Was haben Deutschlands EM-Held Oliver Bierhoff, die italienischen Weltmeister von 2006, Andrea Barzagli und Simone Perotta, und der argentinische Zerstörer des aktuellen Pariser Starensemble, Leandro Paredes, gemeinsam? Richtig: Sie spielten in ihrer Karriere alle einmal für Chievo Verona.
Italiens Rekordverein am Boden
Ein Verein, der einst die Märchengeschichte des italienischen Fußballs verkörperte. Ein Klub, der aus der tiefsten Liga bis in die Champions League stürmte. Nun wurde aus dem Traum ein Albtraum. „Heute ist der traurigste Tag meines Lebens“, schreibt Chievos Rekordspieler Sergio Pellissier auf seinem Instagram-Account.
Der Klub ist pleite und nun wieder dort angelangt, wo er bei seiner Gründung 1929 startete.
Als der Verein vor knapp 90 Jahren von einigen Fußballfans aus Chievo, einem Vorort von Verona, gegründet wurde, erteilte der Italienische Verband nicht einmal eine Lizenz für eine der Amateurligen, und so spielte der Verein zunächst nur bei Hobbyturnieren.
Durchmarsch unter Luigi und Luca Campedelli
Auch nachdem Chievo die Lizenz erhielt, hielt sich der Klub lange ausschließlich in den Niederungen des italienischen Fußballs auf.
Der Aufstieg begann im Jahr 1964 mit Luigi Campedelli als Präsidenten. Unter der Regie des Süßwarenproduzenten schaffte Verona den Aufstieg in die Serie D (1975), in die Serie C2 (1986) und in die drittklassige Serie C1 (1989).
Auch nach dem Tod des Klubbosses im Jahr 1992 ging es steil weiter nach oben. Campedellis Sohn Luca übernahm und war mit 23 der damals jüngste Präsident eines italienischen Fußballvereins. Unter ihm stieg der Klub 1994 in die zweite italienische Liga, die Serie B, auf.
Als Aufsteiger gleich ins internationale Geschäft
2001 war es dann geschafft. Unter Trainer Luigi Delneri stieg Chievo Verona in die Serie A auf. Als erster Mannschaft überhaupt gelang es den Veneziern, von der untersten in die oberste Liga Italiens aufzusteigen. Damit aber nicht genug: Chievo qualifizierte sich bereits in der ersten Saison sensationell für den UEFA-Pokal.
Auch in den darauffolgenden Jahren etablierte sich die Mannschaft aus dem Vorort Veronas in der Serie A und platzierte sich regelmäßig in der oberen Tabellenhälfte. (DATEN: Ergebnisse und Spielplan der Serie A)
Die Saison 2005/06 sollte dann der Höhepunkt der Vereinsgeschichte werden. Chievo beendete die Saison auf dem siebten Platz. Durch den Manipulationsskandal in der Serie A rückte der Klub auf Platz vier und qualifizierte sich für die dritte Qualifikationsrunde der Champions League. Dort zog Chievo gegen Levski Sofia den Kürzeren - ein Wendepunkt in der Vereinshistorie.
Nach Champions-League-Teilnahme folgt der schleichende Abstieg
Denn in diese Regionen sollte Chievo nicht mehr kommen. Auf die Teilnahme an der Königsklasse folgte der Abstieg in die Serie B. Zwar gelang ein Jahr später der direkte Wiederaufstieg und die Venezier spielten noch bis 2019 in der Serie A, aber der Verein befand sich stets in den unteren Tabellenregionen.
Hinzu kamen immer wieder Schlagzeilen über finanzielle Probleme. Wegen einer angeblichen Bilanzfälschung drohte 2018 sogar der Zwangsabstieg. (DATEN: Tabelle der Serie A)
2019 folgte dann der erneute sportliche Abstieg in die Serie B, die angespannte Finanzsituation verschärfte sich. Nun, knapp 15 Jahre nach der Champions-League-Teilnahme, folgte das endgültige Aus. 18 Millionen Euro Steuerschulden sorgten dafür, dass dem Verein die Lizenz für die Serie B entzogen wurde.
Selbst für die Serie D fehlte das Geld. Auch ein letzter Rettungsversuch von Rekordspieler und Vereinslegende Sergio Pellissier scheiterte. „Ich bedauere, dass ich nicht genug Zeit für eine Rettung hatte. In der aktuellen Zeit ist es wirklich schwer, Sponsoren zu finden“, teilte Pellissier nach dem endgültigen Aus mit. So blieb dem Klub nur noch eine Neugründung.
Nach Neugründung startet Chievo wieder in der niedrigsten Liga
FC Chievo 1929 heißt der neue Verein unter der Leitung von Pellissier. Antreten wird der Klub in der tiefsten Klasse Italiens, der dritten Amateurliga. Also genau dort, wo vor knapp 90 Jahren der märchenhafte Aufstieg begann.
Noch immer ist Chievo Verona der einzige Verein, der es aus der niedrigsten Klasse bis in die Serie A geschafft hat. Ein erneuter Durchmarsch käme einem Wunder gleich.
Chievos Geschichte zeigt aber, dass man es auch von ganz unten nach oben schaffen kann. Zumindest diese Hoffnung und die Erinnerungen an bessere Zeiten bleiben den Fans.