Pep Guardiola brachte es kürzlich auf den Punkt, als er sich lobend über Ralf Rangnick und seine Landsleute äußerte.
Klopp zum BVB? Berater hat Vermutung
„Die deutschen Trainer arbeiten auf einem Top-Level. Ich habe viel von ihnen gelernt. Sie arbeiten bei Top-Klubs in England, leisten hervorragende Arbeit und haben bewiesen, wie gut sie sind“, sagte der Teammanager von Manchester City.
Neben Rangnick, seit vergangener Woche neuer Teammanager von Manchester United, nannte Guardiola auch Jürgen Klopp (FC Liverpool) und Thomas Tuchel (FC Chelsea) als Beispiele. Marc Kosicke freut sich natürlich über das Lob. Er hat sich seit vielen Jahren auf die Beratung von Trainern spezialisiert.
Zu seinen Klienten gehören neben Klopp auch Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt oder David Wagner, seit dieser Saison Cheftrainer beim Schweizer Traditionsverein Young Boys Bern. Bis August 2020 betreute Kosicke auch Bayern-Trainer Julian Nagelsmann.
Im SPORT1-Interview spricht der 50-Jährige über Guardiola, die deutschen Trainer und eine mögliche Rückkehr von Klopp in die Bundesliga.
SPORT1: Herr Kosicke, es gibt einen neuen Trend in der Premier League. Deutsche Trainer sind dort die Stars. Sehen Sie das auch so?
Marc Kosicke: Das könnte man annehmen. Natürlich hat Jürgen als Pionier zusammen mit David Wagner, als dieser noch in Huddersfield war, gezeigt, dass auch sehr gute Trainer aus Deutschland kommen. Ich zähle jetzt einfach mal auch Ralph Hasenhüttl dazu, der zwar Österreicher ist, aber überwiegend als Trainer in Deutschland gearbeitet hat. Diese ganzheitliche Herangehensweise, die man als deutscher Trainer mit einem breiten Horizont hat, gefällt den Eigentümern in England. Ihnen ist es wichtig, dass ein Trainer nicht nur nach der Mannschaft auf dem Platz schaut, sondern dass sich im Verein auch Strukturen verändern und insgesamt der Wert des Klubs steigt. Manchmal ist es vielleicht langweilig, Jürgen zu zitieren ...
SPORT1: Nur zu…
Kosicke: Er sagte 2015 bei seiner Vorstellung: „Danke für euren Applaus, aber es ist überhaupt nicht wichtig, was ihr denkt, wenn ich herkomme, es ist mir viel wichtiger, was ihr denkt, wenn ich irgendwann mal wieder gehe.“ Und darum geht es den Trainern doch. Jeder Trainer im Ausland ist Markenbotschafter aller deutschen Trainer. Der Trend zu deutschen Trainern ist berechtigt.
SPORT1: Hat es Sie überrascht, dass David Wagner es nicht noch mal in England versucht hat, sondern den Neustart in der Schweiz wagte?
Kosicke: David hatte auch ein konkretes Angebot aus England und er hat schon wieder stark in diese Richtung tendiert. Aber man darf nicht vergessen, dass Corona dann doch einiges mit uns allen gemacht hat. Und dann ist da auch immer ein bisschen Heimweh. Seine Frau hat ihre Praxis immer in der Nähe der Bergstraße. Von der Schweiz dorthin ist es ein Katzensprung. Er wollte auch noch mal ein neues Land ausprobieren. Und Stéphane Chapuisat und Christoph Spycher, zwei echte Fußball-Fachmänner, haben David da schon einen interessanten Weg aufgezeigt.
Kosicke: „Eine Reihe hochkarätiger Trainer“
SPORT1: Hat Deutschland die besten Trainer?
Kosicke: Ich tu mich immer schwer mit solchen Superlativen. Deutschland hat sicherlich eine Reihe hochklassiger Trainer von internationalem Format. In anderen Ländern gibt es die auch, aber wir haben in den zurückliegenden Jahren ganz schön aufgeholt. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass drei von vier Top-Premier-League-Klubs deutsche Trainer haben. Hinzukommt, dass Bern mit David einen deutschen Trainer hat, der FC Zürich auch (Andre Breitenreiter, Anm. d. Red.), die PSV Eindhoven hat mit Roger Schmidt einen deutschen Coach, Sandro Schwarz macht bei Dynamo Moskau einen Riesenjob und der türkische Nationaltrainer ist mit Stefan Kuntz ebenfalls ein Deutscher. Das ist doch bemerkenswert.
