Der Deutsche Fußball-Bund feiert am 31. Oktober 50 Jahre Frauenfußball – und das sagt viel aus darüber, was man in Sachen Verband und dessen Verhältnis zu dem Thema wissen muss.
Frauenfußball: Das falsche Jubiläum
Denn natürlich spielen Frauen auch in Deutschland viel länger Fußball als 50 Jahre. Was 1970 endete, war das 15-jährige Verbot, sie in Vereinen spielen zu lassen, die im DFB organisiert sind.
Der Jahrestag wäre ein guter Anlass gewesen, mit dem falschen Wording aufzuräumen. Der DFB hat die Chance, wie vieles im Frauenfußball, achtlos am Spielfeldrand liegenlassen.
Lange schien hierzulande gewiss, dass Frauen 1930 begannen, in Teams organisiert Fußball zu spielen. Damals gründet die 18-Jährige Lotte Specht aus Frankfurt den 1. Deutschen Damenfußballclub. Zuvor hat sie über eine Annonce Gleichgesinnte gesucht.
Etwa 40 Rückmeldungen erhält die Tochter einer Metzgerfamilie, 35 der Frauen gründen Anfang 1930 in der Gastwirtschaft "Steinernes Haus" nahe des Römers den 1. DDFC.
Die Spielerinnen, kurzzeitig trainiert von einem Mann, kicken meist gegeneinander, seltener gegen Männerteams. Dabei begegnen ihnen Häme und Spott und auch unter dem Druck der Eltern geben sie ihr Hobby bald auf: Bereits im Herbst 1931 wird der Verein aufgelöst. Wer heute "Lotte Specht" als Suchbegriff auf der Homepage des DFB eingibt, erhält null Treffer für die Pionierin, selbiges gilt für ihren Klub. Der erste Männerverein BFC Germania 1888 und seine Gründer, die vier Jestram-Brüder, sind selbstverständlich zu finden.
Frauenfußball in Deutschland ist wesentlich älter als 50 Jahre
Die Annahme, vor Specht und den ihren hätten Frauen nie organisiert gespielt, ist überholt: 2011 berichtet der Studentenhistoriker Harald Lönnecker von Belegen für Spiele zwischen Studentinnen bei Deutschen Hochschulmeisterschaften in den 1920ern und womöglich vor dem 1. Weltkrieg. Das erste belegbare Ergebnis datiert aus dem Jahr 1927, da gewinnen bei den Hochschulmeisterschaften Studentinnen aus München 2:1 gegen die aus Berlin. Große Begeisterung rufen die kickenden Kommilitoninnen nicht hervor, die Deutsche Studenten Vereinigung erklärt, das Auftreten sei "künftigen Akademikerinnen unangemessen".
Zur Zeit der Nationalsozialist*innen verschärft sich die Haltung gegenüber fußballspielenden Frauen, ohne dass ein konkretes Verbot erlassen wird. Der "männliche Kampfcharakter" widerspreche "dem Wesen der Frau". Auch dem im Juli 1949 wiedergegründeten Deutschen Fußball-Bund sind spielende Frauen nicht recht. Der Sport wird als "unweiblich" und "nicht frauengemäß" gesehen und der Verband schafft auf seinem Bundestag am 30. Juli 1955 in Berlin Fakten: Er verbietet Frauenfußball in seinen Reihen. Im Detail heißt das, die im DFB organisierten Vereine dürfen weder Abteilungen führen oder gründen, noch Frauenteams ihre Plätze überlassen. Schieds- und Linienrichtern wird verboten, Frauenspiele zu leiten.
Die Begründungen sind kurios: "Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand." Auch Auswirkungen auf die Fortpflanzung werden diskutiert. Verbieten kann der DFB nur Aktivitäten unter seinem Dach – weder das Spiel, noch dessen Ausbreitung auch bei Frauen.
Die kicken und gründen munter weiter. So gibt es ab Mitte der 1950er gleich zwei Verbände: den Westdeutschen Damen-Fußball-Verband unter Leitung von Willi Ruppert und die Deutsche Damen-Fußballvereinigung, geleitet von Josef Floritz. Das erste Länderspiel am 23. September 1956 gewinnen die deutschen Frauen in Essen vor rund 18.000 Zuschauer*innen 2:1 gegen eine Auswahl der Niederlande. Insgesamt bestreiten die beiden Verbände bis Mitte der 1960er rund 220 Länderspiele.
Der DFB beäugt die prosperierenden Parallelstrukturen mit kritischem Missfallen. Zwar will man die Frauen nicht im Verband, dass sie nun einfach außerhalb spielen, war nicht geplant. Die Presse, die anfangs häufig über die Frauen spöttelt, ändert nach und nach ihren Tonfall. Vorm Länderspiel gegen England schreibt die Stuttgarter Zeitung im Juli 1957: "Nun haben also die unaufhaltsamen Wogen der Gleichberechtigung auch das Fußballfeld 'beleckt' und selbst die Opposition des gestrengen DFB wie einen morschen Damm hinweggespült."
DFB stellt sich weiter quer
Gegenbeispiele gibt es natürlich auch. So kommentiert 1957 der Wochenschau-Reporter das Länderspiel der Deutschen gegen Holland in München mit Wortspielen aus der Hölle, spricht vom "bestrickenden Stil", "aus der Luft gehäkelten Bällen" und frohlockt: "Die Umstellung von Haushaltsführung auf Ballführung scheint tatsächlich gelungen." Verbandsseitig zürnt man den austragenden Städten und so muss sich München nach der Partie eine Standpauke des DFB gefallen lassen: "Mit der in Frage stehenden Veranstaltung sind Sie uns in unserem Kampf gegen den Damenfußball gleichsam in den Rücken gefallen, was dem bisher guten Verhältnis zwischen der Stadt München und uns nicht dienlich sein kann."
