Franz Beckenbauer ist ergriffen, geschockt, fassungslos. Der Kaiser trauert um Argentiniens Fußball-Idol Diego Maradona.
So adelt Beckenbauer Maradona
"Es ist unheimlich schade, unfassbar traurig. Er war ein begnadeter Fußballer", sagt der 75-Jährige SPORT1. Beckenbauer, die Lichtgestalt hierzulande, hat so viele prägende Erinnerungen an die Hand Gottes, wie Maradona seit seinem historischen Hand-Tor während der WM 1986 im Duell mit England genannt wird.
Wie zum Beispiel, als der nun mit erst 60 Jahren einem Herzinfarkt erlegene Ausnahme-Könner sich mit einem 3:2 gegen Deutschland zum Weltmeister krönte - um dann vier Jahre später im erneuten Endspiel gegen das DFB-Team um wieder jenen Teamchef Beckenbauer zum bitteren Verlierer zu geraten.
Was auch so kam, weil Beckenbauer Maradona einen Sonderbewacher zur Seite gestellt hatte.
"Da war der Buchwald (Guido, Anm. d. Red.) prädestiniert. Ich bin da also auch wieder zurückgegangen auf diese Manndeckung, und der Guido Buchwald hat das hervorragend gemacht mit der Unterstützung der Anderen, die um ihn herum waren", sagt der Kaiser bei SPORT1. "1990 war ja auch Maradona schon fast 30, da war er nicht mehr so wirkungsvoll wie vier Jahre vorher."
"Hand Gottes": So erlebte Beckenbauer Maradona
Zur Erinnerung: Beim Turnier in Mexiko war der Stern des argentinischen Superstar vollends aufgegangen, hatte sich Maradona fußballerisch zum Maß aller Dinge aufgeschwungen - trotz, vielleicht ein bisschen auch wegen seines Handspiel-Betrugs, bei dem er zum Kopfball hochstieg, das Leder dann aber doch mit unlauteren Mitteln an Englands herausstürzendem Keeper Peter Shilton vorbeibugsierte.
"Ich war im Stadion und habe schon gesehen, dass da was nicht stimmt, denn er ist hochgesprungen und plötzlich war der Ball im Tor", erinnert sich Beckenbauer. "Also er konnte ihn gar nicht erreichen, der Ball ist über ihn drüber gegangen." Und die Legende um die später von ihm selbst so genannte "Hand Gottes" war somit geboren.
"Aber er hat sich das wohl schon so gedacht mit der Hand", so Beckenbauer. "In dem Moment, wenn du nicht genau hingeschaut hast, hast du es gar nicht gesehen."
Wie Maradonas Gegenspieler manchmal gar nicht schnell genug hinterherschauen konnten, wenn der technisch wie kein Zweiter beschlagene Offensivkünstler sie zu Statisten degradierte.
Beckenbauer: Du konntest Maradona nicht halten
"Du konntest ihn gar nicht halten", sagt Beckenbauer. "Das Mittel war meistens Manndeckung. Dass sein Gegenspieler die Aufgabe hatte, ihn einfach zu beschatten und zwar über 90 Minuten. Er brauchte sonst nichts zu machen, nur Maradona beim Spielaufbau und natürlich beim Abschluss stören."
So wie dann gelungen beim deutschen WM-Coup in Rom. "Ich habe das ja auch gemacht 1986 beim Endspiel, weil ich keinen anderen hatte", erklärt Beckenbauer. "Maradona war der Spielmacher, der die Weltmeisterschaft für Argentinien alleine entschieden hat. Im Endspiel wollte ich einen Gegenspieler haben, der ihm Paroli bieten kann. Da hatte ich nur einen, das war der Lothar Matthäus! Der hat ihn sehr gut bewacht."
"Maradona war eigentlich nicht so sichtbar wie sonst", fügte Beckenbauer an. "Auf der anderen Seite war der Lothar natürlich dann auch für uns nicht so wirkungsvoll wie sonst, weil er eben an diese Aufgabe gebunden war."
Auch an die erste Begegnung mit Maradona hat der Kaiser noch die besten Erinnerungen.
Beckenbauer über erste Begegnung mit Maradona
"Wir haben mit Cosmos New York jedes Jahr eine Südamerikareise gemacht. 1978 nach der Weltmeisterschaft haben wir gegen die argentinische U21 gespielt die. Gegen Maradona, da habe ich ihn zum ersten Mal gesehen. Ich habe gesagt: Das ist kein Fußballer, das ist ein Künstler! Ein Tänzer! Das hat sich ja dann auch rausgestellt. So was habe ich überhaupt noch nicht gesehen. Er war ein Genie der damaligen Zeit - in den 70er und 80er Jahren der beste Fußballer der Welt!"
Die Bilder dazu spuken Beckenbauer noch immer im Kopf herum: "Wie ich ihn damals das erste Mal gesehen habe und er gewirbelt hat gegen uns, war überragend. Wir haben zwar nur 0:1 verloren, aber die Argentinier waren gnädig."
Danach kreuzten sich die Wege von Beckenbauer und Maradona immer wieder "bei Veranstaltungen von der FIFA und so weiter", so der Deutsche. "Er war immer einer, der auf einen zukam und dir die Hand gab - da konnten sich die Europäer was abschneiden. Immer freundlich, immer nett, eine wirkliche Persönlichkeit."
Beckenbauer wusste aber auch: "Er hatte Probleme, die konnte er ja nicht verbergen. Aber so wie ich ihn kennengelernt und erlebt habe – Respekt und alle Achtung."