SPORT1: Welchen Trainer würden Sie noch gerne vertreten?
Kosicke: Ich spreche nicht gerne über Trainer, die schon Berater haben. Ich sage ja auch nicht zu einem Freund, dass ich gerne mit seiner Frau etwas anfangen würde (lacht). Ich finde Trainer wie Steffen Baumgart, Daniel Farke oder Ole Werner schon spannend. Und natürlich Christian Streich. Mit ihm würde ich gerne mal zu Abend essen. Wir sind sehr gut ausgelastet mit unserem Portfolio. Aber der Markt ist dynamisch und es kommen immer neue spannende Typen dazu, die eine tolle Karriere vor sich haben könnten.
Insgesamt steht unser Kern mit Trainern. Es kommt immer mal einer dazu. Mit Stefan Kuntz und Bo Svensson (Mainz 05, d. Red.) arbeiten wir erst seit dem vergangenem Jahr zusammen- und das sehr erfolgreich. Mich freut es aber auch, wenn Michael Frontzeck (Co-Trainer beim VfL Wolfsburg, d. Red.) auf noch mal bei einem Champions Legaue Teilnehmer auf der Bank sitzt. Oder, wenn Torsten Lieberknecht wieder beweisen kann, dass er ein richtig guter Trainer und sowieso ein sensationeller Typ ist. Es werden auch immer welche dazu kommen...
SPORT1: Sie haben auch drei neue Talente, richtig?
Kosicke: Stimmt. Da ist zum Beispiel Tobias Schweinsteiger (Co-Trainer beim 1. FC Nürnberg, d. Red.). Oder Bartosch Gaul (U23-Trainer bei Mainz 05, d. Red.) und Martin Heck (U17-Trainer beim 1. FC Köln, d. Red.). Das sind drei coole Typen und noch bessere Trainer, die schon auf dem Radar einiger Klubs sind und ihren Weg gehen werden. Das macht nach wie vor sehr viel Freude, junge Trainer auf Ihrem Weg zu begleiten.
Guardiola schwärmt von Klopp und Co.
SPORT1: Pep Guardiola hat sich als Fan der deutschen Trainer geoutet. Er sagte: „Die deutschen Trainer arbeiten auf einem Top-Level, ich habe viel von ihnen gelernt.“ Was sagen Sie zu solch einer Huldigung?
Kosicke: Ach, der Pep (schmunzelt). Ich glaube, es ist immer leicht, als Weltklasse-Trainer mit vielen Titeln im Rücken den Kollegen Kredit zu geben. Und wenn etwas mit den deutschen Trainern so augenscheinlich ist wie gerade, dann ist das ein schönes Lob. Ich denke auch, dass andersrum die deutschen Trainer sagen: „Pep Guardiola hat uns inspiriert.“ Auch Jürgen sagt oft, es sei klasse, Pep in der Liga zu haben und sich den Fußball von Pep Guardiola anzuschauen. Obwohl die beiden ja einen unterschiedlichen Ansatz haben. Es freut mich, dass dieser gegenseitige Respekt da ist.
SPORT1: Warum haben Sie sich eigentlich damals auf die Beratung von Trainern spezialisiert?
Kosicke: Ich hatte schon während meiner Zeit bei Nike mit vielen Trainern in der Bundesliga Kontakt und habe diese oft als diejenigen wahrgenommen, die rund um die Uhr Entscheidungen treffen müssen, aber im Vergleich zu den Spielern in der Gehaltsstruktur weit zurück liegen, vor allem wenn man bedenkt, wer die Verantwortung vor allem im Misserfolg trägt. Dass aber der Trainer, wenn er einen ganzheitlichen Ansatz hat, die wichtigste Person im Klub ist und dementsprechend auch bezahlt werden muss, das war neu. Wir haben in dieser Hinsicht sicher viel Pionierarbeit geleistet und davon profitieren heute auch alle Trainer und andere Berater.
SPORT1: Haben Klopp, Tuchel und Co. Guardiola auch etwas beeinflusst? Und wenn ja, wie sehr?
