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Lewis Holtby bei SPORT1 über den Hamburger SV, Fehler und die eigene Karriere

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Lewis Holtby bei SPORT1 über den Hamburger SV, Fehler und die eigene Karriere

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Holtby: Das HSV-Geständnis

Lewis Holtby gilt für seine Kritiker als das Gesicht des HSV-Abstiegs. Jetzt wehrt er sich bei SPORT1 dagegen und spricht zudem über die schwerste Zeit als Fußballer.
Lewis Holtby galt 2018 als Gesicht des HSV-Abstiegs, doch der Mittelfeldspieler lehnt diese Darstellung entschieden ab.
Lewis Holtby gilt für seine Kritiker als das Gesicht des HSV-Abstiegs. Jetzt wehrt er sich bei SPORT1 dagegen und spricht zudem über die schwerste Zeit als Fußballer.

Lewis Holtby hat schon viel erlebt in seiner Karriere. Beim FSV Mainz 05 war er Teil der gefeierten Bruchweg-Boys, bei den Traditionsklubs Schalke 04 und Hamburger SV erlebte er aufregende Jahre, in der Premier League sammelte er neue Erfahrungen. Trotz dieses bunten Karriere-Weges bleibt seinen Kritikern vor allem die Zeit bei den Rothosen in Erinnerung, mit denen er abstieg und den direkten Wiederaufstieg verpasste.

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Für sie ist Holtby bis heute das Gesicht der Krise. Lange hat er geschwiegen, jetzt gab der 30-Jährige SPORT1 ein bemerkenswertes Interview.
 
SPORT1: Herr Holtby, das Youtube-Video bei SPORT1 mit dem Titel "Was macht eigentlich Lewis Holtby?" haben in den zurückliegenden drei Monaten 250.000 User angeschaut. Obwohl Sie seit zwei Jahren nicht mehr in Deutschland Fußball spielen, sind viele Menschen also noch an Ihnen interessiert. Wie geht es Ihnen heute?
 
Lewis Holtby: Echt? 250.000? Cool. Mir geht es sehr gut. Ich bin mit meiner Familie zusammen und das war im vergangenen Jahr nicht der Fall. Wenn ein Baby in einer heißen Corona-Phase mit Ausgangssperren und Flugverboten auf die Welt kommt, dann ist das alles andere als leicht. Jetzt sind wir zusammen und das genießen wir total.
 
SPORT1: Sie haben zuletzt bei Blackburn Rovers gespielt. Was kommt jetzt?
 
Holtby: Ich bin Feuer und Flamme für ein neues Abenteuer. Ich möchte noch mal angreifen bei einem Verein, der wie ich die Leidenschaft für den Fußball lebt. Ich werde 31 und da will ich nicht die Füße hochlegen und einen auf La Paloma machen, sondern ich bin absolut bereit eine geile, neue Herausforderung anzugehen. Und ich freue mich, wenn es bei einem tollen Klub klappen könnte.
 
SPORT1: Sie haben in England noch für Tottenham und Fulham gespielt. In Deutschland für Alemannia Aachen, den VfL Bochum, Schalke 04, Mainz 05 und den HSV. Welcher Fußball taugt Ihnen mehr?
 
Holtby: Ich denke der deutsche. Meine beste Zeit hatte ich in Deutschland. Die Erfahrungen, die ich in England haben machen dürfen, waren sehr lehrreich, und die Zeit war auch wirklich schön, aber der Fußball in der Championship in den vergangenen zwei Jahren ist doch etwas brutaler. Da gibt es viel mehr Kopfball-Zweikämpfe und die Intensität ist eine ganz andere. Wir haben fast alle drei Tage gespielt. Es gab also nicht die Möglichkeit sich konzentriert auf eine Partie vorzubereiten. Taktisch und technisch ist der deutsche Fußball auch besser.

SPORT1: Sie waren immer ein Spieler, der gerne auch mal ausgeschert ist. Wie sehen Sie heute junge Profis?
 
