Im Süden von Frankfurt, nur einen Steinwurf vom Stadion der Eintracht entfernt, hat Union Niederrad mitten im Wohngebiet seinen Sitz.
Der Ex-Profi, der in der Kreisliga spielt
Der am 22. Juli 1907 gegründete Traditionsklub hat in seiner langen Vereinsgeschichte Ausrufezeichen gesetzt und brachte unter anderem den späteren Eintracht-Profi Wolfgang Solz (242 Pflichtspiele mit 91 Toren/2017 im Alter von 77 Jahren verstorben) hervor.
Viele Jahrzehnte später geht wieder ein großer Name für die Niederräder auf Torejagd. Der Kreisoberligist – also der Achtligist – konnte mit Nando Rafael einen Ex-Profi locken.
So kam Nando Rafael zu Union Niederrad
Der Vater eines ehemaligen Spielers von Union Niederrad hat auf den Angreifer eingeredet. „Er hat mich ein Dreivierteljahr damit genervt“, sagte Rafael im Gespräch mit SPORT1 lachend. „Er sagte: ‚Du musst zu Union Niederrad gehen. Es gibt keinen anderen Verein in Frankfurt, wo du spielen kannst.‘“
Die Überzeugungsarbeit hat gewirkt. 176 Erst- und Zweitligaspiele mit 48 Toren schmücken die Vita von Rafael, der in Deutschland für Hertha BSC, Borussia Mönchengladbach, FC Augsburg, Fortuna Düsseldorf und den VfL Bochum auf Torejagd ging.
Die Liebe zog ihn dann ins Rhein-Main-Gebiet, nach dem Ende der Profizeit ging es daher von seinem Wohnsitz in Düsseldorf zu seiner heutigen Frau nach Frankfurt.
„Ich bin Nando und ein Mensch wie jeder andere auch“
Rafael hat sich in kürzester Zeit bei seinem neuen Klub integriert. SPORT1 besuchte ihn in der Vorweihnachtszeit am Trainingsplatz des Traditionsklubs. Bei Mitspielern und Jugendlichen kommt Rafael sofort sehr gut an. „Hey Nando“, riefen ihm die Kids beim Vorbeigehen zu.
Rafael ging auf die Jungs zu. Kurzer Smalltalk, glückliche Gesichter, gute Laune – der gebürtige Angolaner strahlt Herzlichkeit und Wärme aus, sein Lachen ist ansteckend.
„Ich bin Teil der Mannschaft und des Vereins. Ich bin Nando und ein Mensch wie jeder andere auch. Natürlich habe ich den Vorteil, dass ich Profi war. Ansonsten gibt es zwischen meinen Kollegen und mir keine Unterschiede“, zeigte sich Rafael demütig.
Er habe einfach „Bock auf Fußball“. Die Coronazeit ging auch an ihm nicht spurlos vorbei, ein paar Kilogramm zu viel gelangten auf die Rippen des noch immer so drahtigen Rafaels: „Ich brauche dieses Gefühl. Vereinsleben, die Jungs um mich herum, den Rasen. Das Spiel ist immer das gleiche und das wird mich nie loslassen.“
Das ist die erste Frage in der Kabine
Aber wie lautete die erste Frage in der Kabine?
„'Wie ist es, vor 80.000 Zuschauern zu spielen?‘ Das ist natürlich etwas Besonderes. Aber es ist total cool, den Jungs von diesen Erlebnissen zu erzählen“, sagte Rafael.
Er nahm eine kurze Pause, strich sich kurz durch den Bart: „Die Zeit als Profifußballer ist etwas, was mir Gott gegeben hat. Deshalb möchte ich nach 14 Jahren etwas zurückgeben.“
Unter Trainern wie Huub Stevens, Falko Götz oder Jupp Heynckes hat Rafael viel Erfahrung gesammelt. Doch am prägendsten für ihn waren die Jahre mit Jos Luhukay, mit dem er in Gladbach und Augsburg aufgestiegen ist.
„Jos ist menschlich super. Es ist wichtig, dass man kompetent ist, mit Spielern umgehen und eine Mannschaft formen kann. Er hatte ein gewisses Konzept und jeder hat es verstanden. Dadurch haben wir die Ziele dann auch erreicht“, erinnerte sich Rafael zurück.
„China war ein Kulturschock für mich“
Auch seinen Ausflug nach China will er nicht missen, wenngleich die rund 18 Monate fernab der Familie für den zweifachen Familienvater äußerst schwierig waren.
„Ich wollte Erfahrung sammeln, weil ich ein Kulturmensch bin. Aber insgesamt war der Aufenthalt in China ein Kulturschock für mich“, führte Rafael aus.
„Sie haben dort eine komplett andere Denkweise. Obwohl ich sieben Sprachen spreche, habe ich einen Dolmetscher benötigt. Es gab zwar einige englischsprachige Mitspieler. Ich habe trotzdem länger gebraucht, um mich zu akklimatisieren.“
Rafael bereute das Abenteuer dennoch nicht: „So eine Möglichkeit hat man nicht jeden Tag. Das war eine Zeit, in der viele Spieler nach Asien gegangen sind.“
„Nando ist ein Riesengewinn“
Doch jetzt lautet das Abenteuer nicht mehr China, sondern Union Niederrad. In der Kreisoberliga belegt der Klub einen Abstiegsrang, einen Treffer Richtung rettendes Ufer steuerte Rafael bereits bei.
Khalid Lamjahed, seit 1995 im Verein tätig und derzeit erster Vorsitzender, schwärmt vom früheren Profi: „Wir freuen uns, dass wir die gemeinsame Zeit mit Nando erleben dürfen. Er ist für Verein und Mannschaft ein Riesengewinn.“
Die Rückmeldungen von den Kameraden seien positiv: „Das Feedback ist super. Nando ist nicht abgehoben. Auch er geht beim 5-gegen-2 in die Mitte, wenn er den Ball verliert.“
Doch Verlieren soll in der Rückrunde nicht mehr auf der Tagesordnung der Niederräder stehen – damit in der kommenden Saison mit Rafael vielleicht dann sogar höhere Ziele als der Klassenerhalt angepeilt werden können.