Bislang war Jonas Hofmann der große Pechvogel, wenn es um die deutsche Nationalmannschaft ging. Verletzungen und eine Corona-Infektion verhinderten, dass der Mittelfeldstar von Borussia Mönchengladbach im DFB-Team große Ausrufezeichen setzen konnte.
Die Wahrheit hinter den Bayern-Gerüchten
Der neue Bundestrainer Hansi Flick setzt auch auf die Flexibilität des 29-Jährigen und lud ihn zu seinen ersten WM-Spielen gegen Liechtenstein (Donnerstag, ab 20.45 Uhr im LIVETICKER), Armenien und Island ein.
Im SPORT1-Interview verrät Hofmann, wie ihn Flick umschulen will, wie er sich von Joachim Löw verabschiedete und ob er sich einen Wechsel zum FC Bayern vorstellen kann.
SPORT1: Herr Hofmann, Joachim Löw hat sie im EM-Vorbereitungslager als Rechtsverteidiger getestet. Was hat Hansi Flick mit Ihnen vor?
Jonas Hofmann: Hansi Flicks Plan ist, dass ich auch in der Viererkette hinten rechts zum Einsatz kommen könnte. Ich bin auf jeden Fall flexibel einsetzbar, dadurch gebe ich dem Trainer hoffentlich viele Möglichkeiten.
SPORT1: Eine Umschulung mit 29 Jahren ist ungewöhnlich.
Hofmann: Ich bin bereit, neue Dinge zu lernen und habe total Bock drauf. Auch hinten rechts kann man sich sehr gut einbringen und nach vorne Akzente setzen.
SPORT1: Mal mussten Sie beim DFB mit einer Corona-Infektion vorzeitig abreisen, während der EM waren Sie verletzt. Ist das jetzt ein Neustart?
Hofmann: So kann man es sehen! Bevor ich hierhergefahren bin, haben mich viele gefragt, ob ich diesmal gesund bleibe. Leider konnte ich bislang keinen DFB-Lehrgang komplett mitmachen. Trotzdem muss ich sagen: Die EM war eine absolut geile Erfahrung für mich. Auch wenn ich aufgrund einiger Verletzungen nicht spielen konnte. Mit Hansi Flick beginnt jetzt ein neues Kapitel. Ich hoffe, dass ich fit und gesund bleibe und endlich auch beim DFB Fuß fassen kann.
Ziel Weltmeister? “Manuel Neuer hat es richtig gesagt”
SPORT1: Hansi Flick ist ein großer Freund von Kommunikation.
Hofmann: Das lebt er auch so vor und so geht er diesen Neuanfang mit seinem Team auch sehr gut an. Ich habe das Gefühl, dass die Mannschaft total Bock hat! Manuel Neuer hat es richtig gesagt: Unser Ziel ist der Weltmeister-Titel im nächsten Jahr! Das vermittelt uns der Trainer auch.
SPORT1: Wie lief der Anruf ab, als Sie von Hansi Flick nominiert wurden?
Hofmann: Ich saß gerade mit meinen Mitspielern von Borussia Mönchengladbach beim Mittagessen, als der Anruf von Hansi kam. Ich bin kurz rausgegangen. Wir haben wirklich nur kurz miteinander sprechen können. Er hat gesagt, dass ich dabei bin und dass er sich freut. Wir haben im Sommer bereits lange telefoniert und über die Zukunft gesprochen.
SPORT1: Haben Sie sich von Joachim Löw verabschiedet?
Hofmann: Er hat sich bei unserer Mannschaft nach dem Ausscheiden persönlich verabschiedet. Ich habe ihm damals alles Gute für Zukunft gewünscht. Aber danach gab es keinen Kontakt mehr mit Jogi.
SPORT1: Apropos Kontakt. Mads Buttgereit ist der neue Standard-Spezialist und will den Nationalspielern mit technischen Hilfsmitteln zeigen, wie man bei ruhenden Bällen effizienter wird.
Hofmann: Mit ihm haben wir einen absoluten Spezialisten dazubekommen. Auch er kann möglicherweise die letzten Prozentpunkte bei uns rausholen. Es gab kürzlich mal eine Statistik, die besagt, dass jedes dritte Tor im Fußball aus einem Standard fällt. Ruhende Bälle sind also enorm wichtig und in diesem Punkt waren wir zuletzt nicht effektiv genug. Deshalb sehe ich Mads als bereichernden Neuzugang an.
SPORT1: Wer schlägt im DFB-Team die besten Standards? Es ist nur ein Name erlaubt.
Hofmann: (Überlegt lange) Eine fiese Frage. Joshua Kimmich tritt viele Freistöße, Marco Reus hat ein super Füßchen, und Leroy Sané hat‘s auch drauf.