Holtby: Diese Unbekümmertheit in jungen Jahren war sehr wichtig. Ich erinnere mich gerne an die Boyband-Nummer in Mainz. (zusammen mit Andre Schürrle und Adam Szalai, d. Red.), damals kam es gut an, dass wir frischen Wind rein gebracht haben. Diese Unbekümmertheit ist für eine Mannschaft sehr wichtig. Aber wir wurden von den älteren Spielern auch zurechtgewiesen, wenn wir dann über die Stränge schlugen. Wenn man jung ist, geht man schnell aus sich raus, denkt man ist nach einem Spiel der Coolste. Aber die erfahrenen Jungs haben da den Daumen drauf gehalten.
 
SPORT1: Wie ist es heutzutage?
 
Holtby: Da ist es für junge Spieler gefährlicher, weil alles bei Instagram zu sehen ist. Alles wird größer und digitaler. Der junge Profi wird immer mehr zu einer Aktie. Die Klubs bauen mehr auf junge Spieler, weil sie hohe Ablösesummen generieren können. Heute können die erfahrenen Spieler den jungen nicht mehr so schnell einen mitgeben, weil die Talente oft das Tafelsilber der Vereine sind.

Holtby: "Da dachte ich mir mir kann keiner etwas" 

SPORT1: Haben Sie als junger Spieler auch gedacht 'Ich bin der Coolste'?

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Holtby: Ja. Es gab Momente, da dachte ich mir kann keiner etwas. Ich war von zu Hause Bodenständigkeit gewohnt, aber plötzlich stand ich auf der großen Bühne des Fußballs und viele Leute klopften mir auf die Schulter. Irgendwann war ich jemand, der ich eigentlich gar nicht sein wollte. Da lief ich oft rum, als wäre ich King Karl. (lacht) Aber dann habe ich auch mal eins in die Fresse bekommen und das hat mich dann wieder runtergeholt. Du brauchst als Jungprofi gute Menschen um dich herum, um die Balance halten zu können.

SPORT1: Warum glauben Sie, dass Sie für die Leute noch so interessant sind?

Holtby: Es ist natürlich schön, wenn die Fans immer noch an mich denken. Ich habe für viele polarisiert, dabei habe ich doch nur meine Meinung gesagt und über den Tellerrand hinausgeschaut. Ich wurde leider oft an den Pranger gestellt, dabei war ich nur ehrlich und habe gesagt, was ich denke. Ich will mich gar nicht rausreden, aber ich kam das eine oder andere Mal falsch rüber. Ich bin auch nur ein Mensch, der Emotionen lebt und in der Vergangenheit auch mal mental etwas verarbeiten musste. Wir Fußballer sind keine Roboter, die ein Programm installiert haben und danach handeln. Ich war nie ein eiskalter Typ. Ich komme vom Dorf, da sagt man sich auch mal die Meinung und verteidigt seinen Standpunkt. Ich habe nicht immer alles mit mir machen lassen. Doch bei früheren Interviews von mir schüttele ich heute den Kopf.

SPORT1: Warum?
 
Holtby: Früher hätte ich manchmal ruhiger sein müssen. Aber das lag in meinem Naturell. Vieles habe ich im jungen Wahnsinn gemacht. Heute denke ich mehr nach und schalte einen Gang runter. Vor allem seit ich Vater geworden bin.

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SPORT1: Lassen Sie uns über Ihre HSV-Zeit sprechen. Sie haben gutes Geld verdient, doch Ihre Kritiker sagen, dass dies nicht im Verhältnis zu Ihrer Leistung stand. Was sagen Sie dazu?
 
Holtby: Ganz ehrlich? Was damals beim HSV für Gehälter gezahlt wurden und wie wir da als Mannschaft gespielt haben, das stand in keinem Verhältnis zueinander. Unsere Leistung war nicht korrekt. Und solch ein Gehalts-Thema rückte immer wieder in den Vordergrund, weil es oft Theater in der Chefetage gab. Auch andere Spieler verdienen einen Batzen Geld, aber beim HSV wurden immer dieselben Jungs wie zum Beispiel ich angegriffen. Ich wurde oft nur als raffgieriger Geldgeier hingestellt. Das war ungerecht.