Im August 1957 wird Willi Rupert als Vorsitzender des Westdeutschen Damen-Fußball-Verbandes abgesetzt, ihm werden Unregelmäßigkeiten vorgeworfen. Darauf ruft er den Deutschen Damen-Fußball-Bund ins Leben.
Parallel gründet sich die International Ladies Football Association (ILFA) in Nürnberg. Mitglieder sind Deutschland, England, Österreich und Holland. Im November 1957 trägt die ILFA unter ihren Mitgliedern ein Turnier im Berliner Poststadion aus, Strippenzieher sind Gert Bernats (ILFA) und: Willi Rupert. Der DFB reagiert abermals empört und mit wenig subtilen Drohungen, eigene Wettkämpfe künftig anderswo auszutragen. Das Turnier ist wirtschaftlich und sportlich ein Flop, doch den Frauenfußball kann weder diese Tatsache noch der DFB aufhalten.
"Das kategorische Nein des DFB zum Frauen-Fußball wäre besser nicht gesprochen worden. Stattdessen hätte er seinen Vereinen raten sollen, bei Bedarf Frauen-Fußball-Abteilungen zuzulassen. Ihm wäre dieser Sport nicht entglitten, die gewiss nicht positiven Erscheinungen des Frauen-Fußballs hätten sich vermeiden lassen, die ganze Geschichte sähe heute sicher ganz anders aus." (Tagesspiegel, 16. Oktober 1957)
Frauenbewegung bringt Thema erneut auf die Agenda
Bei der Tagung des DFB-Beirats im November 1957 wird die ablehnende Haltung dennoch einstimmig bestätigt und erneut im April 1961, nun mit der Haltung, den Frauenfußball zu bagatellisieren, in der Hoffnung, er würde sich totlaufen.
Das Gegenteil passiert: Beim SC Bad Neuenahr wird im Juni 1969 trotz des Verbots eine Frauenabteilung gegründet. Im Osten sind Frauenteams ab 1968 im Deutschen Fußballverband der DDR organisiert. Ein Verbot hat es hier nie gegeben.
Beim DFB ringt man sich im Herbst 1969 durch, das Thema wieder auf die Agenda zu heben. Gesellschaftlich hat es durch die neue Frauenbewegung abermals Schwung bekommen, die Forderungen nach Gleichberechtigung werden lauter.
Spielerinnen werden im Sportstudio vorgeführt
Im März 1970 beauftragt der Beirat den DFB-Vorstand, seinem Bundestag Vorschläge für einen Spielbetrieb der Frauen vorzulegen.
Im selben Monat sind Spielerinnen im Aktuellen Sportstudio zu Gast und müssen dort Anzüglichkeiten und Sprüche von Wim Thoelke über sich ergehen lassen, der sich freut, das Schöne an Frauen sei, dass sie "auch mit einem Ball zart umgehen" und Spielszenen kommentiert: "Die brauchen sich gar nicht so aufzuregen, die Zuschauer, die Frauen waschen doch ihre Trikots selber. Wenn die Männer in den Schlamm fallen würden, das wäre schlimm, dann müssten die Frauen zu Hause waschen."
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Einen Höhepunkt erlebt der Frauenfußball noch, bevor das Verbot auch im DFB endet: die inoffizielle WM im Juli 1970 in Italien, zu der das Team des SC Bad Neuenahr als deutsche Vertreterin eingeladen wird.
Die WM wird von der 1969 gegründeten Federazione Internazionale Europea di Football Femminile (FIEFF) organisiert und durch Getränkehersteller Martini & Rossi gesponsert. Das Team von Trainer Heinz Schweden verliert 1:5 gegen die Engländerinnen und gegen die späteren Weltmeisterinnen aus Dänemark setzt es eine weitere Niederlage (1:6).
DFB kippt Verbot - unter fragwürdigen Auflagen
Zuhause lässt sich die Entwicklung endgültig nicht mehr aufhalten. Beim DFB-Bundestag am 31. Oktober 1970 hebt der Verband sein Verbot auf. Es geht ihm darum, die Deutungshoheit zurückzugewinnen: zu den Auflagen gehören eine monatelange Winterpause, ein spezieller Ball, das Verbot von Stollenschuhen und eine verkürzte Spielzeit.
Mehr als 15 Jahre hat man den Frauen Steine in den Weg gelegt. Weil sie auch nach 1970 nicht geleichwertig behandelt werden, hat der Sport diese Zeit nie wirklich aufgeholt.
Die Verbotszeit ignoriert der DFB, seine eigene Geschichte erzählt er lückenhaft und lieblos. Als erste Torschützin der 1990 gegründeten Frauen-Bundesliga benennt er jahrzehntelang fälschlich Iris Taaken, die am 1. Spieltag in den Anfangsminuten trifft. Tatsächlich wird die Partie ihres SV Wilhelmshaven aber erst um 14 Uhr angepfiffen, drei Spiele bereits um 11 Uhr – erste Torschützin ist deshalb Katja Bornschein vom FSV Frankfurt. Das fiel niemandem im Verband auf: Eine auf Twitter losgetretene, mühevolle Recherche brachte es zutage.
Nun selbstgerecht ein Jubiläum zu feiern, statt sich endlich kritisch mit der eigenen Historie zu beschäftigen, steht dem DFB sehr schlecht zu Gesicht. Zum Feiern gibt die Geschichte des Frauenfußballs in Deutschland nämlich jede Menge Anlass. Was aber am 31. Oktober 1970 geschah, ist nicht mehr als eine überfällige Selbstverständlichkeit.