Ein Knall mit Ansage!
Wer kann den DFB retten?
Der Weg für eine neue Spitze beim DFB ist frei. Fritz Keller hat als dritter Boss des Deutschen Fußball-Bundes in Folge seinen Rücktritt angekündigt.
Der 64-Jährige zog mit seinem Schritt die Konsequenzen aus einem Nazi-Vergleich, den der erst seit September 2019 im Amt befindliche Präsident in Richtung seines Stellvertreters Rainer Koch geäußert hatte.
Der CHECK24 Doppelpass mit Kevin Großkreutz und Patrick Helmes am Sonntag ab 11 Uhr im TV auf SPORT1
Neuer DFB-Präsident wird 2022 gewählt
Keller werde sein Amt nach der Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht am kommenden Montag zur Verfügung zu stellen, teilte der DFB nach einer außerordentlichen Sitzung des Präsidiums mit.
Auch Generalsekretär Friedrich Curtius muss gehen. Die Vizepräsidenten Koch und Peter Peters werden den Verband vorübergehend als gleichberechtigte Interimspräsidenten leiten. Ziel sei es, einen "Übergang in ruhige Fahrwasser" zu ermöglichen. Koch wird aber beim nächsten Ordentlichen Bundestag nicht mehr für das Amt des ersten Vizepräsidenten Amateure kandidieren.
Der DFB verkündete, dass der nächste Bundestag wohl zu Beginn des Jahres 2022 stattfinden wird. Auf dem Bundestag soll dann der neue DFB-Präsident gewählt werden. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass im Vorfeld ein klarer Kandidat auserkoren wird, um eine Kampfabstimmung zu vermeiden. So war es auch bei Keller.
Ruf nach Hoeneß und Rummenigge - vergeblich?
An namhaften Vorschlägen für Kellers Nachfolge mangelt es nicht. Der frühere Bundestrainer Berti Vogts trommelte in der Rheinischen Post für Uli Hoeneß: "Für mich braucht es an der Spitze des Verbandes einen starken Mann - und das kann eigentlich nur Uli Hoeneß sein. BERICHT: DFB-Boss? "Kann nur Hoeneß sein")
Der Bayern-Ehrenpräsident ist als Keller-Nachfolger aber ebenso unwahrscheinlich wie der scheidende FCB-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge, der seine Ablehnung am Samstag nochmals betonte. (BERICHT: Rummenigge wettert gegen DFB)
Wenn Hoeneß und Rummenigge keine Optionen sind, stellt sich die Frage: Wie geht es nach Kellers Aus beim DFB weiter?
Option 1: Frischer Wind - durch Lahm?
Es könnte ein ähnliches Szenario erfolgen wie bei Ernennung Kellers zum Präsidenten im September 2019. Damals stellte der Gastronom, Winzer und Fußballfunktionär einen Kandidaten von außen dar - also keine Person, die Karriere beim DFB gemacht hat.
Bei diesem Gedanken kommt man schnell auf den Namen Philipp Lahm. Der ehemalige Nationalspieler hat zwar bereits als Chef des Organisationskomitees der EM 2024 einen Job beim DFB, fällt aber trotzdem in die Kategorie frischer Wind.
Das hat zum einen mit dem jungen Alter des 37-Jährigen zu tun, aber auch mit seinem Ruf. Lahm könnte als Reformer auftreten, der grundlegende Veränderungen in den Verband bringen will. Er ist eine Legende im deutschen Fußball und außerordentlich beliebt.
Als Unternehmer hat er gezeigt, dass ihm auch die Funktionärsseite liegt. Zudem verantwortet Lahm mit der Organisation der EM 2024 bereits das wichtigste Projekt der kommenden Jahre. Bis zur Heim-EM muss der DFB sein ramponiertes Image wieder deutlich aufpolieren. Für SPORT1-Chefredakteur Pit Gottschalk ist Lahm der geeignete Mann für diese Aufgabe. (SPORT1-Kommentar: DFB-Beben! Die gerechte Strafe)
Die Angst einiger hochrangiger Mitglieder im DFB könnte sein, dass ein neuer Präsident ohne - oder mit kurzer - DFB-Vergangenheit dahin schaut, wo aus ihrer Sicht nicht hingeschaut werden soll. Für diese Aufgabe wurde Keller in den Verband geholt, aber diese Tätigkeit scheint ihm nun zum Verhängnis geworden sein.
Der Streit rund um den unpassenden Vergleich Kellers ist erst dadurch entstanden, dass der 64-Jährige bei so manchen Akten ganz genau hinsieht. Daher ist fraglich, ob der DFB für Kellers Nachfolger einen womöglich unbequemen Reformer vorsieht.