"Es gab Tage, da habe ich mich komplett eingesperrt"

SPORT1: Wie fanden Sie denn die generelle Leistungskultur beim HSV. Es soll Spieler gegeben haben, die waren etwas bequem und waren zufrieden mit dem, was sie haben. Tolle Stadt, großer Verein, wenig Leistung.

Holtby: Ausgeruht hat sich zu meiner Zeit kein Spieler. Klar, wenn man für den HSV spielt und in dieser wunderschönen Stadt lebt, dann ist das unglaublich und macht etwas mit dir. Da hast du als Profi ein privilegiertes Leben. Aber es war keiner zu bequem. Es gab Tage, da habe ich mich komplett eingesperrt. Ich wollte auch nicht mehr essen gehen, weil es mir an die Nieren ging, als wir keinen Erfolg hatten. Wir haben hart gearbeitet und wollten in der Abstiegssaison das Ding rumreißen, aber warum das nicht geklappt hat, kann ich rückblickend nicht sagen. Es kamen viele Trainer, viele Vorstände, es gab viele internen Querelen - es war eine Riesen-Explosion beim HSV. Wenn alle an einem Strang gezogen haben, konnten wir Punkte sammeln. Leider war das immer nur von kurzer Dauer mit dem Zusammenhalt. 

SPORT1: Wie sehr hat Sie dieses ständige Kommen und Gehen belastet?
 
Holtby: Sehr. Es war brutal. Der HSV liegt mir immer noch sehr krass am Herzen. Deshalb bin ich mit dem Klub auch in die 2. Liga gegangen, weil ich dieses Dilemma wiedergutmachen wollte. Wenn ich dieser Geldgeier gewesen wäre, hätte ich auch sonst wo hin wechseln und einen fetten Vertrag unterschreiben können. Ich wollte mit dem HSV den Turnaround schaffen, aber in der 2. Liga fing der ganze Mist von vorne an. Ich bin wie schon gesagt nicht vor die Tür gegangen, das hat mich wirklich runter gezogen. Zu der Zeit hatte ich einen Mental-Trainer. Da kamen bei mir Selbstzweifel auf.
 
SPORT1: Was ist dran an dem Gerücht, dass ein neuer Spieler einmal Extra-Schichten machen wollte, doch einige Spieler sagten ihm er solle doch lieber mit an die Alster gehen.
 
Holtby: Das stimmt nicht. Es ist Wahnsinn, was da so erzählt wird. Es kam immer so rüber, dass wir an die Alster gefahren sind und den Champagner rausgeholt und gefeiert haben, dass wir 17. sind. Es gab viele Tage und Nächte, da war das kein Spaß mehr war beim HSV.

SPORT1: Was war Ihr größter Fehler beim HSV oder in Ihrer Karriere?
 
Holtby: Ich spreche lieber von Erfahrungen, die ich gemacht habe. Jeder Mensch läuft nicht perfekt durch das Leben, ich auch nicht. Gewisse Dinge habe ich einfach so machen müssen. Wichtig ist doch, dass man daraus lernt. Ich bin oft großkotzig rübergekommen und das tut mir jetzt leid. Heute ärgere ich mich, dass ich das eine oder andere aus der Emotion heraus gesagt habe. Auch dass ich vor meiner Suspendierung beim HSV so explodiert bin, das bereue ich heute.

SPORT1: Es gab beim HSV den Spieler Emir Spahic. Es geriet auch mal mit Ihnen aneinander und es gab den Ausspruch: "Ihr Pussys geht mir besser aus dem Weg!" In dieser Saison wurde der Verein Zehnter.