“Ich würde die Fünferkette nie ganz ausschließen”
SPORT1: Das waren drei Namen. Wer sollte es am ruhenden Ball besser sein lassen?
Hofmann: Die Torhüter (lacht). Ich sag‘s mal so: Solange der Ball dort eintrifft, wo er hinsoll, dann ist es egal, wer ihn schlägt.
SPORT1: Schlägt man Liechtenstein, Armenien und Island im Vorbeigehen?
Hofmann: Die Niederlage gegen Nordmazedonien hat gezeigt, dass wir jede Mannschaft ernst nehmen müssen. Dieser Fehler darf uns nie mehr passieren. Denn auch diese Mannschaften spielen guten Fußball. Unser Ziel ist, dass wir in dieser Gruppe Erster werden wollen und müssen. Das hat Hansi Flick in einer Sitzung in dieser Woche auch betont.
SPORT1: Wie bereitet sich die Mannschaft auf Liechtenstein vor?
Hofmann: Genauso wie auf andere Nationen. Wir haben in der Hotel-Lobby einen großen Bildschirm aufgestellt, an dem wir uns jederzeit bestimmte Spielszenen von Liechtenstein angucken können. Außerdem kriegen wir wichtige Szenen von unseren Gegenspielern aufs Handy gespielt. Ich kann mich nur wiederholen: Die Vergangenheit hat gezeigt, dass wir auf der Hut sein müssen. Wir wollen von Anfang an zeigen, dass für Liechtenstein gegen uns nichts zu holen sein wird. Wir wollen in den drei Spielen Vollgas geben und alle gewinnen.
SPORT1: Dafür plant Hansi Flick mit der Viererkette. War es das endlich mit der zuletzt so wenig erfolgreichen Dreierkette?
Hofmann: Ich würde die Fünferkette nie ganz ausschließen. Denn in der Nationalmannschaft haben wir viele gute Spieler, die mehrere Systeme spielen können. Klar ist, dass Hansi Flick in Bayern das 4-2-3-1-System gerne und erfolgreich hat spielen lassen. Daran will er auch beim DFB vorerst festhalten. Wir haben zudem viele Bayern-Spieler, die genau wissen, wie Hansi spielen will. Diese Philosophie wird er sicher auch uns Nicht-Bayern einpflanzen.
SPORT1: Eine gute Überleitung. Zuletzt gab es Gerüchte um Ihren möglichen Wechsel zum FC Bayern. Was passiert in solchen Tagen bei Ihnen persönlich?
Hofmann: Ich hatte tagelang enorm viele Nachrichten auf dem Handy. Es hat ständig geklingelt. Ich habe das dann zwischendurch mal bei Seite gelegt. Aber ich bin ein entspannter und lockerer Typ und lasse alles auf mich zukommen. Ich finde zudem, dass es völlig legitim ist, dass man sich im Berufsleben auch nach möglichen Veränderungen umschaut. Das macht doch jeder so. Sie als Reporter genauso wie wir Fußballer und natürlich beschäftige ich mich damit, wenn der FC Bayern Interesse an mir zeigt. Meine Leistungen auf dem Platz beeinflusst das aber nicht. Mit meinem Tor am Sonntag gegen Union Berlin habe ich das gezeigt.
Nagelsmann? “Der Kontakt ist nie abgerissen“
SPORT1: Mit Julian Nagelsmann sprachen Sie lange nach dem Auftaktspiel gegen die Bayern in den Katakomben.
Hofmann: Ja, denn unser Verhältnis ist sehr gut. Wir kennen uns jetzt schon seit fast 15 Jahren. Denn ich war seit der D-Jugend in Hoffenheim. Da kennt man mit der Zeit jeden. Julian hat ein, zwei Jahrgänge unter mir trainiert. Der Kontakt zwischen uns ist nie abgerissen.
SPORT1: Ist ein zeitnaher Vereins-Wechsel geplant? Schließlich waren nicht nur die Bayern an Ihnen dran…
Hofmann: Ich finde, dass es eine Bestätigung für meine Arbeit ist, wenn ich mit großen Vereinen in Verbindung gebracht werde. Das ist eine Ehre und macht mich stolz. Natürlich höre ich mir sowas auch an und wäge dann genau ab, was für und gegen einen Wechsel sprechen würde.
SPORT1: Sie sind bei der Borussia geblieben. Ist es ein Nachteil für einen Nationalspieler, wenn er, wie Sie, Matthias Ginter und Florian Neuhaus nicht international spielt?
Hofmann: Im ersten Jahr unter Marco Rose haben wir aber auch nicht international gespielt. Das kann ein Vorteil sein, weil die Trainingswochen intensiver sind, man fitter ist und sich gezielter auf die Gegner vorbereiten kann. Aber klar ist auch, dass es schöner wäre, wenn wir in der Champions League oder Europa League spielen würden.