Kosicke: Nicht beeinflusst, aber durch Reibung entsteht Wärme. Und wenn man sich so oft sieht und so oft gegeneinander spielt, dann ist das nicht nur vom Wettkampf geprägt, sondern von gegenseitiger höchster Wertschätzung. Wenn beide Seiten es schaffen, auf ihre Art und Weise Fußball zu spielen, der unterschiedlich interpretiert wird, ist das großartig. Der eine mal etwas verkopfter, vielleicht ein bisschen strategischer, der andere auch strategisch, aber mit noch mehr Romantik zum Zweikampf und zur Schnelligkeit. So entstehen bessere Mannschaften und spannendere Spiele.
Klopp und Afrika-Cup:“Ungerechte Wortklaubereien“
SPORT1: Im vergangenen Jahr hatte man den Eindruck, dass Klopp seine Emotionen nicht ganz im Griff hatte. Zuletzt gab es den Wirbel um den Afrika-Cup, wo er sich sogar öffentlich entschuldigen sollte. Mussten Sie ihn da einfangen?
Kosicke: Mit Jürgen Klopp kann man immer Auflage machen oder Klicks generieren. Da waren wir beide sehr entspannt, weil Jürgen nie einen Wettbewerb kleiner reden würde. Jedes Turnier hat für ihn den gleichen großen Stellenwert. Wenn das jemand falsch verstehen möchte, dann ist das so. Dass Jürgen mit einem sehr heterogenen Team verschiedenster soziokultureller Herkünfte Erfolge feiert und alle sich mögen, spricht ja für sich. Es ist hart, wenn ich das über ihn lese oder wenn er das über sich liest, aber ich muss ihn da nicht einfangen. Jürgen ist alt und erfahren genug, diese Situationen angemessen zu meistern.
SPORT1: Ist es aber für Klopp nicht auch ermüdend, dass er sich immer wieder erklären muss und dass ihm seine Emotionen um die Ohren fliegen?
Kosicke: Emotionen sind wichtig für seine Arbeit. Jürgen ist viel gelassener, ruhiger und ein besserer Manager geworden, weil er noch mehr delegieren muss. Er hat trotzdem den Hut auf und die große Gabe, alle mitzunehmen. Und er ist natürlich erfolgreicher geworden. Mit allen Problemen und Verletzungssorgen in der vergangenen Saison noch Dritter zu werden, konnte man gar nicht genug schätzen. Und natürlich regt man sich über ungerechte Wortklaubereien auf. Es geht dabei - wie erwähnt - ja um Auflage auf seine Kosten. Mit den Jahren hat man eine ungefähre Ahnung, wie das Geschäft funktioniert.
Klopp-Comeback in der Bundesliga?
SPORT1: Klopp ist im siebten Jahr bei den Reds. Ist ein Comeback in der Bundesliga überhaupt noch denkbar oder ist das eine Nummer zu klein?
Kosicke: Die Bundesliga zu klein? Jürgen ist ein Kind der Bundesliga und verfolgt sie auch aus der Ferne. Zu Mainz 05 und zum BVB schielt er immer mal rüber, weil er da einfach eine tolle Zeit verbracht hat. Aber über eine Rückkehr macht er sich gerade gar keine Gedanken. Wir hatten nie einen Karriereplan und sind immer gut damit gefahren, im Jetzt zu leben und zu arbeiten. Nicht nur die Fußballwelt ist dynamisch, sondern auch das reale Leben. Wir leben im Hier und Jetzt - das ist herausfordernd genug.
SPORT1: Würde er noch mal zum BVB gehen?
Kosicke: Kann ich nicht sagen. Aber generell scheint eine aufgewärmte Liebe immer schwierig.
SPORT1: Und wie denken Sie über einen Wechsel zum FC Bayern in der Zukunft?
Kosicke: Das ist momentan genauso schwer vorstellbar. In Jürgens Kopf ist neben dem LFC momentan kein Platz für Zukunftsplanungen. Außerdem wird der FC Bayern in den nächsten Jahren kein Defizit auf der Trainerposition haben. Sie haben einen der besten deutschen Trainer aus der jungen Generation, der auch noch waschechter Bayer ist. Und er hat zudem noch Erfolg. Sieht nach einem Perfect Match aus.
SPORT1: Wie haben Sie die ersten Monate von Julian Nagelsmann bei den Bayern verfolgt? Sind Sie traurig, dass er nicht mehr bei Ihnen ist?