Eine verwandte Variante ist, dass ein Nachfolger aus der deutschen Politik kommt. Als ein solcher kommt der derzeitige Präsident des deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble in Frage.
Rekordnationalspieler Lothar Matthäus hatte vor einigen Tagen eine Doppelspitze aus Rudi Völler und Karl-Heinz Rummenigge ins Gespräch gebracht. "Am liebsten wären mir beide. Rummenigge als Präsident und Völler als Vize. Selbst wenn es am Ende nur einer wird, hätten wir großen Grund zur Freude", schrieb der 60-Jährige in seiner Sky-Kolumne. Rummenigge hat jedoch keinerlei Interesse an dem Job.
Amateursportvertreterin Ute Groth verlor 2019 die Wahl gegen Keller. Nun will sie erneut kandidieren. "Ich kann mir das schon vorstellen – im Team eben. Wichtig ist jetzt aber, dass es eine große Erneuerung gibt – personell und strukturell", sagte die 62-Jährige der Augsburger Allgemeinen.
Option 2: Etablierung eines Vorstandsvorsitzenden
Derzeit ist der DFB in einen e.V. - der Verband an sich - und eine GmbH rund um die Nationalmannschaft geteilt.
Der Verband könnte sich ein Beispiel an der DFL nehmen, die von einem Vorstandsvorsitzenden geleitet wird, der als operativer Manager auftritt. Der DFB könnte ebenfalls auf einen Vorstandsvorsitzenden setzen, der den Verband dann führen würde, wie es bei einem Unternehmen der Fall ist.
Das würde zur Professionalisierung und Modernisierung des DFB beitragen, was dem Verband mit Sicherheit guttun würde. Es würden beispielsweise umstrittene Gremien abgeschafft werden, an deren Teilnahme einige DFB-Funktionäre verdienen, deren Nutzen zuletzt allerdings überschaubar blieb.
Eine solche Lösung hätte aber auch einen Nachteil. Dieser liegt darin, dass die gemeinnützige Arbeit rund um den Amateurfußball und den Frauenfußball zu kurz kommen könnte. Amateurvereine würden diesen Schritt also wohl nicht gutheißen.
Option 3: Ein Nachfolger aus den eigenen Reihen
So etwas wie der Klassiker beim DFB.
Vor Keller wurde Reinhard Grindel zum Präsidenten gewählt, der zuvor Schatzmeister des DFB war. Gleiches Phänomen zeigte sich bei Theo Zwanziger und Egidius Braun. Nur drei Beispiele von vielen.
Wenn es erneut auf eine interne Lösung hinauslaufen sollte, dann hätte Koch hoch im Kurs gestanden. Der Präsident des bayrischen Fußballverbandes hat allerdings seinen Rückzug aus der DFB-Spitze angekündigt.
Der Schattenmann in dem Gebilde ist Stephan Osnabrügge, der auch gute Chancen auf die Nachfolge von Keller zu haben schien - allein schon, weil er Schatzmeister ist. Der 50-Jährige kann gut mit Zahlen umgehen und ist bekannt dafür, dass er ein Macher ist, der durchgreift. Wie Koch steht er für den Amateursport.
Osnabrügge verkündete bei der Konferenz der Regional- und Landesverbände allerdings, dass er sich beim nächsten DFB-Parteitag nicht zur Wiederwahl stellen will. Es kann also sein, dass er genug vom Konstrukt DFB hat. Es könnte sich aber um taktisches Kalkül handeln, denn Osnabrügge werden eigentlich große Ambitionen nachgesagt.
Wer ist Favorit auf die Keller-Nachfolge?
Die Rückzugs-Ankündigung von Osnabrügge könnte auch mit einem ehemaligen Geschäftsführer des FC Schalke 04 zu tun haben: Peter Peters.
Der 58-Jährige könnte der heimliche Favorit auf die Keller-Nachfolge sein. Peters ist als Vizepräsident des Ligaverbandes gleichzeitig Vizepräsident und Vorstandsvorsitzender beim DFB und aktuell schon gemeinsam mit Koch zumindest vorübergehend an der Spitze des Verbandes.
Peters kommt aus dem Profifußball und ist sowohl in diesem Bereich als auch im DFB beliebt. Das könnte dazu führen, dass er sich in einem "Wahlkampf" gegen interne Mitbewerber durchsetzt. Wenn nicht Lahm noch vorher aus der Deckung kommt.