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Holtby: Ich hatte mit Emir nie ein Problem. Ein Zoff in der Kabine ist okay. Es muss nur immer respektvoll bleiben. Emotionen sind wichtig und Emir war ein Spieler, der immer sehr viel Leidenschaft gezeigt hat - auf und neben dem Platz. Er hat mit 34 immer noch jeden Tag knallhart trainiert, war topfit und ist mit seiner Härte vorangegangen. So einen braucht jede Mannschaft. Manchmal ist es mit ihm etwas ausgeartet. (lacht) In der Saison damals waren wir nicht einmal auf einem Abstiegsplatz. Da ging es also.

Holtby: "Ich wurde oft angefeindet"

SPORT1: Viele Kritiker sehen in Ihnen heute noch das Gesicht des Abstiegs. Was erwidern Sie denen?

Holtby: Fußball spielt man immer noch mit elf Mann auf dem Rasen und hat einen Kader von 20 plus. Ich stand oft vor der Kamera und wurde oft angefeindet. Auch für meine klare Meinung. Vor der ersten Zweitliga-Saison sagte man mir, dass ich keine Rolle mehr spielen werde, doch ich habe den Kampf angenommen. Mir wurde von den vier Trainern attestiert, dass ich super trainiere, aber ich saß nicht mal auf der Bank. Das war einfach nur krass. Die Abstiegssaison war von der Quote die beste, die ich hatte, wir sind aber als Team abgestiegen. Ich war nicht das Gesicht des HSV-Abstiegs.

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SPORT1: War das Ihre härteste Zeit als Fußballer?

Holtby: Ja. ich habe da den Fußball näher kennengelernt. Ich fühlte mich als Spielball inmitten des HSV-Chaos. Ich habe gespielt und saß dann eine Woche später wieder auf der Tribüne. Ich musste in dieser Zeit sehr viel schlucken. Fußball war immer mein Leben. Ich bin nie auf den Platz gegangen, weil ich meinem Hobby nachgehen wollte. Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. In dieser schweren Zeit lernte ich meine Frau auf der Tribüne kennen. Das sportlich schrecklichste Jahr beim HSV war auch das Schönste.

"Ich habe mich nie verstellt"

SPORT1: Haben Sie sich in Ihrer Karriere oft missverstanden gefühlt?

Holtby: Es gab Momente, da wurde ich respektlos behandelt. Es hat sich so angefühlt, als ob alles meine Schuld war. Oft hatte ich es verdient, weil alles, was du in den Wald rein schreist, kommt zurück. Aber ich habe mich nie verstellt. Ich bereue gar nichts. Ich habe viel gelernt und kann meinem Kind heute sagen: 'Mach nicht das, was der Papa damals gemacht hat'.

SPORT1: Wie stufen Sie die Zeit beim HSV in Ihrer Karriere ein?

Holtby: Es war trotz des Ärgers die beste Zeit. Ich habe unheimlich viel gelernt und ich habe emotional noch nie so etwas erlebt wie im Volksparkstadion. Diese Freude, Trauer, Leidenschaft und Treue der Fans sind unbegreiflich. Das geht mir heute noch unter die Haut und da kamen mir das erste Mal Tränen in die Augen. Dieser Verein ist der Wahnsinn.

SPORT1: Warum schafft es der HSV mit dem Potenzial seit drei Jahren nicht aufzusteigen?

Holtby: Ich kann das wirklich nicht erklären. Das ist mir ein absolutes Rätsel.

SPORT1: Würden Sie gerne noch mal für Ihre Ex-Klubs Schalke oder den HSV spielen? Oder beim 1. FC Magdeburg bei Ihrem ehemaligen Trainer Christian Titz? Oder sind Sie sich zu schade für die 3. Liga?

Holtby: Ich würde sehr gerne nach Deutschland zurückkehren, bin offen für vieles. Es muss ein Verein sein, der Bock auf mich hat. Ich kann nicht irgendwo hingehen, wo es nicht passt. Ich bin noch lange nicht satt, habe Lust auf ein fußballerisch geiles Projekt. Mein Ziel ist die 1. oder 2. Liga ohne despektierlich gegenüber der 3. Liga zu sein. Eins ist klar: Christian Titz hat einen Riesenjob in Magdeburg gemacht.