Kosicke: Ich habe nur noch mit einem Auge hingeschaut, da meine Aufmerksamkeit bei unseren Klienten gefordert ist. Wir haben ein total aufgeräumtes Verhältnis. Ich wünsche ihm allen Erfolg, den er haben kann. Julian macht es anscheinend sehr gut. Die Bayern sind Erster und sind auch in der Champions League locker durchgerannt. Glückwunsch an die Bayern und an Julian. Da haben sich zwei gefunden.
Rangnick zu Manchester United: „War sein Lebenstraum“
SPORT1: Waren Sie überrascht vom Wechsel von Ralf Rangnick zu ManUnited? Er war mal Ihr Klient.
Kosicke: Ich war überrascht, dass es endlich dazu gekommen ist. Ralf hatte sich irgendwann mit einer Beratertätigkeit selbstständig gemacht und hatte ein interessantes Mandat bei Lokomotive Moskau. Ich freue mich für ihn. Ein Topklub in der Premier League - das war sein Lebenstraum. Auch da wünsche ich ihm fast maximales Glück. Solange sie immer einen Platz unter Liverpool bleiben, ist das okay.
SPORT1: Aber es ist erstaunlich, dass es jetzt zu dem großen Coup kam?
Kosicke: Man muss sich den jetzigen Trainermarkt anschauen. Die deutschen Trainer im Ausland haben momentan einen guten Track Record. Fast alle stehen mit ihren Mannschaften in den jeweiligen europäischen Ligen unter den Top 4. Klopp und Tuchel in der Premier League, Schwarz in Russland, Schmidt in den Niederlanden, Wagner in der Schweiz. Die Tabelle lügt bekanntlich nicht. Ich glaube, dass man sich das Know-How von Ralf, sowohl als Trainer, als auch als Club-Builder und Sportdirektor dort jetzt zunutze macht und sagt: „Komm‘, wir machen das mal bis zum Saisonende und vielleicht wird es dann weitergehen. Ansonsten soll uns Ralf beratend zur Seite stehen.“
Kosicke: Mit diesem Trainer war es besonders aufregend
SPORT1: Für welchen Ihrer Trainer war 2021 besonders hart oder aufregend? Wagner? Klopp? Kohfeldt?
Kosicke: Durch die besonderen Umstände aufgrund der Pandemie für jeden individuell herausfordernd. Besonders aufregend war es für mich natürlich mit Florian Kohfeldt, weil ich Bremer bin, der Klient beim Herzensverein verliert und man sieht, dass auf einmal eine Negativspirale beginnt, die warum auch immer nicht mehr aufzuhalten ist, obwohl man gefühlt schon den Klassenerhalt geschafft hat. Der fast tägliche Austausch mit Florian in dieser Zeit hat mich sehr an die Hinrunde 2014/15 mit Jürgen Klopp und Dortmund erinnert, als der BVB dann 17. oder 18. war. Du kannst machen, was du willst, irgendwie läuft es nicht. Wenn man jetzt ketzerisch wäre, würde man sagen, der Florian Kohfeldt ist eigentlich nicht abgestiegen mit Werder Bremen. Der war nicht mehr da, als man abgestiegen ist. Generell fühlt man sich natürlich verantwortlich. Es tut schon weh, Werder in der 2. Liga zu sehen.
Kosicke verteidigt Wagner: „Das lag nicht nur am Trainer“
SPORT1: Und Wagner?
Kosicke: David Wagner hat seine Schalke-Zeit sehr gut reflektiert und die richtigen Schlüsse gezogen. Es hatte ja auch Gründe, warum es bei Schalke nicht so lief. Das lag nicht nur am Trainer. Ich weiß gar nicht, ob irgendeiner der Verantwortlichen aus dem Vorstand oder Aufsichtsrat noch da ist, von denen, die ihn geholt haben. Es war einfach eine verkorkste Situation dort und von der Kader-Zusammenstellung nicht gerade eine Mannschaft. Er hat das für sich alles super verarbeitet.
SPORT1: Wie war es bei Klopp?
Kosicke: Bei Jürgen kamen Themen dazu, die den Job erschweren. Wenn man in der Corona-Zeit in einem anderen Land ist und auch immer schauen muss, wer gesund ist, wer nicht, wie es überhaupt weitergeht und wann man die Familie besuchen kann. Dass er Gegenwind bekommt, wenn es sportlich mal nicht so läuft, kennen wir doch. Und wir wissen auch, wie so etwas funktioniert. Wenn jemand so lange so erfolgreich ist, warten doch alle auf den Misserfolg.