Uli Borowka hat jahrelang ein Doppelleben geführt.
Borowka: "Richtig fieser Mensch"
Als Fußball-Profi wurde er deutscher Meister, Nationalspieler und auch Europapokalsieger. Als heute trockener Alkoholiker ist er ein großes Vorbild für viele Suchtpatienten. Ein Kontrast, der nicht größer sein könnte, oder wie Borowka sagt: "Vom Fußball-Millionär bis unter die Brücke in die Gosse."
Im SPORT1-Fantalk hat der ehemalige Werder-Kicker vor einigen Tagen über seine Sucht während der Karriere gesprochen. Der 58-Jährige war Alkoholiker, insgesamt 14 Jahre medikamentenabhängig und vier Jahre spielsüchtig.
In den letzten aktiven Jahren bei Werder Bremen sei gerade die Alkoholsucht sehr ausgeartet. "Da habe ich an einem Tag eine Kiste Bier, eine Flasche Whiskey und eine Flasche Wodka gesoffen", erzählte Borowka.
Er war einer der besten Abwehrspieler seiner Zeit in den 1980er und 90er Jahren. Ein harter Verteidiger, wurde "die Axt" genannt. "Stellen Sie sich mal vor, ich hätte gesagt, dass ich auch Gefühle habe und eigentlich gar nicht so ein harter Typ bin. Dann wäre meine Karriere schnell erledigt gewesen", meinte Borowka.
Uli Borowka: "Ich war ein richtig fieser Mensch"
Bereits mit 18 Jahren, als er als Teenager zu Borussia Mönchengladbach gewechselt war, habe er schon Versagens- und Existenzängste gehabt, er habe nie über Gefühle reden können.
Zunächst blieb noch alles im normalen Rahmen ohne "Ausfälle und Abschüsse". Irgendwann habe er aber versucht, alles mit dem Alkohol zu ertränken. Er habe sich dann in Bremen regelmäßig abgeschossen und sei "ein richtig fieser Mensch geworden." Er "brauchte den Alkohol, um auch Stunden vor sich selbst Ruhe zu haben."
Die Krankheit sei ein schleichender Prozess gewesen, der sich über Jahre hinweg entwickelt habe. Sein Trainer und die Mannschaftskollegen hätten das damals mitbekommen, beschreibt Borowka. "Aber wir leben ja in einer Leistungsgesellschaft. Und wenn du Leistung bringst, darfst du auch einmal die Woche vom Stuhl fallen. Sie wussten, sie können sich auf mich verlassen. Bei den Spielen ist der Uli immer da und dann hat man das eben in Kauf genommen, dass er sich mal abschießt."
388 Mal stand Borowka in der Bundesliga auf dem Platz und ist in seinem Team immer vorneweg marschiert. Den Leistungsgedanken habe er nie verloren, Spiele wollte er trotzdem gewinnen.
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"Das haben wir auch meistens geschafft. Dann habe ich mich am Freitag und den Abenden vorher zusammengerissen. Ich hatte aber schon wieder das Belohnungsprinzip im Kopf: Wenn du Leistung bringst und gewinnst, dann kannst du bis Montag durchsaufen. Ich habe immer erst die Leistung gebracht und war immer da, aber der Absturz wurde immer schlimmer."
"Abschießen und Vollsaufen ohne Sinn und Verstand"
Borowka erzählt, dass ihm der Alkohol irgendwann nicht einmal mehr geschmeckt habe. Es ging nur noch um "ein Abschießen und Vollsaufen ohne jeglichen Sinn und Verstand".
Im Jahr 2000 machte er einen Entzug. Vier Monate war Borowka in einer Klinik. Offen und ehrlich spricht er heute darüber.
Wohlwissend, dass Tausende von Menschen zuschauen. Oder gerade deshalb. "Locker 20 Jahre" ging die Strecke der Alkoholsucht. "Dass mein Körper das alles mitgemacht hat, ist schon außergewöhnlich", gibt er zu bedenken.
Suchtfrei: Borowka 21 Jahre ohne Alkohol
Seine Sucht hat Borowka im Griff. Heute, am 9. März, ist er 21 Jahre trocken. Der 56-Jährige sei "sehr stolz auf diese 21 Jahre und auch darauf, was ich in dieser Zeit alles gemacht habe."
Er möchte die Gesellschaft sensibilisieren und wünscht sich, "dass wir uns in Zukunft ein bisschen mehr darauf fokussieren, wenn Menschen Probleme haben mit Süchten. Dann muss auch jemand da sein, der sie versteht." Borowka gibt nämlich zu, dass er alleine nie in die Klinik gegangen wäre.
Sein ehemalige Mönchengladbacher Mitspieler Christian Hochstätter, damals Sportdirektor bei der Borussia, organisierte zusammen mit dem früheren Vereinspräsidenten Wilfried Jacobs, der lange in der Führungsspitze der AOK aktiv war, hinter seinem Rücken einen Platz in der Klinik. "Sie haben mich an einem Punkt erwischt, an dem ich mir gedacht habe: Da hast du ein Dach über dem Kopf, kriegst was zu essen und nach drei Wochen kannst du wieder gehen und kontrolliert trinken."
Zum kontrollierten Trinken kam es im Anschluss nicht mehr. Dafür ist Borowka sehr dankbar und auch stolz, dass er das gepackt hat. Denn erst als er in der Klinik vor dem Spiegel stand, sagte er: "Uli, du bist ein Alkoholiker und sei froh, dass sie dir hier helfen. Seitdem habe ich jeden Tag was dazugelernt."
"Ich selber habe die Fehler gemacht."
Borowka hat 2012 ein Buch mit dem Titel "Volle Pulle. Mein Doppelleben als Fußballprofi und Alkoholiker" geschrieben. 2013 gründete er einen Verein, bei dem Hilfe für Betroffene angeboten wird. "Man sagt ja immer, die hätten mir helfen können oder müssen. Nein! Ich selber habe die Fehler gemacht. Ich hätte mir nie im Leben helfen lassen, weil ich nie der Meinung war, dass ich ein Alkoholproblem habe."
Mit der "Uli Borowka Suchtprävention und Suchthilfe e.V." bietet er nun Betroffenen vertrauliche Beratung und Unterstützung an.