspieler mehr und fiel schließlich eher durch Geschichten abseits des Platzes auf, als auf dem Grün zu glänzen.
Nachdem Ancelotti Everton den Rücken kehrte und ausgerechnet Benítez, unter dem James schon bei Real in Ungnade gefallen war, als neuer Trainer anheuerte, war es klar, dass die Zeit des Kolumbianers auch hier nach einem Jahr, 26 Spielen und 15 Torbeteiligungen, endete.
James fällt nur noch abseits des Platzes auf
James selbst machte im Sommer 2022 auch keinerlei Anzeichen, in England bleiben zu wollen. Als seine Teamkollegen in die Saison starteten, feierte er lieber auf einer Yacht vor Ibiza.
Damit aber nicht genug: In einem Livestream auf Twitch zeigte er nochmal ganz genau, wie wenig ihn sein Team damals interessiert. „Ich weiß gar nicht, gegen wen Everton demnächst spielt. Könnt ihr mir das mal erzählen?“, fragte James seine Fans.
Und sieben Jahre nach seiner Gala bei der WM standen auf einmal keine Interessenten mehr Schlange. Es blieb Ende September 2021 nur noch ein Wechsel nach Katar zu Al-Rayyan SC. Vom Glanz des einstigen Golden Boy und Weltstars war nicht mehr viel übergeblieben. (James fällt in Kater vermehrt negativ auf)
Kein Wunder, dass sein früherer Trainer Benítez ihn nach seinem Abgang scharf kritisierte: „James präferiert Geld und ein komfortables Leben. Das ist ihm wichtiger als der Wettkampf und der Erfolg im Fußball.“
Nichtsdestotrotz lockte am Deadline Day 2022 der Super League Multi-Millionär Evangelos Marinakis den gefallenen Star aus der Wüste zu Olympiakos Piräus. „Eine neue Etappe beginnt. Ich bin mit dem Debüt zufrieden, das ist erst der Anfang. Wir werden uns für die Ziele des Teams einsetzen“, sagte James nach seiner Pflichtspiel-Premiere, die bei Aris Thessaloniki 1:2 aber verloren ging.
Letzte Chance? James will zurück auf den Olymp
Der Unternehmer und Reeder ist nicht nur Präsident des griechischen Serienmeisters, sondern auch der Besitzer. Zudem gehört Marinakis auch Premier-League-Aufsteiger Nottingham Forrest. (BERICHT: Das ist Nottingham Forest)
Nachdem der Big Boss in den griechischen Medien immer wieder kritisiert wurde, er würde sich ausschließlich auf Nottingham konzentrieren und nur Spieler für den englischen Meister von 1978 verpflichten, startete er doch noch eine große Transfer-Offensive bei Olympiakos. (BERICHT: Woher hat Nottingham so viel Geld?)
15 neue Spieler wechselten nach Piräus. Die schillerndsten Namen darunter: Real-Legende Marcelo und eben James, der einen letzten Anlauf zurück auf den Olymp versucht. 20.000 Fans feierten die Transfercoups der beiden Stars frenetisch.
Dass kurz nach deren Vorstellung eine 0:3-Schlappe gegen den SC Freiburg in der Europa League folgte, soll nur ein kleiner Schönheitsfehler gewesen sein. Denn fortan sollen James und Co. wieder zaubern und Fußball zelebrieren. Am liebsten so, wie damals bei der WM in Brasilien.
James letzte Ausfahrt in Europa heißt nun Athen. Hoffentlich ist er richtig abgebogen.